Beim Nordderby HSV gegen Bremen stehen die Trainerneulinge Josef Zinnbauer und Viktor Skripnik im Blickpunkt. DFB-Ausbilder Frank Wormuth bescheinigt beiden Clubs ein gutes Händchen.
Hamburg. Es ist bereits das 101. Nordderby der Bundesligageschichte, das am Sonntag (15.30 Uhr) zwischen dem HSV und Werder Bremen stattfinden wird. Doch die Konstellation vor diesem Duell ist einzigartig: Nicht nur, dass beide Clubs mit Platz 17 (HSV) und Platz 16 (Werder) auf möglichen Abstiegsrängen stehen anstatt, wie in der Vergangenheit oft üblich, um die Vorherrschaft im Norden zu kämpfen, die mittlerweile der VfL Wolfsburg und Hannover 96 unter sich ausmachen. Es ist auch ein Duell der Trainer Joe Zinnbauer und Viktor Skripnik, deren Viten sowohl Parallelen als auch Unterschiede aufweisen – und das der HSV-Coach im „kleinen Derby“ in dieser Saison bereits einmal gewinnen konnte. Mit 4:2 siegte die U23 der Hamburger im September beim Bremer Nachwuchs. An der Seitenlinie standen dieselben Fußballlehrer, die später ins Profiteam befördert wurden. Damals waren 1650 Zuschauer Zeuge des HSV-Triumphs, am Sonnabend werden 57.000 Anhänger in der Imtech-Arena für eine sehr emotionale Atmosphäre sorgen. Auch die Trainer trugen bereits dazu bei, die ersten verbalen Giftpfeile flogen im Vorfeld aus beiden Lagern. Doch das gehört dazu, es blieb alles im Rahmen.
Vor allem Zinnbauer kommt dieser Rahmen aber sicherlich nicht ungelegen: Er setzt grundsätzlich sehr auf Emotionalität, appelliert an die Leidenschaft der Spieler und soll in seinen Ansprachen extrem motivieren können. „Ich hoffe, dass es gegen Werder in der Arena so laut wird wie noch nie“, hatte Zinnbauer vor einigen Tagen von den Fans gefordert. Der 44-Jährige wirkt selbst wie ein dauergeladenes Energiebündel, hat nach eigenen Angaben während seiner Zeit als Proficoach fünf Kilo abgenommen, da er so selten zur Ruhe komme.
Auch Frank Wormuth, der Zinnbauer in den vergangenen beiden Jahren beim DFB ausgebildet hatte, lernte seinen Lehrling schon so kennen: „Ich suche bei Trainern nach Waffen, die sie auszeichnen und von anderen abheben können. Und Zinnbauers Waffe ist seine Emotionalität.“ Die Bilanz des aktuellen HSV-Trainers ist mit acht Punkten aus acht Spielen auf dem Papier zwar nicht herausragend, dennoch wird ihm aus allen Richtungen bestätigt, mit seiner Philosophie auf dem richtigen Weg zu sein. Der Erfolg stelle sich früher oder später schon ein, die bisherigen Gegner seien schließlich auch von guter Qualität gewesen.
Sein Gegenüber genießt in Bremen ebenfalls volle Rückendeckung. Auch Skripnik ist mit seinen seit diesem Mittwoch 45 Jahren zwar gänzlich unerfahren als Profitrainer, seine Bilanz mit drei Siegen aus drei Pflichtspielen aber erhaben über jeden Zweifel. Doch der Ukrainer und Zinnbauer sind vom Typ her grundverschieden. Skripnik gilt als Leisetreter, wird in seiner Art eher mit Werder-Legende Thomas Schaaf verglichen. Authentizität gilt als seine große Stärke. Zudem spielte der Nationalspieler nicht nur acht Jahre in Bremen, sondern durchlief auch sämtliche Trainerstationen im Werder-Nachwuchs. Identifikation wird seit jeher groß geschrieben an der Weser, eine passendere Wahl hätte es nach diesen Gesichtspunkten nicht geben können.
Tuchel war der Vorreiter
Zwei Traditionsvereine, die in schwierigen Zeiten jungen und unerfahrenen Trainern das Vertrauen schenken – das hat es früher eher selten gegeben, wie Wormuth bestätigt. „Damals hat man gesagt: Ich hole mir einen bekannten Namen, auch wenn ich von ihm nicht so überzeugt bin – und wenn es schief läuft, bin ich als Verantwortungsträger außen vor.“ Doch mit Hannover 96, der dem weitgehend unbekannten Tayfun Korkut eine Chance gab, oder der TSG Hoffenheim, die dem ehemaligen Nachwuchscoach Markus Gisdol vertraut, gibt es mittlerweile einige Vereine, die diesen Weg erfolgreich gehen. Auch Sascha Lewandowski (einst Leverkusen), Jens Keller (früher Schalke) oder Markus Weinzierl (Augsburg) hatten zuvor nicht durch ihre Erfahrung als Profitrainer geglänzt. „Thomas Tuchel hat bei Mainz damals den Anfang gemacht“, sagt Wormuth. „Seitdem geben immer mehr Clubs die Verantwortung im eigenen Stall weiter.“
Für Peter Knäbel, Direktor Profifußball beim HSV, ist diese Entwicklung keine große Überraschung. „Die Vorteile einer solchen Konstruktion liegen ja auf der Hand“, erklärt Knäbel. „Ein Trainer aus dem eigenen Nachwuchs kennt die Strukturen im Verein, die Spieler, die Abläufe. Generell ist so ein Durchbruch der Beweis, dass auch in der Trainerausbildung im Nachwuchs gute Arbeit geleistet wird, die genauso wichtig ist wie die Spielerausbildung.“
Einen generellen Trend für die Zukunft will der ehemalige St.-Pauli-Profi aber nicht erkennen. „Es gibt ja immer wieder mal solche Wellen, in denen einige junge Konzepttrainer den Sprung in die Bundesliga schaffen. Ich glaube aber, dass sich die Topclubs der Bundesliga eher auf erfahrene Trainer berufen würden, sollte der Bedarf nach einem neuen Coach gegeben sein“, sagt Knäbel weiter.
Der HSV und Werder Bremen haben sich anders entschieden, bisher zu Recht. Der Druck auf Zinnbauer ist jedoch groß, bei einer Niederlage würden kritische Stimmen lauter. „Ein Derby zu Hause gegen Werder, da kann ich eigentlich nur mit einem Sieg leben“, gibt Knäbel die Marschroute vor. Doch sollte Zinnbauer gewinnen, ist er der erste Trainer der HSV-Geschichte, dem das gegen Bremen gleich zweimal innerhalb von zwei Monaten gelingt.