Hamburg. Ausgerechnet am 3. Oktober fiel der HSV in der Hauptstadt beim 0:3 gegen Hertha BSC auseinander wie schon lange nicht mehr.

All zu viel Zeit hatte Bruno Labbadia am Morgen nach der Pleite in Berlin nicht. Nach dem wenig erfreulichen Abstecher in den Osten der Republik am Tag der Deutschen Einheit machte sich der HSV-Trainer am späten Mittag nach dem 25. Jahrestag mit seinem Auto auf den Weg in den Westen. In Leverkusen wollte Labbadia den kommenden Gegner im Spiel gegen Augsburg beobachten – und gleichzeitig auf andere Gedanken kommen. „Niederlagen sind immer schmerzhaft“, gab Labbadia unumwunden kurz vor seiner Abfahrt zu. „In Berlin haben wir ein Gesicht gezeigt, das uns so gar nicht gefallen hat.“

Überdeutlich mit 0:3 mussten sich die Hamburger gegen das neue Überraschungsteam der Liga am 3. Oktober geschlagen gegeben. Und während sich Berlins Trainer Pal Dardai gemeinsam mit den 65.427 Zuschauern über einen „echten Feiertag am Feiertag“ freuen durfte, musste Labbadia darüber rätseln, warum seine Mannschaft zum Ende des Spiels an längst überstanden geglaubte Zeiten angeknüpft hatte. „In den letzten 20 Minuten haben wir unsere Ordnung leider komplett verloren“, sagte der Hamburger, der kein Wort in den vergangenen Wochen derart betont hatte wie die von ihm beschworene „Einheit“. Es darf also gut und gerne als Treppenwitz des Spieltags herhalten, dass Hamburgs überstrapazierte Einheit ausgerechnet am Tag der Einheit auseinanderbrach.

Schwacher HSV verliert in Berlin

Vedad Ibisevic feiert zwei Tore gegen den HSV
Vedad Ibisevic feiert zwei Tore gegen den HSV © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Am Ende verliert der HSV in Berlin mit 0:3
Am Ende verliert der HSV in Berlin mit 0:3 © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Salomon Kalou setzt sich gegen  Johan Djourou durch
Salomon Kalou setzt sich gegen Johan Djourou durch © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Genki Haraguchi zeigte in der zweiten Halbzeit eine gute Partie
Genki Haraguchi zeigte in der zweiten Halbzeit eine gute Partie © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Berlins Vladimir Darida (r) schießt vor Hamburgs Emir Spahic knapp am Tor vorbei
Berlins Vladimir Darida (r) schießt vor Hamburgs Emir Spahic knapp am Tor vorbei © dpa | Thomas Eisenhuth
Berlins Torwart Rune Jarstein (r) und Jens Hegeler (M) klären gemeinsam vor Hamburgs Pierre-Michel Lasogga
Berlins Torwart Rune Jarstein (r) und Jens Hegeler (M) klären gemeinsam vor Hamburgs Pierre-Michel Lasogga © dpa | Thomas Eisenhuth
Hamburgs Pierre-Michel Lasogga (M) kommt zum Torschuss
Hamburgs Pierre-Michel Lasogga (M) kommt zum Torschuss © dpa | Thomas Eisenhuth
Pierre-Michel Lasogga nach einer vergebenen Chance
Pierre-Michel Lasogga nach einer vergebenen Chance © dpa | Thomas Eisenhuth
Vladimir Darida gegen Nicolai Müller
Vladimir Darida gegen Nicolai Müller © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Tolga Cigerci nach einem Kopfball
Tolga Cigerci nach einem Kopfball © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Salomon Kalou attackiert Marcelo Diaz
Salomon Kalou attackiert Marcelo Diaz © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Pierre-Michel Lasogga beim Tor-Versuch
Pierre-Michel Lasogga beim Tor-Versuch © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Berlins Fabian Lustenberger fasst sich an die Brust, nachdem er einen Ball versehentlich fast ins eigene Tor geschossen hätte
Berlins Fabian Lustenberger fasst sich an die Brust, nachdem er einen Ball versehentlich fast ins eigene Tor geschossen hätte © dpa | Thomas Eisenhuth
Salomon Kalou bei seinem Treffer zum 1:0
Salomon Kalou bei seinem Treffer zum 1:0 © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Johann Djourou sah bei dem Gegentreffer schlecht aus
Johann Djourou sah bei dem Gegentreffer schlecht aus © dpa | Thomas Eisenhuth
Marvin Plattenhardt im Zweikampf gegen Pierre-Michel Lasogga
Marvin Plattenhardt im Zweikampf gegen Pierre-Michel Lasogga © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
1/16

