Hamburg/Paderborn. Die Ablösesumme für Paderborns Außenstürmer könnte ein Knackpunkt sein. Für Eigengewächs Beister gibt es wohl keine HSV-Zukunft mehr.

„Der HSV ist der HSV!“ Sagt René Deffke. Das kann man nun so oder so verstehen. Ein einzigartiges Image hat sich das Bundesliga-Gründungsmitglied in den vergangenen Jahren ja durchaus erworben – und das ist nicht gerade positiv. René Deffke aber versteht es so: „Der HSV ist ein Riesenclub, ein großer Verein. Er wäre für den Spieler eine Riesenmöglichkeit.“

Der Spieler ist Süleyman Koc, und René Deffke ist sein Berater. Beide trafen sich am Donnerstag in Hamburg mit Trainer Bruno Labbadia und Sportchef Peter Knäbel „zum Kennenlernen“. Dabei haben die HSV-Verantwortlichen offenbar einen guten Eindruck gemacht. „Es war ein sehr offenes, intensives Gespräch, ein gelungenes Treffen“, berichtet Deffke.

Die Umbaumaßnahmen im HSV-Kader sind in vollem Gang. Am Freitag wurde bekannt, dass Maximilian Beister unter Labbadia keine Zukunft mehr hat. Nach Informationen des Abendblatt-Blogs „Matz ab“ wurde dem 24 Jahre alten Eigengewächs mitgeteilt, er möge sich per sofort nach einem neuen Club umsehen – was auch die Personalie Koc noch nachvollziehbarer wirken lässt. Weitere Spieler werden gehen, müssen gehen, das ist klar. Die Erneuerung des Kaders hat neben der Möglichkeit, Gehälter zu sparen, durchaus auch hohe Symbolkraft. Selbst wenn die Leistungen von Spielern wie Ivo Ilicevic, Heiko Westermann und vor allem Gojko Kacar in der Endphase der Saison okay waren, stehen diese doch gleichnishaft vor allem für den sportlichen Niedergang. Allein deshalb scheinen ihre Chancen auf Vertragsverlängerung eher schlecht.

Koc hat kriminelle Vergangenheit

Also frisches Blut. Das Interesse an Rechtsverteidiger Damián Suárez, 27, Uruguayer vom spanischen Tabellen-13. Elche CF ist hinterlegt, auch Freiburgs Schweizer Torjäger Admir Mehmedi steht im Fokus. Und eben Süleyman Koc. Ja, da war mal was. Viele Fußball-Interessierte erinnern sich an die Lebensgeschichte des in Berlin geborenen Deutschtürken. Gerade, als er mit Paderborn vor allem in der Hinrunde der vergangenen Bundesligasaison für Furore sorgte, sportlich versteht sich. Aber die Schlagzeilen waren schnell wieder geschrieben. Koc wurde im Dezember 2011 wegen der Beteiligung an sieben Überfällen vom Landgericht Berlin zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten ohne Bewährung verurteilt. Im März 2012 kam er gegen Kaution frei. Und durfte wieder Fußball spielen, bei Babelsberg 03. Koc hat seine Geschichte inzwischen einige Male erzählt. Freunde aus der Jugendzeit, aus dem Kiez in Moabit, hätten ihn überredet, an den Überfällen auf Spielsalons mitzumachen. Er hatte schließlich ein Auto – „und ich konnte immer schlecht Nein sagen.“ Die Zeit im Knast war hart, aber, so Koc, sie habe ihn auch geläutert.

Als ruhig, leise, eher schüchtern beschreiben Beobachter aus Paderborn den 25-Jährigen. Und als schnell und dribbelstark mit einem platzierten Schuss. Er lebt in einer festen Fernbeziehung mit einer Jurastudentin in Potsdam, die ostwestfälische Provinz tat ihm offenbar gut. Hamburg? Das ist natürlich ein anderes Pflaster, hier zu bestehen, sportlich wie privat, das ist eine andere Herausforderung. „Von unserer Seite kann sich der Spieler den Wechsel gut vorstellen“, sagt Deffke.

Solvente Mitbewerber um Koc

Seit Januar 2014 spielt Koc in Paderborn. Elf Partien in der Zweiten Liga und 29 in der Bundesliga hat er bestritten, drei Tore geschossen, sechs vorbereitet. Erst im März hatte Koc seinen Vertrag beim SCP bis 2018 verlängert, gültig auch für die Zweite Liga. Allerdings mit einer Ausstiegsklausel bei Abstieg. „Ein Wechsel ist grundsätzlich kein Problem“, sagt der Berater. Eine Million Ablöse habe der HSV geboten, aber das wird nicht reichen. Mittlerweile sondieren Deffke und Koc andere Möglichkeiten. Auch der FC Augsburg bietet für den Außenspieler mit und Vereine aus dem Ausland. Der Verdacht liegt nahe, dass es solvente türkische Clubs sind, wo Deutsch-Türken hoch im Kurs stehen. Weitere Gesprächstermine stehen bevor, das gibt Deffke offen zu – und erhöht damit gleichzeitig den Druck auf den HSV.

Tatsächlich möchte Süleyman Koc wohl wirklich gerne zum HSV kommen. Die jüngste Geschichte schreckt ihn nicht. „Wir haben das Gefühl, dass sich der Verein jetzt in die richtige Richtung entwickelt“, sagt Deffke, „ich bin da sehr optimistisch.“ Und wie man sich aus einer dunklen Vergangenheit befreit, weiß Koc ja selbst.