Nach dem 4,5 Millionen Euro teuren Transfer des Mainzers Nicolai Müller wird es beim HSV für andere Spieler eng. Der prominenteste Kandidat auf der Verkaufsliste bleibt Rafael van der Vaart.
Stegersbach/Mainz. Gegen 9.45 Uhr, als er sich von den Mannschaftskollegen verabschiedet hatte, war das Kapitel FSV Mainz 05 für Nicolai Müller so gut wie beendet. Schon heute wird der 26-Jährige in Hamburg zum Medizincheck erwartet. Da weitere Komplikationen nicht zu erwarten sind, dürfte die offizielle Bestätigung beider Clubs Dienstagnachmittag erfolgen.
Auf eine Ablösezahlung in Höhe von 4,5 Millionen Euro verständigten sich der HSV-Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer und 05-Manager Christian Heidel am Ende – plus Erfolgsbeteiligungen. Dass der Wechsel über die Bühne gehen kann, liegt aber in erster Linie an einem älteren Herrn, der nicht nur ein glühender HSV-Fan ist, sondern auch über einen gut gefüllten Geldbeutel verfügt: Klaus-Michael Kühne.
Fast zeitgleich zur Nachricht über den Müller-Transfer wurde der Abschluss eines neuen Darlehens mit dem 77-jährigen Unternehmer vom HSV verkündet: „Nach intensiven Gesprächen in den vergangenen Wochen hat Klaus-Michael Kühne als großer Sympathisant und Förderer seine Bereitschaft erklärt, die Partnerschaft mit dem HSV zu erweitern und das dem Verein bisher gewährte Darlehen in Höhe von acht Millionen Euro auf insgesamt 25 Millionen Euro aufzustocken. Die zusätzlichen Mittel werden bei der HSV Fußball AG einfließen“, hieß es in der Erklärung. Das bisherige Darlehen hatte der Club für die Verpflichtung von Rafael van der Vaart eingesetzt.
Der HSV bestätigte ebenfalls erstmals, dass es sich hierbei nur um ein Übergangsdarlehen handeln wird (Abendblatt berichtete). Der Verein „bekundete seinen Willen“, Klaus-Michael Kühne an der HSV Fußball AG zu beteiligen, wenn die Vorbereitungen einer Investorenbeteiligung gemäß dem HSVPlus-Konzept abgeschlossen seien. Heißt: Erst wenn der Wert des HSV genau ermittelt ist – er dürfte zwischen 200 und 250 Millionen Euro liegen – kann ein Anteilsverkauf erfolgen.
„Die Unterstützung kommt bei der geplanten Neuausrichtung zum rechten Zeitpunkt“, sagte Beiersdorfer. Kühne wiederum teilte mit: „Mit der Ausweitung meines Engagements zugunsten des HSV Profifußballs unterstreiche ich mein Vertrauen in die neue Vereinsführung, in der Hoffnung, dass es auf diese Weise gelingen wird, das Mannschaftsgefüge maßgeblich zu stärken.“
Kühnes Millionen reduzieren sich wieder
Dass der Handlungsspielraum trotz der Finanzspritze überschaubar bleibt, ist logisch. Nach dem Verkauf von Hakan Calhanoglu (14,5 Millionen Euro) hatte der HSV mit Pierre-Michel Lasogga (8,5 Millionen Euro), Zoltan Stieber (1,2 Millionen Euro) und zuletzt Valon Behrami (3,5 Millionen Euro) insgesamt bereits 13,2 Millionen Euro für neue Spieler investiert, wodurch nach Auskunft Beiersdorfers ohne fremde Hilfe keine weiteren Aktivitäten mehr möglich waren. Durch das schlechte Abschneiden in der vergangenen Saison fehlten dem HSV Millionen in der TV-Vermarktung, die Trainerentlassungen (Thorsten Fink, Bert van Marwijk) rissen ein weiteres Loch in die Kasse. Die vergangene Saison endete so erneut mit einem Millionenminus. Aufsichtsratsboss Karl Gernandt betonte, im nächsten Jahr keine Verluste mehr machen zu wollen. „Beiersdorfer und ich stehen dafür, dass sich der Verein künftig sportlich und wirtschaftlich solide präsentiert. Wir streben zudem an, weitere Partner zu finden.“
Die 17 Millionen Euro von Kühne reduzieren sich nun sofort durch die Ablöse für Müller. Mit dem Transfer von Matthias Ostrzolek – am Ende dürfte man sich mit dem FC Augsburg auf 2,5 Millionen Euro Ablöse einigen – schmilzt der Betrag weiter. Nicht vergessen werden darf, dass mit Behrami und Müller zunächst das Gehaltsniveau (43 Millionen Euro) weiter ansteigt.
Um das erklärte Ziel, die Kosten auf unter 40 Millionen Euro zu senken, zu erreichen, muss es Beiersdorfer also gelingen, Spieler abzugeben, zumal ja noch ein Innenverteidiger verpflichtet werden soll. Ob dies Felipe Santana (Schalke) sein wird, ist fraglich, da die Gelsenkirchener mit Kyriakos Papadopoulos gerade einen Abwehrspieler verliehen haben. Auch Philipp Wollscheid von Bayer Leverkusen wird mit dem HSV in Verbindung gebracht.
Skjelbreds Abgang wahrscheinlich
Der prominenteste Kandidat auf der Verkaufsliste bleibt Rafael van der Vaart. Nach einem ersten Gedankenaustausch während des Trainingslagers in Stegersbach kündigte Beiersdorfer ein weiteres Treffen in Hamburg an. Auf einen Treueschwur für den Niederländer wartete man vergeblich, auch wenn Beiersdorfer zuvor angekündigt hatte, dass sich der Club von guten Spielern nicht trennen wolle.
Noch wahrscheinlicher ist der Abgang von Per Skjelbred, der in den Planungen von Trainer Mirko Slomka keine Hauptrolle einnimmt, wie in den Spielformen der vergangenen Tage zu sehen war. Als verbrieft gilt, dass Hertha BSC noch immer starkes Interesse an einer Verpflichtung des norwegischen Nationalspielers hat. Nachdem der HSV zunächst 2,5 Millionen Euro aufgerufen hatte und die Berliner nur weniger als eine Million Euro zahlen wollten, ruhten die Verhandlungen bislang. Doch die Familie Skjelbred wohnt immer noch in der Hauptstadt. Es bleibt wohl ein Pokerspiel.
Spannend wird auch die Entwicklung auf den Außenpositionen durch die Müller-Verpflichtung sein. In der Jugend spielte er bei Eintracht Frankfurt, gab in Fürth 2007 sein Zweitligadebüt und feierte für Mainz 2011 seine Premiere in der Bundesliga. Der Nationalspieler gilt als Tempoläufer, der bevorzugt über die rechte Seite kommt und nach dem Abgang von Hakan Calhanoglu dort gesetzt sein dürfte. In 90 Pflichtspielen für Mainz erzielte Müller 23 Tore und bereitete 14 Treffer vor.
Auf seiner bevorzugten linken Seite dürfte Ivo Ilicevic, der bisher einen starken Eindruck hinterließ, zum Einsatz kommen. Sollte der Transfer von Linksverteidiger Ostrzolek, der mit seiner Schnelligkeit und Dynamik ebenfalls perfekt ins Anforderungsprofil Slomkas für seine überfallartigen Angriffe passt, realisiert werden können, stellt sich automatisch die Frage nach der Zukunft von Marcell Jansen (Vertrag bis 2015) und Petr Jiracek (2016).