Hamburg. Vor dem Auswärtsspiel des HSV in Frankfurt am Sonnabend äußert sich Eintracht-Boss Bruchhagen zu den Problemen von Traditionsvereinen.

Ein Blick auf die Tabelle lässt Fußballromantiker erschaudern: Da stehen mit dem VfB Stuttgart und Hertha BSC zwei Traditionsvereine auf den letzten beiden Plätzen, der 1. FC Köln und Borussia Dortmund befinden sich ebenso in akuter Abstiegsgefahr wie der HSV, der am Sonnabend mit einem Sieg in Frankfurt (18.30 Uhr/Sky) eben diesen Gegner auch wieder in bedrohliche Gefilde befördern kann. Viel weiter oben stehen Clubs, die aufgrund ihrer Struktur ganz andere finanzielle Möglichkeiten haben als ihre Konkurrenz.

Einige nehmen das einfach hin als den Gang der Zeit, der nun mal Veränderungen mit sich bringt – andere hinterfragen diese Entwicklung kritisch, so wie es Frankfurts Vorstandsvorsitzender Heribert Bruchhagen schon seit längerem tut. „Zu meiner aktiven Zeit war ich ein ganz schlechter Spieler in der Zweiten Liga bei Gütersloh, doch gegen Wolfsburg und Leverkusen habe ich noch oft gewonnen“, sagt Bruchhagen, der dieses Ungleichgewicht nicht länger hinnehmen will. „Wir Traditionsvereine haben nicht nur das Problem der sich immer mehr spreizenden Verteilung der Fernsehgelder, sondern auch, dass uns die Werksclubs aufgrund ihrer exorbitanten Möglichkeiten immer weiter nach hinten drängen. Die aktuelle Tabelle ist die langfristige Konsequenz.“

HSV kehrt zurück zur Normalität

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    Der 66-Jährige mahnt diese Entwicklung schon lange an. Er setzte sich mit Nachdruck dafür ein, dass die Investorenregel in der Bundesliga, wonach der Stammverein mindestens 50 Prozent plus eine Stimme an den Lizenzspielerabteilungen der Clubs halten muss, nicht aufgeweicht wird. Und auch vom Vorgehen seines Ex-Clubs mit dem Anteilsverkauf an Investor Klaus-Michael Kühne ist Bruchhagen nicht überzeugt. „Ob die Ausgliederung dem HSV auf Dauer Vorteile verschaffen wird, weiß ich nicht. Zu meiner Zeit als Manager zwischen 1992 und 1995 hatte der Club auch als e.V. keinen Pfennig Schulden. Grundsätzlich ist gegen einen Investoren wie Kühne ja nichts zu sagen, solange er keine Absichten hegt, auf die Vereinspolitik Einfluss zu nehmen. Das wäre zumindest bei der Eintracht nicht kompatibel mit der Seele und dem Geist unseres Vereins.“

    Dabei gab es auch in Frankfurt Zeiten, als sich die Eintracht mit Fantasten und Tagträumern umgab und Geld ausgab, das gar nicht vorhanden war. Sie gliederte ihre Profiabteilung schon im Jahr 2000 aus, woraufhin die Verantwortlichen in kürzester Zeit eine Finanzspritze des strategischen Partners Octagon in Höhe von 50 Millionen Mark verpulverten. Eineinhalb Jahre nach dem Geldsegen hatte sich die Firma wieder verabschiedet. „Das Geld war schnell ausgegeben, und damit hat man dann einen Spielerkader zusammengestellt, der aus dem laufenden Geschäft nicht mehr bezahlt werden konnte. Das ist das Grundproblem bei solchen Geschäften“, erklärt Bruchhagen, der die eigene Ausgliederung dennoch als „notwendigen Schritt“ bezeichnet, da vorher keine Kontinuität im Verein zu erkennen war und das e.V.-Konstrukt ständige Veränderungen nach sich gezogen hätte.

