Hamburg. Gemeinsam retteten sie die TSG vor dem Abstieg. Am Sonntag trifft Gisdol auf Nagelsmann - der beinahe in Hamburg gelandet wäre.

Es ist ein kühler Freitagabend in Sinsheim. 5. April 2013. Zum ersten Mal sitzt Markus Gisdol auf dem Stuhl des Cheftrainers im Stadion von 1899 Hoffenheim. Neben ihm sein Co-Trainer Frank Caspari. Mit einem 3:0-Sieg gegen Fortuna Düsseldorf startet das neue Trainerteam in die Mission Rettung. Zwei Monate später ist das „Wunder im Kraichgau“ perfekt. Was damals kaum jemand zur Kenntnis nahm: Auf der Bank neben Gisdol und Caspari saß mit Julian Nagelsmann ein weiterer Co-Trainer. Gerade mal 25 Jahre war der zu diesem Zeitpunkt jung. Ein ungewöhnliches Alter für einen Co-Trainer in der Bundesliga. Das Interesse an Nagelsmann war dennoch gering. Die Aufmerksamkeit galt allein Markus Gisdol.

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Drei Jahre später hat sich der Fokus der Öffentlichkeit gedreht. Nagelsmann ist jetzt Chefcoach in Hoffenheim und der Shootingstar der Trainerszene. Als Nachfolger des vor einem Jahr bei der TSG entlassenen Gisdol und des zurückgetretenen Übergangstrainers Huub Stevens hat Nagelsmann im Frühjahr das geschafft, was er vor drei Jahren als zweiter Co-Trainer erlebte: Er rettete Hoffenheim vor dem Abstieg. In der neuen Saison liegt er mit seinem Team nach zehn Spielen ungeschlagen auf Platz drei.

Ein Treffen mit besonderem Hintergrund

„Es ist schön zu sehen, dass unsere Arbeit fruchtbaren Boden hinterlassen hat“, sagt Markus Gisdol. Der 47-Jährige ist seit sieben Wochen Trainer beim HSV. Am Sonntag (15.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) kehrt er erstmals zurück nach Hoffenheim. Ausgerechnet bei seinem früheren Co-Trainer Nagelsmann geht es für Gisdol und den HSV um existenziell wichtige Punkte. „Das wird eine richtig schwere Aufgabe“, sagt Gisdol vor dem Wiedersehen mit seinem Ex-Club.

Die Begegnung zwischen Gisdol und Nagelsmann ist ein Treffen mit einem besonderen Hintergrund. Wäre es nach dem Wunsch der Hamburger Verantwortlichen gegangen, säße Julian Nagelsmann am Sonntag nicht auf der Bank von Hoffenheim, sondern möglicherweise auf der Bank des HSV. Es ist kein Geheimnis, dass sich die Hamburger zu Saisonbeginn mit Nagelsmann als potenziellem Nachfolger von Bruno Labbadia beschäftigten.

Peters holte Nagelsmann zur TSG

Insbesondere Bernhard Peters, Nachwuchschef des HSV, gilt als großer Förderer von Nagelsmann. 2010, damals war Peters noch für die Jugend in Hoffenheim zuständig, holte er Nagelsmann von 1860 München zur TSG. Seit Februar ist er nun der Cheftrainer. Er hat die Fußballphilosophie, die Peters im Nachwuchs entwickelte, übernommen. Es ist der Stil, den auch Gisdol bei der TSG spielen ließ – und den er gern auch beim HSV übertragen hätte. Aggressives Gegenpressing, Ball­eroberungen, überfallartiges Umschaltspiel, Handlungsschnelligkeit.

Doch für die Entwicklung eines neuen Spielstils hat Gisdol in Hamburg keine Zeit mehr. Am Sonntag in Sinsheim geht es für den HSV-Trainer nur noch darum, irgendwie zu punkten. „Wir als HSV müssen es schaffen, Hoffenheim wehzutun.“ Natürlich wird Gisdol am Sonntag auch an den Tag denken, an dem seine Arbeit in Hoffenheim vor drei Jahren an der Seite von Nagelsmann begann. Er habe bewegendende Momente erlebt, sagt Gisdol. „Und das vergisst man nicht.“