Hamburg. Vor dem Duell zwischen dem VfB Stuttgart und dem HSV analysiert Thomas Helmer Spieler, Trainer und Vereinsführungen beider Teams.

Thomas Helmer kennt die Bundesliga von beiden Seiten. Der Abwehrspieler absolvierte zwischen 1985 und 2000 insgesamt 390 Bundesligaspiele für Arminia Bielefeld, Borussia Dortmund, Bayern München und Hertha BSC. Er war dreimal deutscher Meister, zweimal Pokalsieger und Uefa-Cup-Champion. Mit der deutschen Nationalmannschaft, für die er 70 Spiele bestritt, wurde er 1996 Europameister.

Seit 2002 beobachtet er die Liga als Experte und Moderator im Fernsehen. Derzeit ist er für Sport1 tätig, für das er U21-Länderspiele und die Sendungen „Hattrick – die 2. Bundesliga“ sowie die Spieltagsanalyse moderiert. Außerdem ist er regelmäßig als „Gastgeber“ beim „Doppelpass“ tätig und wird in der kommenden Saison die Moderation der Kultsendung von Jörg Wontorra übernehmen. Helmer lebt in Hamburg.

Für das Abendblatt vergleicht er vor dem möglicherweise entscheidenden Abstiegsduell zwischen dem VfB Stuttgart und dem HSV am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Liveticker bei abendblatt.de) beide Teams.

Torhüter: „René Adler macht für mich nach seiner Rückkehr einen sehr stabilen Eindruck. Er hat der Mannschaft mehr Sicherheit gegeben. Sven Ulreich halte ich auch für einen ganz guten Torwart, aber Adler sehe ich mit seiner Erfahrung im Vorteil.“

Außenverteidiger: „Heiko Westermann hat es in den letzten Spielen auch auf der Rechtsverteidigerposition recht gut gemacht. Und vom Einsatz her ist er ja ohnehin immer top. Beim VfB hat zuletzt wieder Daniel Schwab rechts hinten gespielt. Konstant war die Saison des 25-Jährigen aber auch nicht. Punkt für den HSV. Auf der linken Seite ist Matthias Ostrzolek besser in den Tritt gekommen. Vorher hatte er wohl nicht so viel Vertrauen gespürt. Dass der Junge Fußball spielen kann, hat er schon in Augsburg bewiesen. Florian Klein ist eigentlich Rechtsfuß, dass er nun links spielen muss, zeigt die Probleme des VfB. Vorteil HSV also.“

Innenverteidiger: „Timo Baumgartl ist mit 19 Jahren noch sehr jung, er hat gute Anlagen. Die größere Erfahrung und Routine sprechen sicherlich für Johan Djourou. Antonio Rüdiger gilt als eines der herausragenden Verteidigertalente in Deutschland. Er hat großes Potenzial, ich weiß aber nicht, wie gut sein Rhythmus ist. Slobodan Rajkovic ist sicherlich nicht der Schnellste, kann aber durch seine Zweikampfstärke einem gegnerischen Stürmer Angst einflößen. So etwas halte ich in dieser Phase für ganz gut.“

Defensives Mittelfeld: „Gojko Kacar und Serey Dié sind beide super drauf. Kacar ist sicherlich die Überraschung schlechthin. Serey Dié ist natürlich ein guter Fußballer, er ist sehr präsent auf dem Platz, fordert die Bälle und hat auch schon Tore gut vorbereitet. Er ist einen Tick stärker als Kacar. Rafael van der Vaart und Christian Gentner sind die erfahrensten Spieler und Kapitäne. Gentner ist für den VfB unverzichtbar. Er macht viel, führt die Mannschaft, ist auch torgefährlich. Stuttgart hat vielleicht zu wenig von solchen Typen. Bei van der Vaart haben wir ja die Entwicklung gesehen. Ich glaube, dass die Mannschaft ihm hilft, ich weiß nicht, ob er der Mannschaft so wahnsinnig hilft. Ich sehe da einen klaren Vorteil für den VfB.“

Mittelfeld offensiv: „Zoltan Stieber hat auch in den Spielen, in denen es nicht so lief, Tore gemacht und Akzente gesetzt. Ist nun in Hamburg nach Anfangsproblemen gut angekommen. Martin Harnik ist für den VfB ganz, ganz wichtig. Er läuft auch wahnsinnig viel, ist aber etwas torgefährlicher als Stieber. Kleines Plus für den VfB. Daniel Didavi und Ivo Ilicevic in der Zen­trale: Das ist schwer zu sagen, weil beide lange und oft verletzt waren. Didavi hat erst einmal in der Rückrunde in der Anfangsformation gestanden. Er hat Zug zum Tor, von der Veranlagung her ein Klassespieler. Aber man weiß nicht, wie fit er wirklich ist. Dass sich Ilicevic wieder rangekämpft hat, nachdem er schon so gut wie weg war, spricht auch für ihn. Ich sehe da keine Vorteile. Links ist Filip Kostic im Moment der überragende Mann beim VfB. Er ist sehr schwer auszuschalten. Ich würde ihn stärker sehen als Ivica Olic. Dennoch ist Ivica ein wichtiger Spieler, der als Typ gebraucht wird. Ich mag ihn, er hat etwas Besonderes, gibt nie auf.“

Sturmspitze: „Pierre-Michel Lasogga und Daniel Ginczek sind sehr ähnliche Typen. Von der Statur her, ihrer Spielweise. Beide haben wegen Verletzungen nur wenig gespielt, sind jetzt aber in Form gekommen. Vom Willen und der Einstellung her stehen sie sich in nichts nach. Ginczek halte ich aber für den etwas besseren Fußballer.“

Die Trainer: „Bruno Labbadia und Huub Stevens sind zwei völlig unterschiedliche Typen. Beide haben Erfahrung im Abstiegskampf. Ich sehe da keine Vorteile, bin aber froh, dass der HSV Bruno noch verpflichtet hat.“

Vereinsführungen: „Beide Vereine bieten in dieser Saison in der Außendarstellung eine Katastrophe. Die ganzen Trainer beim HSV braucht man nicht noch einmal aufzählen. Sportdirektor Peter Knäbel zum Interimstrainer zu machen, also ... Viel mehr kann man in der Außendarstellung nicht falsch machen. Und beim VfB auch. Da wird mitten in der Saison Sportdirektor Fredi Bobic entlassen. Dann hatten sie eine Zeit lang keinen. Und zuletzt plaudert Aufsichtsrat Hansi Müller noch den Namen des neuen Trainers Alexander Zorniger aus. Das haben beide Vorstände nicht gut gemacht. Das schlägt irgendwann auch auf die Leistungen der Mannschaften durch.“

Helmers Fazit: „Der HSV hat mehr Probleme in der Offensive, Stuttgart in der Defensive. Der VfB hat sich ja ganz oft individuelle Fehler geleistet, das ist beim HSV zuletzt etwas weniger geworden. Dagegen haben die Stuttgarter im Angriff einen ganz guten Lauf. Die Partie scheint mir also völlig offen und wird sicher spannend.“