Neuzugang Marcelo Díaz will Deutsch lernen, Sonnabend Bayern München schlagen – und nach seiner Karriere Journalismus studieren

Hamburg. Seit genau zehn Tagen ist Marcelo Díaz nun schon in Hamburg. Ein Haus für die Familie hat der Chilene in Blankenese bereits gefunden, doch so richtig beim HSV angekommen ist er erst am Mittwoch. Bei einer Führung durch die Geschäftsstelle, das Stadionrestaurant Die Raute und durch das Museum bekam der 28 Jahre alte WM-Teilnehmer einen Eindruck davon, auf was er sich da eigentlich eingelassen hat. Zum Schluss der Führung folgte noch das Interview mit dem Abendblatt. Es war ein Gespräch unter zukünftigen Kollegen, wie sich relativ schnell herausstellte.

Hamburger Abendblatt:

Herr Díaz, wir hörten, dass Sie nach Ihrer aktiven Fußballerkarriere Journalist werden wollen. Was würde denn der Reporter Díaz den Fußballer Díaz fragen?

Marcelo Díaz:

Puh, da fällt mir spontan keine superkreative Frage ein. Aber dafür habe ich ja auch noch ein bisschen Zeit. Ich würde später wirklich gerne die Seiten wechseln, aber noch bin ich ja Fußballer (grinst).

Aber wie kommen Sie denn gerade auf den Bereich Medien? Normalerweise mögen Fußballer die ganze Fragerei nach dem Spiel doch gar nicht.

Díaz:

Das stimmt nicht. Der Bereich Medien hat mich schon immer interessiert. Als Fußballer ist die Karriere ja meist mit 33, 34 oder 35 Jahren vorbei. Und irgendwann fragt man sich, was dann kommen soll. Da habe ich schon vor einer ganzen Weile entschieden, dass ich Journalismus studieren und dann als Reporter arbeiten will.

Sie wollen noch mal studieren?

Díaz:

Das würde ich sehr gerne, ja. Ich bin Perfektionist, will nicht nur immer blöde Fragen stellen.

Was war die blödeste Frage, die Ihnen gestellt wurde?

Díaz:

Als Fußballer kann man mich alles fragen, nur mein Privatleben war und ist tabu.

Dann lassen Sie uns über Fußball sprechen. Stimmt es wirklich, dass Sie ein echter Straßenfußballer sind?

Díaz:

Als Kind habe ich mit meinen Freunden aus dem Viertel immer auf der Straße in Santiago de Chile gekickt. Ich habe nie im Verein gespielt. Vielleicht war das die schönste Zeit in meinem Leben. Heute sind die Kids ja immer mit dem iPhone oder ihrem Nintendo beschäftigt. Für mich gab es immer nur Fußball. Erst mit 15 Jahren habe ich beim Club de Fútbol Universidade de Chile im Nachwuchs angefangen. Das Problem war, dass das Trainingsgelände sehr weit weg war. Ich bin dann jeden Tag zwei Stunden hin und zurück mit dem Bus gefahren. Also täglich vier Stunden im Bus – drei Jahre lang!

Vier Stunden im Bus: Da hat man eine Menge Zeit, um über den Traum vom Fußballprofi nachzudenken.

Díaz:

Auf der Hinfahrt habe ich immer davon geträumt, irgendwann bei einem großen Club in Europa zu spielen. Ich habe von Real Madrid oder Barcelona geträumt. Nur auf der Rückfahrt war ich meistens viel zu kaputt, um noch von irgendwas zu träumen. Da wollte ich nur noch schlafen.

Ihr Traum vom europäischen Fußball ist dann ja aber doch in Erfüllung gegangen, allerdings erst relativ spät. Sind Sie ein Spätzünder?

Díaz:

Naja, ich bin 28 Jahre alt und damit nicht mehr der Jüngste. Aber ganz ehrlich: Das beste Fußballeralter ist doch zwischen 27 und 30. Das Beste kommt also noch.

Beim HSV sollen Sie im zentralen Mittelfeld den Takt des Spiels bestimmen, dabei sprechen Sie auch nach zwei Jahren in der Schweiz noch immer kein Deutsch. Ist das auf dem Platz kein Problem?

Díaz:

Sprache ist wichtig, aber nicht auf dem Fußballplatz. Ich muss nicht fließend Deutsch können, wenn ich in einer deutschen Mannschaft spiele. Im Fußball ist die Sprache universal. Beim HSV ist Rafael van der Vaart der einzige, der Spanisch versteht. Aber trotzdem verstehe ich mich auch mit den anderen Spielern. Aber ich will unbedingt Deutsch lernen, um mich auch außerhalb des Platzes zurecht zu finden. Man muss die Sprache verstehen, um auch das Land und die Stadt, in der man wohnt, richtig zu verstehen. In Hamburg wollen meine Frau und ich auf jeden Fall einen Sprachkurs machen.

War es im Nachhinein ein Fehler, dass Sie in Basel spielten und die Sprache nicht beherrschten?

Díaz:

Was heißt Fehler? Ich bin jetzt 28 Jahre alt und bin erfahrener. Natürlich würde ich es heute anders machen. Aber als ich aus Chile nach Europa ging, wollte ich erst einmal Englisch beherrschen. Deutsch schien mir zunächst einfach zu schwer. Mittlerweile spreche ich ganz gut englisch, damit kommt man in den meisten Städten ja auch schon mal zurecht.

Was wussten Sie vor Ihrem Wechsel von Hamburg und vom HSV?

Díaz:

Ich habe nicht bei Null angefangen. Vor einem Jahr war ich ja schon zur Rückrundenvorbereitung mit Basel hier und habe gegen den HSV gespielt. Und schon da war ich extrem beeindruckt vom Stadion und vom ganzen Drumherum. Der HSV ist ein großer Club, das ist mir auch heute bei der Stadionführung sehr bewusst geworden.

Zuletzt spielte der HSV allerdings fast immer nur gegen den Abstieg.

Díaz:

Das habe ich gehört. Irgendwie scheint man sich hier an das Verlieren gewöhnt zu haben. Vielleicht brauchte der HSV einen Mentalitätswechsel. Ich kann jedenfalls nicht verlieren.

Zur Erinnerung: Am Wochenende spielt der HSV gegen Bayern...

Díaz:

Das stimmt. Aber wenn man mit der Einstellung ins Spiel geht, dass man nur nicht zu hoch verlieren will, dann verliert man. Ich will aber gewinnen. Punkt. Vielleicht gewinnen wir, vielleicht spielen wir Unentschieden. Aber auf jeden Fall tue ich alles dafür, dass wir nicht verlieren. Ich denke immer nur groß. Und wissen Sie noch etwas?

Was?

Díaz:

HSV gegen Bayern – das ist doch genau so ein Spiel, das man als Fußballer liebt. Für so ein Spiel bin ich in die Bundesliga zum HSV gewechselt. Am vergangenen Wochenende war ich noch mal in Basel, um noch ein paar private Dinge zu regeln. Da habe ich einen Freund getroffen und der hat mich gefragt, wie es in Hamburg so läuft. Ich habe ihm geantwortet: Der HSV spielt am Wochenende gegen Bayern München. Mehr muss man doch gar nicht sagen, oder?

Wahrscheinlich nicht. Wird das Spiel denn auch in Chile gezeigt?

Díaz:

Natürlich. Das Spiel wird in Chile gezeigt, in Brasilien, in Argentinien, in der ganzen Welt. Für mich ist das einfach fantastisch. Ich bin angekommen in der großen Fußballwelt.