Hamburg. Vegane Stadionwurst, recycelbare Trikots, mineralischer Rasendünger – Bio-Boom im Profifußball. Welcher Verein lebt umweltbewusster?

Halbzeit in der Hamburger Alnatura-Arena. Noch keine Tore im Stadtderby der Birkenstock-Bundesliga. Nach ressourcensparenden 45 Minuten spazieren die Profis des HSV und des FC St. Pauli in ihren Sportsandalen in die Kabine. Zwei glückliche Kühe aus den Vier- und Marschlanden werden direkt auf den Platz geführt, um den frischen Rasen nachzudüngen. Die Zuschauer nutzen die Zeit für einen Snack in der Veggielounge oder erleichtern sich schnell auf den Einwegtoiletten.

Ganz so weit ist es natürlich noch nicht mit dem Bio-Boom in der Bundesliga. Und doch haben die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit längst auch den Profi-Fußball erreicht. Etliche Clubs haben verschiedene Maßnahmen ergriffen, um sich auch auf diesem Gebiet zu profilieren. Aber wie öko sind der HSV und der FC St. Pauli? Das Abendblatt hat nachgefragt und gibt einen Überblick in den wichtigsten Kategorien.

Strom

Der Klassenerhalt des HSV in den vergangenen drei Jahren sowie das zuverlässig frühe Ausscheiden im DFB-Pokal hat sich zumindest auf den Energieverbrauch im Volksparkstadion positiv ausgewirkt. Flutlichtspiele erlebt man beim HSV selten. So liegt der durchschnittliche Stromverbrauch bei einem Heimspiel in der Arena bei 110.000 Kilowattstunden. Das Hamburger Unternehmen Care-Energy beliefert den HSV mit Ökostrom. Bei der erneuerbaren Energiegewinnung hat der Verein aber Optimierungsmöglichkeiten. Als Vorzeigemodell dient der Campus. Im neuen Nachwuchsleistungszentrum, das 2017 eröffnet wird, sollen 20 Prozent des Strombedarfs durch Fotovoltaik-Anlagen, eine Art Solartechnik, gedeckt werden.

Auch der FC St. Pauli setzt beim Strom auf einen lokalen Anbieter. Schon seit Jahren bezieht der Zweitligist 100 Prozent Ökostrom der Firma LichtBlick. Am 2015 fertiggestellten Millerntor-Stadion wird bereits mithilfe von Fotovoltaikanlagen auf dem Stadiondach Strom gewonnen und ins Netz eingespeist. Um die Fans auf Betriebstemperatur zu bringen, reicht aber auch in der kommenden Saison Energiebündel Ewald Lienen aus.

Rasenpflege

Dass sich der Rasen im Volksparkstadion in den vergangenen Jahren nicht immer im besten Zustand präsentierte, hatte weniger mit Pestiziden beim Düngen zu tun, sondern eher mit rustikalen HSV-Profis wie Valon Behrami oder Emir Spahic. Das Hauptproblem des HSV-Rasens bleibt der schlechte Lichteinfall. Aus diesem Grund musste das Gras in den Anfangsjahren der Arena häufig ausgetauscht werden. Seit der Club den Rasen unter der Woche mit UV-Strahlern beleuchtet, hat sich das Problem minimiert, die Stromkosten aber erhöht. Mittlerweile liegt im Stadion zudem ein Hybridrasen, eine Mischung aus Kunst- und Naturrasen. Der soll nicht nur den Ball besser laufen lassen, sondern auch die Pflege erleichtern. Gedüngt wird der Rasen zwar trotzdem noch, dafür verwenden die Greenkeeper aber einen mineralischen Dünger. Wenn jetzt der Ball tatsächlich noch besser laufen würde ...

Beim FC St. Pauli übernimmt in der Regel Jan-Philipp Kalla das Umpflügen des Rasens. Zur Bewässerung wird rund 5000 Kubikmeter Grundwasser pro Jahr verbraucht. Ein Austausch des Rasens ist dank der drei offenen Stadionecken und der dadurch gewährleisteten Belüftung nur selten nötig. In den vergangenen Tagen ist ein Rasen ausgetauscht worden, der seit Frühjahr 2011 gelegen hatte.

Catering

Keine Sorge, HSV-Fans, vom veganen Volksparkstadion ist der Verein noch weit entfernt. Schon vor einiger Zeit bot Catering-Partner Aramark im Stadion Bio- und Sojabratwürste an. Die Nachfrage war aber derart gering, dass sie wieder aus dem Sortiment der Stände verschwanden. Dafür gibt es ab der kommenden Saison im Fan-Restaurant Raute täglich ein veganes Suppengericht. Auch in den Logen reagiert Aramark auf den Biotrend und bietet insbesondere regionale Saisonprodukte an. Damit arbeitet auch Mannschaftskoch Mario Mosa. Glück für die Spieler: Weil sich Gluten-Gegner Thomas Tuchel vor einem Jahr für eine Trainertätigkeit bei Borussia Dortmund entschied, dürfen die Profis weiterhin Pasta essen.

