Hamburg. Vereinschef Dietmar Beiersdorfer entlässt den Sportchef und übernimmt den Posten vorerst selbst. Kommt jetzt Horst Heldt?
Als Peter Knäbel am Montagmorgen zu einer Sitzung mit Trainer Bruno Labbadia und Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer fuhr, hatte er sich auf einige Personalentscheidungen vorbereitet. Wie geht es weiter mit Emir Spahic? Wann unterschreibt Torhüter Christian Mathenia? Verlängert der HSV noch einmal mit Gojko Kacar? Am Schluss der Sitzung stand schließlich folgende Entscheidung fest: Das Aus für Peter Knäbel beim HSV.
Nur 19 Monate nach dessen Amtsantritt trennt sich der Verein vom Direktor Profifußball. „Ich hielt diesen Schritt für notwendig“, sagte Vereinschef Beiersdorfer am Montagabend in einer ersten Stellungnahme. „Wir hatten unterschiedliche Auffassungen von der zukünftigen Ausrichtung des sportlichen Bereichs. Dabei sind wir zum Entschluss gekommen, dass für beide Seiten eine Trennung das Beste ist“, so Beiersdorfer in der Begründung.
Gespräche mit Spielern stehen an
Die Aufgabe des Sportchefs übernimmt der HSV-Boss zunächst selbst. „Das habe ich in Absprache mit meinen Vorstandskollegen entschieden“, sagte Beiersdorfer, der damit wieder den Posten bekleidet, den er beim HSV zwischen 2003 und 2009 inne hatte. Er ist nun vollumfänglich verantwortlich für die Kaderplanungen des Bundesligisten, der am Sonnabend den Klassenerhalt trotz der 0:1-Niederlage gegen den VfL Wolfsburg sicherte. „Als erstes stehen für mich jetzt die Gespräche mit Spielern an, deren Verträge auslaufen – damit alle Beteiligten Klarheit bekommen“, sagte Beiersdorfer.
Der HSV spricht in seiner Stellungnahme von einer einvernehmlichen Trennung. Doch davon kann keine Rede sein. Knäbel trifft das Aus mit voller Wucht. Nachdem das Abendblatt bereits vor zwei Wochen berichtete, dass der Sportchef beim HSV auf dem Prüfstand steht, suchte Knäbel in der vergangenen Woche den direkten Weg zum Vorstand und fragte nach seiner Zukunft. Die Antwort: Er stehe nicht zur Diskussion.
Der HSV hat sich mit Horst Heldt beschäftigt
Bis zum Freitag vor dem Spiel gegen Wolfsburg hatte noch kein Vereinsverantwortlicher mit Knäbel über dessen Zukunft gesprochen. Dabei hatte sich der Vorstand zu diesem Zeitpunkt nach Abendblatt-Informationen schon längst mit einem möglichen Nachfolger und dem Namen Horst Heldt beschäftigt. Der scheidende Sportvorstand des FC Schalke wird in Gelsenkirchen zur neuen Saison durch den langjährigen Mainzer Manager Christian Heidel ersetzt. Dass Beiersdorfer den Job des Sportchefs selbst übernimmt, schließt eine Verpflichtung Heldts in naher Zukunft nicht aus.
Die Enttäuschung bei Peter Knäbel ist unterdessen groß. „Natürlich hätte ich meinen Vertrag gern bis zum Ende erfüllt“, sagte der 49-Jährige in der Mitteilung. „Das Fundament für eine sportlich bessere Perspektive gelegt zu haben, erfüllt mich rückblickend aber mit Stolz. Gleichwohl trage ich die Entscheidung mit und wünsche dem Club nur das Beste.“
Vierter Sportchef in sieben Jahren entlassen
Beiersdorfer selbst hatte Knäbel im Herbst 2014 nach Hamburg geholt. Bis dahin arbeitete der frühere Profi des FC St. Pauli als Direktor beim Schweizer Fußball-Verband. Knäbel sollte mit seinen analytischen Fähigkeiten auf der Position des Sportchefs endlich für Kontinuität sorgen.
Nachdem Beiersdorfer den HSV im Sommer 2009 nach einem heftigen Streit mit dem damaligen Vereinsboss Bernd Hoffmann verlassen hatte und Hoffmann damals die Funktion der Kaderplanung gemeinsam mit dem Trainer Bruno Labbadia übernahm, hat der Club jetzt den vierten Sportchef in sieben Jahren entlassen. Nach Bastian Reinhardt (2010 bis 2011), Frank Arnesen (2011 bis 2013) und Oliver Kreuzer (2013 bis 2014) ist nun auch Knäbels Amtszeit vorzeitig beendet. Sein Vertrag in Hamburg war bis zum 30. Juni 2017 fixiert.
Verträge laufen aus
Der HSV muss damit einmal wieder eine Abfindung zahlen und verliert Geld, das er für die anstehende Transferperiode dringend bräuchte. Beiersdorfer muss bereits in den kommenden Tagen wichtige Personalentscheidungen rund um die Mannschaft treffen. Die Verträge von Spahic, Kacar, Ivo Ilicevic und Ahmet Arslan laufen aus. Darmstadts Torhüter Christian Mathenia soll zeitnah unterschreiben, Beiersdorfer muss somit Publikumsliebling Jaroslav Drobny erklären, dass seine Zeit als Ersatztorwart beim HSV endet.
Auch die Zukunft von Stammkeeper René Adler, Kapitän Johan Djourou sowie Linksverteidiger Matthias Ostrzolek, deren Verträge allesamt im kommenden Sommer auslaufen, muss geklärt werden. Einen Neuzugang für die kommende Saison konnte der HSV noch nicht finden. Mit Wunschstürmer Bobby Wood vom Zweitligisten Union Berlin war Knäbel in den Verhandlungen weit fortgeschritten.
Unterstützung für Knäbel nach Rucksackaffäre
„Wir werden weiter an der Mannschaft bauen“, hatte Beiersdorfer bereits am Sonnabend unmittelbar nach der achten Heimniederlage der Saison gesagt. Dass er diese Aufgabe nun hauptverantwortlich betreibt, ahnten zu diesem Zeitpunkt wohl nur wenige. Nach dem Spiel hatten Beiersdorfer und Knäbel noch gemeinsam die Stürmer Ivica Olic und Artjoms Rudnevs verabschiedet. Nun verabschiedet sich Beiersdorfer von Knäbel. „Ich möchte mich bei ihm bedanken. Auch aufgrund seines großen Einsatzes für den HSV ist es uns gelungen, zwischenzeitlich verloren gegangene Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen und eine sportlich stabilere Saison zu spielen.“
Nach dem unglücklichen Trainerintermezzo und der Rucksackaffäre im vergangenen Sommer hatte Beiersdorfer Knäbel noch den Rücken gestärkt. Durch die am Ende erneut enttäuschend verlaufene Saison und die Rückentwicklung vieler Spieler in der zweiten Saisonhälfte brauchte der Verein nun offenbar einen Verantwortlichen. Beiersdorfer setzt jetzt alles auf eine Karte – auf die Karte Beiersdorfer.
„Wir müssen besser werden, viel besser“, sagte der nun mit aller Macht ausgestattete Vereinschef am Montag. Und dürfte damit vor allem auch seine eigene Arbeit gemeint haben.