Hamburg. Während sich die Schwaben auf Mallorca aufs Saisonfinale vorbereiteten, regiert beim HSV das Chaos. Ein Sieg könnte Gemüter beruhigen.

Ausgerechnet am Freitag, dem 13., blieb es ruhig. Nach einer Woche voller Pleiten, Pech und Pannen nutzten Trainer und Mannschaft des krisengeschüttelten HSV den Vortag des Saisonfinales gegen Augsburg (Sa, 15.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) zum kurzen Durchpusten. Um 11 Uhr wurde ein letztes Mal hinter verschlossenen Türen im Volksparkstadion trainiert. Anschließend ging es direkt zum Flughafen Fuhlsbüttel, wo pünktlich um 15 Uhr die Maschine LH2071 nach München abhob, von wo aus es weiter ins Teamhotel Steigenberger ging. Einen ganzen Tag lang kein Kühne, kein Calmund, kein Knäbel und auch keine lästigen Fragen.

Diese dürften im Anschluss an die Partie am Sonnabend erneut aufkommen, sollte das „Spiel um die goldene Ananas“ von den Profis als genau dieses verstanden werden. Der Grund: Der HSV hat es in nicht einmal einer Woche geschafft, aus einer alles in allem mittelmäßigen eine verheerende Spielzeit werden zu lassen. Verlieren die Hamburger nun in Augsburg auch noch mit einer ähnlichen Einstellung wie vor einer Woche gegen Wolfsburg, ist das erbärmliche Saisonfinale perfekt.

17 Profis fliegen nach München

Die fragwürdige Wichtigkeit des Spiels wurde vor dem Abflug auch durch die Kaderbekanntgabe unterstrichen: Gerade mal 17 Profis saßen im Flugzeug nach München. Vier Hamburger, die ein letztes Mal für den HSV hätten auflaufen können, meldeten sich komplett ab. Jaroslav Drobny? Keine Lust. Ivica Olic? Angebliche Magenprobleme. Ivo Ilicevic? Knie-Wehwehchen. Artjoms Rudnevs? Zerrung.

„Es ist ein bisschen schade, dass unsere ganze Saison in den letzten Tagen ein wenig untergegangen ist“, sagt Trainer Bruno Labbadia, der ausgerechnet nach dem feststehenden Klassenerhalt mehr als Krisen- denn als Teammanager gefragt ist. Die miserable Leistung gegen Wolfsburg am vergangenen Sonnabend: „Mich haben ei­nige Dinge ge­nervt und ver­är­ger­t.“ Der Disco-Unfall von Albin Ekdal in der Nacht zum Sonntag: „Da bin ich nicht päpstlicher als der Papst.“ Der Rauswurf von Peter Knäbel am Montag: „Ich bedauere es aus menschlicher Sicht sehr.“ Dietmar Beiersdorfers Entscheidung am Dienstag, zukünftig selbst den Sportchef zu geben: „Wir haben sehr viel Arbeit vor uns.“ Drobnys Rundumschlag am Mittwoch: „Wir sind immer fair miteinander umgegangen.“ Und schließlich Drobnys Weigerung am Donnerstag, in Augsburg den verletzten Stammtorhüter René Adler zu vertreten: „Wenn ich das ganze Theater sehe, bin ich sehr froh, dass wir das so im Vorfeld gemacht haben.“

Nun fällt an diesem Sonnabend der Vorhang der 53. Bundesligasaison, doch ob das HSV-Theater damit wirklich beendet ist oder sogar erst richtig losgeht, dürfte sich auch in den 90 Minuten in Augsburg mitentscheiden. „Seitdem ich da bin, haben wir das erste Mal die Unruhe wie in den Jahren zuvor“, sagt Labbadia, der unter keinen Umständen durch eine Niederlage gegen den FC zusätzliches Öl ins Feuer gießen will.

Die Rolle des Milliardärs Kühne

Die Brände, die in den vergangenen Tagen außerhalb des Spielfelds gelegt wurden, dürfte die HSV-Feuerwehr, allerdings auch ohne einen weiteren Brandbeschleuniger aus Augsburg, beschäftigen. So wird das drohende Sommerloch zunächst einmal durch das Comeback von Investor Klaus-Michael Kühne gestopft werden. Dessen gutmütige Bereitschaft, den knäbellosen HSV mit 30, 40 oder 50 Millionen Euro zu unterstützen, wird die Verantwortlichen wohl länger beschäftigen, als diese es vorausgesehen haben.

So wird HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer nicht umhinkommen, zeitnah zu erklären, in welcher Form Kühne dem Club das Geld zur Verfügung stellt und – noch wichtiger – welche Rolle der Milliardär tatsächlich bei den Entscheidungen im Volkspark spielt. Die Behauptung einer Einmischung ins operative Geschäft, die von den HSV-Verantwortlichen in der Vergangenheit immer empört zurückgewiesen wurde, lässt sich nach den Geschehnissen der letzten Wochen kaum leugnen. Zudem ist weiter unklar, welche genauen Gegenleistungen Kühne für seine Finanzspritze einfordert. Denn bei aller Anerkennung für Kühnes nimmermüde Unterstützung für seinen Herzensclub: Geschenkt hat der Unternehmer seinem HSV trotz Beteiligungen, Darlehen, Namenskauf und Anteilskäufen im Gesamtwert von 69 Millionen Euro nahezu nichts. Der Geschäftsmann will mitentscheiden, was mit seinem Geld passiert, was auch sein gutes Recht ist.

Als Alleinverantwortlicher will Beiersdorfer nun also den Spagat versuchen, auf der einen Seite möglichst viele Millionen zu akquirieren, auf der anderen Seite dabei aber möglichst wenig Einflussnahme zu gestatten. Ein heikles Unterfangen ohne Netz und ohne doppelten Boden. Denn klar ist: Sollte der Transfersommer nach Knäbels Demission nicht den gewünschten Erfolg haben, ist es Beiersdorfer selbst, der dann zur Disposition stünde.

Peter Knäbel unterzeichnet Auflösungsvertrag

Bis es allerdings so weit ist, sollen nach dem letzten Quer-, Rück- und Fehlpass zunächst noch einmal alle anderen Abteilungen hinterfragt werden. Neben dem von Beiersdorfer kritisierten Scouting soll das auch für den von Bernhard Peters verantwortete Nachwuchsbereich gelten. Immerhin konnten sich HSV-Justiziar Julius Becker und Knäbel am Freitag auf eine sofortige Vertragsauflösung einigen. Eine monatelange Gerichtsauseinandersetzung wie bei Vorgänger Oliver Kreuzer bleibt dem HSV somit erspart. Am Nachmittag wurde der Vertrag unterschrieben, anschließend flog der Ex-Sportchef zurück in die Schweiz.

Bleibt vor dem Spiel der Spiele nur noch die Frage, wie sich Abschlussgegner FC Augsburg auf die Partie vorbereitet hat? Oder besser: wo? Die Antwort überrascht. Denn während in Hamburg Knäbels Rauswurf verkündet wurde, feierten die Bayern drei Tage lang den Nicht-Abstieg auf Mallorca. Dort dürfte sich die Feiergesellschaft auch köstlich über das Saisonfinale vor vier Jahren ausgetauscht haben, als es für die Augsburger ebenfalls um nichts anderes als um die Ehre ging. Immerhin: Der FCA siegte seinerzeit mit 1:0. Der Gegner damals: Nur der HSV.