Der Punkt für den Getränkeanbieter geht an den FC St. Pauli. Während der HSV auf Coca-Cola setzt, hat der Stadtrivale seit Freitag mit dem Hamburger Unternehmen Fritz-Kola einen lokalen Partner. In der neuen Saison gibt es somit im Stadion auch Bio-Apfelschorle zu kaufen. Das im Stadion erhältliche Wasser kommt von Hella Mineralbrunnen, aber auch von Viva con Agua. Im Peta-Ranking der veggiefreundlichsten Stadien belegt das Millerntor in der Zweiten Liga derzeit Platz zwei.

Plastikverbrauch

Größter Müllverursacher im HSV-Stadion sind die Plastikbecher. Bis zu 30.000 Liter Bier werden an einem Heimspieltag gezapft und in Einwegbechern ausgegeben. Laut Aramark handelt es sich um „Recyclingmaterial“. Hier hinkt der HSV dem FC St. Pauli hinterher. Am Millerntor sind im allgemeinen Zuschauerbereich 99 Prozent Mehrwegbecher im Umlauf, auf die jeweils ein Pfand erhoben wird. Es besteht die Möglichkeit, dieses Pfand für Viva von Agua zu spenden, indem die leeren Becher in die bereitstehenden Tonnen geworfen werden. Durch Pfandbecher-Spenden sind in der Saison 2015/16 insgesamt rund 50.000 Euro für Wasserprojekte in Afrika zusammengekommen.

Pluspunkte sammelt der HSV beim Verkauf der Fanartikel in den Fanshops. Schon seit Jahren gibt der Verein nur noch Papiertüten heraus, während beim FC St. Pauli Plastiktüten zum Einsatz kommen. Für diese wird zumindest eine Abgabe erhoben und das eingenommene Geld zu 100 Prozent für ein brasilianisches Projekt gespendet, das sich um den Küstenumweltschutz kümmert.

Trikotstoff

Wie schwierig es ist, einen gleichzeitig stabilen wie ressourcenschonenden Trikotstoff zu entwickeln, wurde Puma während des EM-Spiels zwischen der Schweiz und Frankreich vor Augen geführt, als gleich sieben Trikots rissen. Beim HSV wird der Trikotsatz von Adidas alle drei Spiele gewechselt. Produziert werden die Shirts in Vietnam aus recycelbarem Polyester. „Das ist ressourcenschonend und reduziert den Schadstoffausstoß“, sagt Adidas-Sprecher Oliver Brüggen. Wo St. Paulis Trikots des neuen Ausrüsters Under Ar­mour hergestellt werden, konnte der Verein auf Nachfrage nicht mitteilen.

Innovation

Um bei den Mitarbeitern ein Umweltbewusstsein zu schaffen, hat der HSV kürzlich mit seinem Partner Care-Energy vor dem Stadion eine eigene „Tankstelle“ für Elektroautos errichtet. Zwei Wagen, die an der Station aufgeladen werden, stehen den Mitarbeitern für Dienstfahrten zur Verfügung. Ebenso fortschrittlich ist der eigene Brunnen, den der HSV vor einiger Zeit bauen ließ, um den Stadionrasen sowie die Trainingsplätze mit Grundwasser zu versorgen.

In Sachen Kreativität hat der HSV im Vergleich zu St. Pauli aber Steigerungspotenzial. Ligaweit vorne liegt der Kiezclub mit einer neuen Idee. Seit Jahresbeginn entsorgt der Verein Zigarettenfilter in einem innovativen Verfahren. Aus den gesammelten Resten entsteht Rohplastik, aus denen unter anderem Fahrradständer hergestellt werden. „Das Thema Nachhaltigkeit hat bei uns eine besondere Bedeutung“, sagt Geschäftsführer Andreas Rettig. „Wir wissen jedoch, dass wir in einigen Bereichen Optimierungsbedarf haben. Hierauf wollen wir verstärkt unser Augenmerk richten.“

Mit ihrem Bienenprojekt ist dem Club das Vorhaben bereits gelungen. Vor einigen Wochen siedelte der FC St. Pauli zwei Bienenvölker in seinem Stadion an, um im Kampf gegen das Bienensterben ein Zeichen zu setzen. Erster Erfolg: Kürzlich konnten die ersten Gläser mit Honig abgefüllt werden. Ab Juli wird der Honig auch zu kaufen sein. Passender Name des süßen Brotaufstrichs: Ewaldbienenhonig. Ob der Trainer jetzt zum Frühstück regelmäßig sein Vollkornbrot damit garniert, ist nicht überliefert.