Nun könnte man wenig konstruktiv die Pleite in Berlin mit zwei Wörtern abtun: wie immer. So hat der HSV in den vergangenen fünf Duellen mit Hertha fünfmal verloren, nie ein Tor geschossen und wurde gleich dreimal mit 0:3 gedemütigt. 0:11 lautet das Torverhältnis der vergangenen vier Jahre.

Doch auf der Suche nach etwas überzeugenderen Gründen für die jüngste Lehrstunde in der Hauptstadt wurden die Hamburger auch am Morgen danach nicht so recht fündig. „Ehrlich gesagt fehlt mir dafür die Erklärung. Ich weiß nicht, warum wir so eingebrochen sind“, sagte Marcelo Díaz. Auch Aaron Hunt („Wenn man das Spiel als Ganzes nimmt, muss man leider sagen: Wir waren mit dem 0:3 noch gut bedient“) und Dennis Diekmeier („Das habe ich schon lange nicht mehr so bei uns erlebt. Die zweite Halbzeit war unsere schlechteste Saisonleistung“) hatten keine Erklärung parat.

Dabei konnte die Frage nach dem Wieso, Weshalb, Warum mit einem flüchtigen Blick auf dem Statistikzettel, der eine Stunde nach der Partie in den Katakomben des Berliner Olympiastadions vor Labbadia auf dem Tisch lag, zumindest halbwegs zufriedenstellend beantwortetet werden. Denn obwohl die HSV-Profis laut den in schwarz und weiß niedergeschriebenen Daten und Fakten genau doppelt so viele Flanken in den 90 Minuten geschlagen hatten (18:9), konnte Hertha dreimal so oft direkt auf das Hamburger Tor schießen (6:2). Insgesamt waren es sogar 13:8 Torschüsse. „Wir sind vorne einfach nicht zum Abschluss gekommen“, analysierte Labbadia folgerichtig. „Auf den Flügeln haben wir uns immer wieder durchgesetzt, daraus aber überhaupt kein Kapital geschlagen.“

Es war die Antwort auf eine seit Wochen im Raum stehende Frage: Hat der HSV ein Offensivproblem? „Nein“, antwortete Labbadia, der sich wie eine Löwenmutter schützend vor sein Team stellte und die Einheit aus Offensiv- und Defensivabteilung betonte. „Ja“, antworteten dagegen die Zahlen und Fakten der vergangenen Spieltage. So erzielte der HSV in den vergangenen vier Spielen lediglich ein Tor durch einen abgefälschten Freistoß von Michael Gregoritsch in Ingolstadt (1:0). Gegen Eintracht Frankfurt (0:0), Schalke 04 (0:1) und in Berlin trafen die Hamburger gar nicht.

Die Ursache für den Negativtrend der vergangenen Spiele scheint also gefunden. Die Wirkung überraschte dann aber sogar Labbadia. Denn während seine Mannschaft zuletzt auch nach Rückschlägen stabil wirkte, brach sein Team Mitte der zweiten Halbzeit in Berlin komplett ein. Torjäger Vedad Ibisevic traf nach einer ausgelassenen Großchance (71.) gleich doppelt (76. und 78.), Fabian Lustenberger hätte gar auf 4:0 erhöhen können. „In der letzten halben Stunde sind wir auseinandergebrochen. Das darf uns einfach nicht passieren“, sagte Diekmeier, der – anders als auf dem Platz – verbale Unterstützung von Neuzugang Hunt erhielt: „Einige haben in Berlin nicht 100 Prozent abgerufen – ich leider auch nicht.“

So blieb Labbadia am Sonntagnachmittag eine lange Autofahrt hin und zurück in seine einstige Wahlheimat Leverkusen, um über den wenig festlichen Feiertag nachzudenken. „Wir haben zuletzt ein paar Schritte nach vorne gemacht“, sagte der Cheftrainer, „nun haben wir leider zwei Schritte zurück gemacht.“