Hamburg. Der Vertreter von René Adler, Christian Mathenia, spricht vor dem Spiel bei Werder Bremen über Sicherheit, Rivalität und Rituale.

Er ist eigentlich Torhüter Nummer zwei beim HSV und erst seit zehn Monaten in Hamburg. Doch am Ostersonntag (15.30 Uhr) bestreitet Christian Mathenia (25) beim SV Werder Bremen bereits sein zweites Nordderby. Der Vertreter des verletzten René Adler kann das Spiel im Weserstadion kaum erwarten.

Hamburger Abendblatt: Herr Mathenia, ist Ihre Vorfreude auf das Derby durch die Ereignisse in Dortmund getrübt?

Christian Mathenia: Die Nachricht hat mich getroffen, ganz klar. In der Mannschaft war das auch ein Gesprächsthema. Vor einer Woche haben wir ja selbst noch in Dortmund gespielt. Wenn man so etwas hört, macht man sich Gedanken. Du fährst zu einem Champions-League-Spiel, und dann passiert so etwas. Das ist schon besorgniserregend. Die Verantwortlichen haben aber alles richtig entschieden. Wir müssen die Stirn zeigen und dürfen uns nicht verrückt machen lassen.

Sie sind als Profifußballer viel im Bus oder an Flughäfen unterwegs. Ist das ein beklemmendes Gefühl?

Mathenia: Nein, das nicht. Aber als wir mit Darmstadt vor einem Jahr zum HSV gefahren sind, flog eine Bierdose direkt auf unsere Busscheibe. Ein Fenster ist dabei zu Bruch gegangen, das war auch ein kurzer Schock. Zum Glück wurde niemand verletzt. Unser damaliger Trainer Dirk Schuster hat den Vorfall direkt genutzt und in die Ansprache eingebaut. Dementsprechend waren wir alle so motiviert, dass wir es den Fans zeigen wollten. Den Vorfall kann man aber natürlich nicht vergleichen mit den Geschehnissen in Dortmund.

Dennoch, das anstehende Derby in Bremen ist ein Risikospiel. Wie weit darf Rivalität im Fußball in Ihren Augen gehen?

Mathenia: Ich habe mit Darmstadt das Derby in Frankfurt gespielt. Da wurden hinter meinem Tor Flaggen abgebrannt und mir Böller vor die Füße geworfen. Ich kann mit solchen Dingen umgehen. Es geht aber immer um das richtige Maß. Der Fußball lebt ja auch von einer gesunden Rivalität zwischen Fangruppen und Vereinen. Gewalt aber hat im Stadion absolut nichts verloren. Es sind schließlich auch viele Familien und Kinder dabei. Es darf nie so weit kommen, dass man mit Angst zum Fußball geht.

Wie erleben Sie die Stimmung vor dem Nordderby?

Mathenia: Ich hatte das große Glück, im Hinspiel zu erleben, was hier im Norden vor dem Derby los ist. Darmstadt gegen Frankfurt hatte auch eine große Brisanz. Aber das Nordderby toppt alles. Man spürt die ganze Woche die Anspannung in der Stadt. Überall wirst du mit dem Spiel konfrontiert. Das Nordderby ist für alle das Spiel schlechthin.

Und für Sie schon das zweite als HSV-Profi. Hand aufs Herz: Hätten Sie vor der Saison gedacht, dass Sie schon ihr zehntes Saisonspiel machen?

Mathenia: Mir war vor meinem Wechsel klar, welchen Konkurrenten ich mit René Adler vor mir habe. Ich musste mich nach meinem Mittelhandbruch ja auch erst wieder heranarbeiten. Mir war aber auch klar, dass ich sofort da sein muss, falls sich René mal verletzt oder gesperrt sein sollte.

Nun ersetzen Sie ihn bereits zum zweiten Mal. Waren Sie enttäuscht, dass sie zwischenzeitlich wieder auf die Bank mussten?

Mathenia: Natürlich wäre ich gerne im Tor geblieben. Ich bin nach Hamburg gekommen, um langfristig die Nummer eins zu werden. Der Wechsel nach Hamburg hat meine Eindrücke aus der Ferne bestätigt. Hier wird der Fußball gelebt. Wie die Stadt auch in der größten Krisenzeit hinter dem Club steht, fasziniert mich. Deswegen geht es jetzt auch nur um den Klassenerhalt. Ich stelle mich komplett in den Dienst der Mannschaft.

Wie haben Sie als Nummer zwei über Wochen die Spannung hochgehalten?

Mathenia: Das ist die Kunst des Torhüterspiels. Man muss sich auf jedes Spiel so vorbereiten, als würde man selbst spielen. Wer mich auf der Bank beobachtet, der weiß, dass ich auch von außen aktiv am Spiel teilnehme. Ich bin immer auf der Höhe und lebe meine positive Mentalität auch auf der Bank. So fällt es mir leichter, direkt auf Spannung zu sein.

Bei Toren des HSV sind Sie auch als Ersatztorhüter einer der ersten Gratulanten.

Mathenia: Das ist mein Charakter. Wenn Bobby Wood oder Lewis Holtby kurz vor Schluss das Siegtor schießen, gehen bei mir schon mal die Emotionen durch (lacht). Das bin einfach ich. Ich kann mich für jeden freuen.

Die HSV-Fans wissen noch nicht viel über Sie. Sind Sie auch privat so emotional?

Mathenia: Ich bin schon ein Adrenalintyp, der gerne mal verrückte Sachen macht wie Bungee-Jumping. Zu Hause habe ich aber auch gerne meine Ruhe. Es muss nicht immer Halligalli sein.

Und welche Rolle übernehmen Sie in der Kabine?

Mathenia: Da bin ich schon mal für einen Spaß zu haben. Gerne auch im Zusammenspiel mit Lewis, unserem Chef-Spaßvogel (lacht). Die Stimmung in unserer Kabine ist ohnehin gut. Das ist in dieser Phase der Saison auch wichtig. Entscheidend ist es, die Spannung bis zum Spieltag so aufzubauen, dass man punktgenau in den Konzentrationsmodus umschaltet. Wenn man am Mittwoch schon überdreht, droht man am Sonntag in der Spannung abzufallen.

Torhüter haben bekanntlich eigenartige Rituale. Verraten Sie uns, wie Sie bis zum Derby-Anpfiff Ihre Spannung aufbauen?

Mathenia: Ehrlich gesagt habe ich nur einen persönlichen Tick. Kurz vor dem Anpfiff berühre ich beide Pfosten und die Latte. Das habe ich mir so angewöhnt. Ansonsten mache ich nichts anders. Da bin ich ein ganz normaler Torhüter.