Hamburg. Neue Zeitrechnung am Volkspark: Am zweiten Arbeitstag zeigt Bernd Hollerbach, bei wem er sein Trainerhandwerk gelernt hat.
Der Arbeitstag begann ungewohnt früh für die HSV-Profis: Bereits um 8.30 Uhr am Dienstagmorgen lud Bernd Hollerbach die Mannschaft zum gemeinsamen Frühstück. Das sollte allen Gelegenheit geben, sich ein bisschen kennenzulernen. Und eine Botschaft transportieren: dass nämlich mit dem 22. Januar, dem Tag von Hollerbachs Amtsantritt, eine neue Zeitrechnung am Volkspark begonnen hat.
Und die, das machte das anschließende Vormittagstraining klar, drückt sich selbst auch über den Faktor Zeit aus. Sechs Tempoläufe über 1000 Meter hatte Hollerbach auf die Tagesordnung gesetzt. Zeitvorgabe: drei Minuten. In sechs Gruppen wurden die Spieler von Athletiktrainer Daniel Müssig („Ihr seid zu langsam!“) um den Platz gescheucht. Klar, dass das den gut 50 Schaulustigen gefiel. Motto: Endlich macht jemand den Schlaffis Beine!
Das Tempo vor gab die Spitzengruppe mit Dennis Diekmeier, Lewis Holtby, Sven Schipplock und André Hahn. Vor allem für die drei Letztgenannten eine Gelegenheit, bei Hollerbach Punkte zu sammeln – sie hatten unter Hollerbachs Vorgänger Markus Gisdol nicht zum Stammpersonal gehört.
Zwei Profis fielen läuferisch dagegen deutlich ab: Vasilije Janjicic musste den Kontakt zur zweiten Gruppe mit Rick van Drongelen, Sejad Salihovic und Filip Kostic abreißen lassen und wurde noch von der nachfolgenden dritten Gruppe mit Gotoku Sakai, Luca Waldschmidt, Gideon Jung und dem überraschend leichtfüßigen Rekonvaleszenten Bjarne Thoelke überholt. Und Abwehrchef Kyriakos Papadopoulos, ohnehin schon als Letzter gestartet, hatte deutliche Schwierigkeiten, mit seinen Gruppe-sechs-Mitläufern Aaron Hunt, Bobby Wood und Mergim Mavraj Schritt zu halten. Aber der Grieche ist ja auch nicht für seine Sprints berühmt, sondern für seine Grätschen.
In der neutralen Zeitzone bewegte sich die Youngstergruppe vier um Patric Pfeiffer, Jonas Behounek, Tatsuya Ito und Jann-Fiete Arp, der nach seiner Grippe wieder zumindest diesen Trainingsteil mit der Mannschaft absolvieren konnte, sowie die Gruppe fünf mit Walace, Douglas Santos und Bakery Jatta.
Training in bester Felix-Magath-Tradition
Laufen, laufen, laufen, in bester Felix-Magath-Manier. Fehlten eigentlich nur die Medizinbälle und die Treppenstufen. Mehr als fünf Jahre lang war Hollerbach (48) Assistent der HSV-Legende und feierte an Magaths Seite mit dem VfL Wolfsburg 2009 den Gewinn der deutschen Meisterschaft.
Jetzt ist er erstmals selbst der Chef bei einem Bundesligaclub. Und die ersten Trainingseinheiten bestätigen die Vermutung, wie der einstige Vorkämpfer Hollerbach seine Rettungsmission beim Tabellenvorletzten angehen will. Raus aus der Abstiegszone heißt für ihn zuallererst: raus aus der Komfortzone.
Das machte auch die zweite Übung des Tages deutlich: ein Kopfballwettkampf. Die Verlierergruppe wurde von Hollerbach zu Liegestützen verdonnert. Wie hatte die „Hamburger Morgenpost“ am Dienstag getitelt? „Jetzt wird der Volkspark zur Kaserne.“
Das war allerdings eher auf den Tagesablauf gemünzt, den Hollerbach geplant hat. Wenn zweimal am Tag trainiert wird, geht es nicht mehr mittags nach Hause. Stattdessen stehen gemeinsames Essen und Ausruhen auf dem Programm, bevor am Nachmittag wieder geübt wird. „Ich finde es gut, dass wir einen Tag komplett zusammen sind, uns gut ernähren, gut regenerieren“, sagte Hollerbach.
Er ist nicht der erste Trainer beim HSV, der bei den Profis an der Uhr drehen will. Er wäre allerdings der erste, der das auch dauerhaft umsetzt. Am Ende der Saison aber wird sein Erfolg nicht in Arbeitsstunden gemessen werden und auch nicht in gelaufenen Bestzeiten. Sondern daran, ob die Bundesliga-Uhr im Stadion noch tickt.