Laax. Der HSV-Torwart hat sein Fernstudium mit der Bestnote abgeschlossen. Als Fußballer hat er noch viel vor.
Es ist eine bemerkenswerte Erklärung. Wenn man René Adler fragt, warum er im Trainingslager des HSV so ausgeglichen wie selten wirkt, lautet seine Antwort: Haie. Drei etwa zwei Meter große Haie waren es, denen der Hamburger Torhüter in seinem Sommerurlaub mehrfach begegnet ist. Beim Tauchen in der Karibik. Natürlich waren es keine gefährlichen Haie. Und doch war es eine Begegnung der besonderen Art. „Die Ruhe da unten im Wasser macht schon Spaß. Wenn du auf einer Ebene mit den Haien schwimmst, ist das ein spezielles Gefühl.“ Ein Gefühl, das zu Adlers Wandlung passt.
Adler will in Hamburg bleiben
Der 31-Jährige hat sich verändert, das wird in Graubünden besonders deutlich. Der einst so verbissene und unnahbare Nationaltorwart blickt heute aus einer anderen Perspektive auf seinen Beruf. Vor vier Wochen hat er sein einjähriges Fernstudium an der ISM Nürnberg abgeschlossen. Er ist jetzt zertifizierter Sportmanager. Abschlussnote 1,0. „Ich habe Didi Beiersdorfer schon gesagt, dass er mir einen Posten zurückhalten soll.“ Adler sagt das im Spaß. Natürlich. Noch. Wenn er über seine Branche und den HSV spricht, dann spricht ein Mann, der als potenzieller Nachfolgekandidat für Sportchef Beiersdorfer in einigen Jahren sicher keine schlechte Wahl wäre.
Noch aber will Adler einige Jahre auf hohem Niveau Fußball spielen. Gerne würde er das beim HSV tun. 2017 läuft sein Vertrag in Hamburg aus. Noch gab es keine Vertragsgespräche über seine Zukunft. Adlers Signale sind klar. Da sind zum einen die sportlichen Gründe. „Ich liebe den Verein. Ich will noch mal Erfolg haben, ich will mit dem HSV den nächsten Schritt gehen. Da wäre ich gerne ein Teil von.“ Und dann wären da noch die privaten Gründe. „Meine Verlobte und ich fühlen uns hier heimisch. Wir wollen eine Familie gründen“, sagt Adler, der seine Lilli Hollunder im Herbst in Hamburg standesamtlich, im kommenden Sommer in Italien kirchlich heiraten wird.
Besiktas wollte und will Adler
Ganz offen gibt Adler zu, dass er im Winter ein lukratives Angebot von Besiktas Istanbul vorliegen hatte. Ein Wechsel zum türkischen Meister ist aber auch jetzt unwahrscheinlich. „Es ist ein Champions-League-Teilnehmer. Meine Frau ist Halb-Türkin, die hätte Lust darauf. Aber aufgrund der politischen Lage ist das schwierig.“
Und so wird sich der frühere Leverkusener beim HSV dem Konkurrenzkampf mit Christian Mathenia stellen. Nach dem Abgang von Jaroslav Drobny (36) ist Adler nun der Torwart-Oldie. Die Nummer eins aber bleibt er. „Drobo war ein guter Torwart, Christian ist ein guter Torwart. Es ist nur ein anderer Name. Ich bin der Gejagte, aber das war ich schon immer.“
Adler ist eben gelassener geworden. Sein sportlicher Ehrgeiz aber ist geblieben. Seine innere Ruhe hat er gefunden. Dabei hat ihm auch das Studium geholfen. „Mein Kopf braucht einfach immer Futter. Das ist ganz wichtig für mich und ein wesentlicher Bestandteil, um meinen Beruf erfolgreich ausüben zu können. Nur einen Roman zu lesen, reicht mir nicht.“
Adler wünscht sich Toptalente beim HSV
Adler macht sich viele Gedanken. Auch über die Zukunft des HSV. Den Weg der Verjüngung hält er angesichts der Preisexplosion auf dem Markt für alternativlos, auch wenn er die Entwicklung aus der Sicht eines Sportmanagers kritisch beobachtet: „Was in England abgeht, ist krass. Das Problem ist der Hype um die jungen Spieler. Jeder Club ist auf der Suche nach der Spieleraktie, um auf diesem Markt einen Warenwert zu schaffen. Aber ich bin ein Teil des Geschäfts. In fünf Jahren schimpfe ich vielleicht darüber, wenn ich auf der anderen Seite sitze.“
Holtby-Schock beim HSV-Trainingslager in Graubünden
Damit sich der HSV sportlich und finanziell sanieren kann, müsse der Club genau diesen Weg gehen. „Wir müssen wieder dahinkommen, Toptalente zu holen, hier zu halten und reifen zu lassen. Wir hatten diese Spieler wie Jonathan Tah, konnten ihnen aber nicht die Rahmenbedingungen ermöglichen. Junge Spieler entwickeln sich am besten in einer funktionierenden Mannschaft“, sagt Adler.
Noch ist der Torwart selbst eine Aktie. Noch könnte der HSV mit dem zwölfmaligen Nationalspieler Geld verdienen. Doch Adler denkt nicht mehr an große Clubs. Die Zeiten, in denen er vom Ausland träumte – vorbei. „Ich muss nicht unbedingt noch woanders spielen.“ Adler will in Hamburg ein Führungsspieler sein. Nach Emir Spahic (36) ist er der zweitälteste Spieler, nach Dennis Diekmeier dienstältester HSV-Profi. Dass er die EM nur als Fan verfolgt, mache ihm nichts aus. Die DFB-Akte? Abgeschlossen. Ein weiterer Grund, den er nennen könnte, wenn man ihn nach seiner Gelassenheit fragt.