HSV-Profi Maximilian Beister tastet sich ein Jahr nach seiner Knieverletzung vorsichtig an die volle Belastung heran
Hamburg. Eigentlich war es nur ein unbedeutendes Testspiel im letzten Wintertrainingslager in Abu Dhabi gegen Vitesse Arnheim, das torlos endete und in den Erinnerungen der HSV-Profis heute sicherlich kaum noch eine Rolle spielen würde. Doch eine der schlimmsten Verletzungen, die sich ein Profisportler zuziehen kann, machte diese Partie zu einer denkwürdigen. In der 54. Minute wollte Angreifer Maximilian Beister zeigen, dass er nicht nur offensive Qualitäten hat, und eilte nach einem Freistoß des Gegners zurück an den eigenen Sechzehner. Er war schneller am Ball als sein Gegenspieler, doch beim Aufkommen mit dem linken Fuß schrie Beister plötzlich lautstark auf und blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen. Als der Außenstürmer drei Minuten später mit einem Golfkart dick bandagiert vom Platz gefahren wurde, hielt er sich die Hände immer noch vor Schmerzen über den Kopf.
Am Sonnabend ist es genau ein Jahr her, dass sich Beister bei dieser Aktion einen Kreuzbandriss, Knorpel- und Meniskusschaden im linken Knie zugezogen hat. Alles auf einmal. „Ich muss mindestens sechs Monate pausieren. Aber ich weiß jetzt schon, dass ich noch stärker zurückkommen werde“, postete er am Tag darauf auf seiner Facebook-Seite.
363 Tage und einige Rückschläge später fällt seine Prognose ein wenig vorsichtiger aus. „Ich gehe zwar immer noch stark davon aus, dass ich meine alte Leistungsfähigkeit wieder erreichen werde, doch wann das der Fall sein wird, wage ich nicht zu prognostizieren“, sagte Beister am Donnerstag. Doch sein Ziel ist klar: Zum Rückrundenauftakt am 31. Januar gegen Köln will er wieder eine ernsthafte Alternative für Trainer Joe Zinnbauer sein, um dem HSV die dringend benötigte Torgefahr zurückzugeben. In seinen 16 Spielen der vergangenen Saison traf Beister fünfmal, steuerte zudem fünf Vorlagen bei – Werte, von denen alle Hamburger Profis in dieser Spielzeit nur träumen.
Seit zwei Tagen steht der 24-Jährige nun wieder im Mannschaftstraining, macht alles mit, auch wenn er in einigen Situationen noch mit erhöhter Vorsicht zu Werke geht. „Ich habe ja vorher schon sehr viel individuell gearbeitet, doch diese Belastung bin ich nicht mehr gewöhnt. Meine Beine sind schon sehr erschöpft im Moment. Aber das kommt mit der Zeit der Wiederholungen. Außerdem bin ich noch leicht grippegeschwächt. Angst um mein Knie habe ich nicht mehr, ich habe die ganze Situation mental mittlerweile voll verarbeitet“, erklärt der gebürtige Göttinger, der im Vollbesitz seiner Kräfte mit einem super Antritt und einer herausragenden Schusstechnik gesegnet ist.
Nun geht es für Beister mit dem Team am Sonntag wieder in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Dubai, 140 Kilometer nördlicher gelegen als der Schicksalsort des vergangenen Jahres. Mit ihm werden wohl mehr als 30 weitere Spieler den Flug antreten – gesetzt den Fall, niemand wird vorher noch verkauft. Ivo Ilicevic, Tolgay Arslan und Valmir Nafiu wurden für das Abschlussspiel bei der Übungseinheit am Mittwoch schon nicht mehr berücksichtigt, der HSV würde dem Trio keine Steine in den Weg legen.
Neben den etablierten Spielern sollen auch einige Nachwuchskräfte auf dem Weg in den Süden dabei sein, die bisher noch ohne Bundesligaeinsatz sind – wie Sven Mende oder auch Ahmet Arslan aus der U23. Die genaue Spielerliste will Trainer Joe Zinnbauer aber erst kurz vor dem Abflug bekannt geben. Ein harter Konkurrenzkampf, aber auch die Möglichkeit, sich weiter einzuspielen. Schließlich haben viele der jungen Akteure, aber auch Spätverpflichtungen wie Lewis Holtby die Vorbereitung im Sommer verpasst. „Dieses Trainingslager ist jetzt so wichtig für uns, um die Laufwege abzustimmen, die Mechanismen zu automatisieren und vor allem auch das Teambuilding zu forcieren“, sagt Holtby, der sich außerdem auf die klimatischen Verhältnisse freut. „Nichts gegen Hamburg, aber um 7.45 Uhr raus in die Kälte und den Regen – da gibt es Besseres.“ Auch persönlich hat sich der 24-Jährige für die Rückrunde viel vorgenommen. „Ich muss torgefährlicher werden, vor allem im letzten Drittel mehr Akzente setzen, so, wie es früher bei Schalke schon gut geklappt hat.“
Erst am 22. Januar landet das Team wieder im kühlen Norden, viel Zeit also für die Feinarbeit. Beister weiß, welche Mühen ihn im Trainingslager erwarten, doch mittlerweile freut er sich nur noch darauf. Im Abendblatt-Interview hatte der Linksfuß Ende Dezember zugegeben, dass er anfangs schon recht lange mit seinem Schicksal gehadert habe. Doch jetzt, im Rückblick auf das letzte Jahr, kann Beister der Verletzung sogar etwas Gutes abgewinnen. „Sportlich vermisse ich das letzte Jahr nicht, doch was ich an Lebenserfahrung hinzugewonnen habe, hat mich auf anderen Gebieten viel weitergebracht.“ Und nun soll die Zeit folgen, in der er den HSV wieder entscheidend weiterbringt.