Hamburg. Pierre-Michel Lasogga ist wieder da. Im Nordderby gegen Werder Bremen zeigt er seine Vorzüge und schießt zwei Tore. Warum erst jetzt?
Die Leidenszeit von Pierre-Michel Lasogga dauerte 148 Tage. So lange hatte der Mittelstürmer auf ein Tor beim Fußball-Bundesligisten Hamburger SV gewartet. Dass ihm das beim 2:1 (2:0) im Nordderby gegen Werder Bremen gleich in doppelter Ausführung gelang, überraschte nicht nur die 57 000 Zuschauer am Freitagabend im ausverkauften Volksparkstadion, sondern auch ihn. „Das waren meine ersten Tore in der Rückrunde. Man kann sagen, ich bin wieder zurück“, verkündete er stolz und richtete den Blick an die Decke der Stadionvorhalle. „Es war enorm wichtig, dass ich getroffen habe.“
HSV gewinnt Derby gegen Bremen
Das war es in der Tat. Wichtig nicht nur für ihn, wichtig vor allem für den HSV. Die Hamburger waren nach einem Einbruch in der Rückrunde erneut bis zur Abstiegszone abgesackt und näherten sich dem eigentlich nicht für möglich gehaltenen Relegations-Triple.
Mit dem Sieg aber haben sie die Pufferzone zum Relegationsplatz, auf dem der ungeliebte grün-weiße Nordrivale aus der kleineren Hansestadt sitzt, auf sechs Zähler ausgebaut. „Das war ein wichtiger Schritt Richtung Klassenerhalt“, bekannte Lasogga.
Gegen Werder hatte er erst ein exaktes Zuspiel nach exzellenter Vorarbeit des pfeilschnellen Nicolai Müller über die Linie gedrückt (5.), dann war er nach Flanke von Matthias Ostrzolek mit dem Kopf (32.) zur Stelle. „Wir wissen, dass Pierre nicht viele Chancen braucht. Er ist vor dem Tor eiskalt“, lobte Ivo Ilicevic seinen Teamkameraden, der jetzt acht Tore auf dem Konto hat. Lewis Holtby schwärmte: „Das ist der Sturm-Tank, den der HSV geholt hat.“
Szenenapplaus für Ilicevic, Holtby läuft und läuft und läuft
Seit November 2015 hatte Lasogga kein messbares Arbeitsergebnis abgeliefert. Damals hatte der HSV gerade Borussia Dortmund mit 3:1 besiegt, und 8,5-Millionen-Euro-Einkauf Lasogga stand mit einem verwandelten Elfmeter im Zentrum der Glückseligkeit. Fortan wurde es um den 24 Jahre alten Mittelstürmer aber ruhiger.
Das ging sogar so weit, dass Trainer Bruno Labbadia seine etatmäßige Nummer eins im Sturm degradierte. Erst bevorzugte er den eigentlich schon ausgemusterten Artjoms Rudnevs und später auch noch Ersatzmann Sven Schipplock. Eine nie auskurierte Schulterverletzung hemmte den bulligen Angreifer zudem. Lasoggas Rezept: „Das Wichtigste ist, dass man sich den Kopf nicht vollmacht.“
Peter Knäbel, Direktor Profi-Fußball, wie der Sportchef beim HSV heißt, brachte es auf eine griffige Formel: „Wenn eine Nummer 9 funktioniert, funktioniert eine Mannschaft.“ Soll heißen: Hast du keinen guten Stürmer, hast du keine gute Mannschaft. Leider hat der HSV zu selten einen guten Lasogga. Sein Torriecher, sein strammer Schuss, seine wuchtige Verdrängungs-Spielweise stehen auf der Haben-Seite. Mangelnde Schnelligkeit und fehlende technische Fertigkeiten berauben ihn aber größerer Gefährlichkeit.
„Das war heute ein Finale für uns“, beschrieb Ilicevic die Bedeutung des Erfolges. „Das war ein Meilenstein“, betonte Labbadia und lobte den starken Ersatztorhüter Jaroslav Drobny als „abgewichsten Hund“. Der René-Adler-Ersatz parierte neun von zehn Torschüssen, darunter einen Elfmeter von Claudio Pizarro. Mit 37 Punkten blickt der HSV entspannter in die Zukunft. Dauerläufer Holtby glaubt aber nicht, dass die Saison gelaufen ist: „Wer jetzt denkt, dass alles vorbei ist, ist fehl am Platz.“ Am nächsten Samstag geht's nach Mainz. Ohne Lasogga. Der ist gelbgesperrt.