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    Der Hamburger Johan Djourou (l) im Zweikampf mit dem Gladbacher Patrick Herrmann
    Der Hamburger Johan Djourou (l) im Zweikampf mit dem Gladbacher Patrick Herrmann © dpa
    Nicolai Müller gegenChristoph Kramer
    Nicolai Müller gegenChristoph Kramer © REUTERS
    Zoltán Stieber wird zum Wolkenstürmer beim HSV
    Zoltán Stieber wird zum Wolkenstürmer beim HSV © REUTERS
    Der Hamburger Zoltan Stieber jubelt
    Der Hamburger Zoltan Stieber jubelt © dpa
    und lässt sich dann feiern
    und lässt sich dann feiern © REUTERS
    Slobodan Rajkovic gegen Max Kruse
    Slobodan Rajkovic gegen Max Kruse © Bongarts/Getty Images
    Verfolgte das Spiel gegen Gladbach lediglich von der Bank aus: Rafael van der Vaart
    Verfolgte das Spiel gegen Gladbach lediglich von der Bank aus: Rafael van der Vaart © Bongarts/Getty Images
    Der Gladbacher André Hahn wird von Petr Jiracek gestoppt
    Der Gladbacher André Hahn wird von Petr Jiracek gestoppt © dpa
    Ivica Olic war von Beginn an dabei
    Ivica Olic war von Beginn an dabei © WITTERS/Witters GmbH
    Olic musste dann allerdings verletzt runter
    Olic musste dann allerdings verletzt runter © WITTERS/Witters GmbH
    Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier stürmte nach vorn
    Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier stürmte nach vorn © WITTERS/Witters GmbH
    Matthias Ostrzolek im Zweikampf mit Christoph Kramer
    Matthias Ostrzolek im Zweikampf mit Christoph Kramer © WITTERS/Witters GmbH
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    Da kann der HSV ein Lied von singen. Kontinuität war in den letzten Jahren ein Fremdwort beim Bundesliga-Dino, die Verbindlichkeiten von mehr als 100 Millionen Euro resultieren nicht zuletzt aus dem ewigen Hin und Her. „Wir hatten in zehn Jahren einen Vorstandsvorsitzenden und einen Manager und haben in dieser Zeit drei Monatsgehälter für Michael Skibbe an Abfindung zahlen müssen. Das sah beim HSV ja anders aus“, stellt Bruchhagen fest.

    In den gut elf Jahren, die der gebürtige Düsseldorfer die Zügel bei der Eintracht in der Hand hält, hat sich der Club konsolidieren können. Trotz zweier Abstiege sind die Hessen heute schuldenfrei. Damit das so bleibt, plädiert auch Bruchhagen für den Vorschlag, den Hamburgs Marketing-Vorstand Joachim Hilke jüngst wieder an die Öffentlichkeit gebracht hatte. „Der Anstoß, dass Traditionsvereine mehr Fernsehgeld bekommen, wird in der DFL schon lange diskutiert.

    Auch wir sind dafür, dass weiche Faktoren wie die Zahl der Auswärtsfans oder die Einschaltquoten bei der Verteilung mit berücksichtigt werden“, sagt Bruchhagen, der als Vorstandsmitglied bei der Deutschen Fußball Liga am direkten Hebel sitzt.

    Den Vorschlag von Schalke-Boss Clemens Tönnies, Geld für Spielertransfers bei Mitgliedern einzusammeln, hält Bruchhagen bei der Eintracht für nicht denkbar.

    Doch vorerst müssen sowohl die Eintracht als auch der HSV mit den Gegebenheiten Vorlieb nehmen und Kreativität beweisen, um die Lücke zu den bevorteilten Wettbewerbern zu schließen. Auch Bruchhagen hat seine Zurückhaltung ein wenig aufgegeben, vor allem nach den Vorkommnissen der vergangenen Saison. „Im letzten Jahr mussten wir fünf gute Spieler abgeben, das soll uns nicht noch mal passieren. Noch bezahlen wir unsere Mannschaft aus dem laufenden Geschäft. Wir bekommen aber sehr wohl mit, dass die Investitionen um uns herum immer größer werden und denken gerade darüber nach, ob angesichts des immer härter werdenden Konkurrenzkampfes externe Finanzierungsmöglichkeiten sinnvoll sind“, sagt Bruchhagen, der sich immer wieder fragt, was das heutige Geschäft noch mit dem oft zitierten Begriff des „Financial Fair Play“ zu tun hat. „Die Frage muss man sich stellen. Die Erwartungshaltung der Traditionsvereine orientiert sich ja an Zeiten, als alle Clubs das gleiche Fernsehgeld oder eben gar keins bekamen.“ Eben die Zeiten von Fußballromantikern.