Hamburg. Der neue und alte U23-Coach des HSV, Joe Zinnbauer, spricht über die Möglichkeiten des Nachwuchses und seine Zeit als Profitrainer.

Viel Zeit blieb ihm nicht: Nach intensiven Gesprächen am vergangenen Freitag und Sonnabend sagte der ehemalige Nachwuchs- und Profitrainer Joe Zinnbauer, 45, dem HSV am Wochenende zu, erneut die U23 zu übernehmen. Schon am Dienstag stand ein Leistungstest an, am heutigen Mittwoch beginnt das Regionalligateam mit der ersten Trainingseinheit in Norderstedt. Das Abendblatt sprach mit dem Coach über seine Rückkehr, Fehler in der Vergangenheit und die Ziele für den HSV-Nachwuchs.

Hamburger Abendblatt: Herr Zinnbauer, Vorstandsboss Dietmar Beiersdorfer sagte kürzlich, dass die Konkurrenz dem HSV in Sachen Nachwuchsarbeit auf Jahre enteilt sei. Wieso sind Sie dennoch in die Regionalliga zurückgekehrt?

Joe Zinnbauer: Ich hatte in der Tat Anfragen aus China, Japan und der Türkei, zuletzt lag ein unterschriftsreifes Angebot von einem Verein aus der ersten kroatischen Liga vor, der sich auch finanziell weit aus dem Fenster gelehnt hat. Aber in den Gesprächen mit den HSV-Verantwortlichen wurde mir klar, wie wichtig es Beiersdorfer, Peter Knäbel und auch Bernhard Peters war, dass ich hier weiterarbeite.

Hatten Sie keinerlei Bedenken, zum HSV zurückzukehren? Immerhin wurden Sie von denselben Leuten nur drei Monate zuvor freigestellt.

Zinnbauer: Ich wurde ja nicht vom Hof gejagt. Wäre das Bundesligateam abgestiegen, sähe das Ganze jedoch anders aus, denn dann wäre meine Freistellung ja sinnlos gewesen. Aber es ist auch aussagekräftig, dass ein Verein einen zuvor freigestellten Trainer unbedingt wieder im Team haben will. Zudem war der Zuspruch auch von den Fans sensationell.

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    Worauf liegt in der kommenden Saison ihr Hauptaugenmerk?

    Zinnbauer: Zunächst einmal gilt es, einen vernünftigen Kader zusammenzubauen, mit dem wir einen Mittelfeldplatz erreichen können, denn im Abstiegskampf können sich die Spieler nur schlecht entwickeln. Wir werden mit vielen sehr jungen Spielern arbeiten, die aus der A-Jugend kommen. Diese müssen sich im ersten halben Jahr zunächst einmal an den Herrenfußball gewöhnen. Insofern wird es für die talentiertesten Spieler erst 2016 realistisch, in die Profimannschaft reinzuschnuppern. Wenn es in dieser Saison einer schafft, wäre das schon überragend.

    Zu ihrer Zeit als Profitrainer haben Sie gleich vier Talente hochgezogen. Besser wurde das Team dadurch nicht. Würden Sie das heute noch genauso machen?

    Zinnbauer: Mir blieb aufgrund der vielen Verletzungen ja teilweise gar nichts anderes übrig, als die Jungen spielen zu lassen. Im Nachhinein wäre es sicherlich besser gewesen, den Nachwuchs seichter zu integrieren und nicht gleich über 90 Minuten reinzuwerfen. Aber wenn der Verein auf die Jugend setzt, wann hätte ich sie sonst bringen sollen? Die gestandenen Konkurrenten waren ja nicht besser. Aber Bruno Labbadia hat das sicherlich richtig gemacht, im Endspurt dann wieder auf Erfahrung zu setzen.

    Vergangenes Jahr waren die Ziele der U23 auch bescheiden, doch dann legte das Team einen Startrekord hin und war lange Zeit unangefochtener Tabellenführer. Wie sind denn die Voraussetzungen im Vergleich zur vorigen Saison?

    Zinnbauer: Die Voraussetzungen sind eigentlich besser, da wir jetzt schon 17 Spieler im Kader haben. Letzte Saison hatten wir lange Zeit nur acht Leute und mussten den Kader nach und nach mit Testspielern auffüllen. Aber natürlich hat ein Club mit einer U23 in der Dritten Liga deutliche Vorteile, da diese dann für Junioren-Nationalspieler interessanter sind. Allerdings kenne ich viele meiner Schützlinge noch gar nicht. Die wahre Leistungsstärke müssen wir abwarten.

    Merken Sie denn bei der Zusammenstellung des Kaders, dass die norddeutschen Konkurrenten für die Talente reizvoller sind als der HSV?

    Zinnbauer: Wenn der VfL Wolfsburg ins Spiel kommt, können wir eh nichts machen, dann laufen sie dem Geld hinterher. Auch mit RB Leipzig oder Leverkusen können wir vom Budget her nicht mithalten. Wollen wir aber auch gar nicht, sondern viel mehr im eigenen Stall gucken.

    Auf welches Gesicht können sich die HSV-Fans denn besonders freuen?

    Zinnbauer: Mit Jugendnationalspieler Finn Porath kommt jetzt einer hoch, der Riesenpotenzial hat und von der halben Liga gejagt wurde. Leider ist er momentan noch verletzt.

    Wenn ich ein umworbener Nachwuchsspieler wäre – warum sollte ich zum HSV kommen?

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      Zinnbauer: Weil Sie sehen, dass im vergangenen Jahr einige Spieler nach oben durchgereicht worden sind und für Sie diese Tür dann auch offen steht. Das wäre bei den Topclubs der Bundesliga um einiges schwieriger. Zudem finden Sie auch beim HSV schon jetzt brutal professionelle Bedingungen vor.

      Ist das denn attraktiv genug? Welche Rolle spielt das Geld bei jungen Spielern heutzutage?

      Zinnbauer: Das kann ich nur bedingt beurteilen. Ich denke aber, dass es jungen Spielern schon am wichtigsten ist, welche Entwicklung sie nehmen können. Einige sagen sich aber auch: Für das Geld mache ich das nicht, da gehe ich lieber woanders hin. Heutzutage hat ja auch jeder 16-Jährige schon einen Berater, der seinen Anteil haben möchte und Einfluss auf die Entscheidung nimmt.

      In der Vergangenheit gab es immer wieder Kritik, dass talentierte Hamburger die Stadt verlassen haben. Muss der HSV nicht primär in der Umgebung scouten, anstatt sich wie zuletzt in Freiburg oder Karlsruhe zu bedienen?

      Zinnbauer: Wenn es hier Talente gibt, sollten wir die auch einbinden. So wie wir es letzte Saison bei Kerim Carolus von Victoria oder Francis Adomah aus Niendorf gemacht haben. In der Stadt herrscht immer so ein Gefühl vor, der HSV sei vor Ort im Scouting nicht aktiv. Aber das Gegenteil ist der Fall: Wenn wir einen jungen Hamburger Spieler halten wollen, würden wir alles dafür tun. Nur kann man sich eben manchmal finanziell nicht einigen. Ich glaube nicht, dass der HSV grundsätzlich unattraktiv für Nachwuchsfußballer ist.