Verletzt ist René Adler nicht mehr, in Hamburg wirklich gefragt aber auch nicht. Erobert sich der 29-Jährige im Trainingslager in Dubai keinen Stammplatz, ist ein Wechsel im Sommer wahrscheinlich.
Dubai. Die Augen waren groß, nachdem sich Hamburgs Profis am frühen Montag vom Flughafen Dubai ins futuristische Meydan Hotel kutschieren ließen. Wie ein Ufo in der Wüste tauchte am Horizont der Fünf-Sterne-Luxustempel auf, in dem der HSV-Tross zehn Tage beheimatet ist.
Kronprinz Scheich Mohammed Bin Rashid al-Maktoum hatte dafür gesorgt, dass es den weit gereisten Fußballern auch fernab von Dubais Wolkenkratzern am Stadtrand an nichts fehlt. „Das Hotel ist unglaublich, und auch die Trainingsmöglichkeiten sind sensationell. Auf dem Rasen könnte man einen Golfplatz bauen“, sagte Trainer Joe Zinnbauer, nachdem er seine Spieler im Anschluss an eine kurze Schlafeinheit im Hotelzimmer erstmals am Nachmittag auf den Al Sheba Sports Complex bat.
29 Profis tummelten sich auf dem Grün, auf dem auch Jaroslav Drobny, gerade erst mit einem neuen Zweijahresvertrag ausgestattet, und René Adler zum Schwitzen gebracht wurden. „Auf dieser Position sind wir nun bestens aufgestellt. Wir werden ein sehr intensives Duell im Tor erleben“, sagte Manager Peter Knäbel, der Drobny nach der Verlängerung überschwänglich als einen der besten Torhüter der Hinrunde lobte: „Drobo ist ein ganz besonderer Torwart.“ Und Adler?
Um den früheren Nationaltorhüter ist es zuletzt ruhig geworden. Wirklich neu ist das für den 29-Jährigen, der am Donnerstag seinen 30. Geburtstag feiert, allerdings nicht. „Ich arbeite in der Entertainmentbranche. Nichts anderes ist die Bundesliga. Erst ist einer der Held, drei Wochen später der Versager“, sagte Adler mal der Wochenzeitung „Zeit“, als er seine schwierige Zeit als Verletzter sehr offen beschrieb: „Verletzte Spieler sind tote Spieler. Die sind unwichtig geworden, nach denen fragt keiner mehr.“
Bleibt Adler nicht fit, will der HSV Ersatz verpflichten
Verletzt ist René Adler nicht mehr, in Hamburg wirklich gefragt aber auch nicht. Ganz genau würde er Adlers Trainingsleistungen in der Vorbereitung beobachten, hatte Knäbel angekündigt. Seine Botschaft: Hat der in der Hinrunde erst ausgebootete und später dauerverletzte Keeper weiterhin körperliche Probleme, müsse der Club reagieren.
Loris Karius, einer der möglichen Ersatzkandidaten hat zwar gerade erst in Mainz bis 2018 verlängert, doch Kaiserslauterns Tobias Sippel soll weiter auf Knäbels Liste stehen.
Dabei ist es gar nicht mal so lange her, dass Adler ein gefeierter Held war. Nach seiner ersten Saison wurde der Keeper mit über 90 Prozent zum HSV-Spieler des Jahres gewählt. Anderthalb Jahre später ist von dem Ruhm nur wenig übrig. Nach einer schwachen Saison und einem Bandscheibenvorfall kurz vor den Abstiegsendspielen gegen Fürth war plötzlich Drobny der neue Held. Als Ex-Trainer Mirko Slomka nach dem misslungen Saisonstart „neue Typen“ suchte, war Adler raus und Drobny drin. Er arbeite in einem oberflächlichen Geschäft, sagte Adler mal, der bis heute nicht versteht, dass ihn erwachsene Männer nach einem Autogramm bitten.
Adler ist anders als die meisten Bundesligaprofis. Deutschlands frühere Nummer eins interessiert sich für zeitgenössische Kunst, Golf und gute Weine. Und während seine Mitspieler am Flughafen in ihren Mobiltelefonen versunken sind, ist Adler tief in sein Buch vertieft. Den Sportteil der Zeitungen, in dem nach jedem Spiel der Daumen nach oben oder nach unten geht, würde er schon lange nicht mehr lesen. Seine Freundin Lilli Hollunder habe ihm die Lektüre sogar verboten.
Natürlich weiß Großverdiener Adler aber auch ohne das tägliche Zeitungsvergnügen, wie es um seine eigenen Aktien im Club bestellt ist. 2,7 Millionen Euro soll der Wahl-Eppendorfer verdienen, womit er wahrscheinlich der teuerste Ersatzkeeper der Bundesliga ist. Es ist ein Zustand, der weder für den ehrgeizigen Leipziger noch für den Club langfristig tragbar ist. Sein Vertrag läuft noch bis Sommer 2016. Ändert sich aber an seiner Reservistenrolle nicht zeitnah etwas, besteht wohl Handlungsbedarf. „Es ist doch keine neue Situation. Wir haben zwei Super-Torhüter“, sagt zwar Trainer Zinnbauer, der aber auch ganz genau weiß, dass diese Luxussituation bereits im Sommer vorbei sein könnte. Adler sei jedenfalls keiner, so glaubt ein HSV-Verantwortlicher, der seinen Vertrag einfach nur aussitzen würde.
Was Adler kurioserweise Mut macht, ist das Gleiche, was ihn befremdet: Fußball ist tatsächlich eine Entertainmentbranche. Heute ist er der Depp, in Kürze kann er wieder der Held sein. Beim HSV. Oder eben woanders.