Bislang bietet Leverkusen 14 Millionen Euro für das HSV-Juwel. Deal soll heute als perfekt vermeldet werden. Aus dem Transfererlös soll der Verbleib Pierre-Michel Lasoggas finanziert werden, für den der HSV 8,5 Millionen Euro an Hertha BSC überweist.
Hamburg. Oliver Kreuzer hatte es eilig. Um 20.20 Uhr verschwand der Sportchef des HSV in der ersten Etage des Elysée-Hotels, sein Statement fiel knapp und ausweichend aus: „Wir freuen uns auf eine interessante Reise und wollen den HSV in China gut vertreten.“ Über den Grund seines abendlichen Termins wollte er keine Auskunft geben. „Lasogga? Wer ist Lasogga?“, scherzte Kreuzer. Und verschwand.
Es war eine etwas kuriose Szene, schließlich stand der Angesprochene zusammen mit seiner Mutter Kerstin nur ein paar Meter entfernt ebenfalls in der Lobby des Hotels, neugierig darauf zu erfahren, ob der angedachte Deal tatsächlich zum Abschluss kommen würde: der Verkauf von Hakan Calhanoglu für rund 14 Millionen Euro nach Leverkusen, um die Verpflichtung des 22 Jahre alten Wunschstürmers von Hertha BSC für 8,5 Millionen Euro endlich perfekt zu machen. Diesen „Doppel-Wechsel“ sollte der noch amtierende Aufsichtsrat am Abend absegnen.
Und zumindest der erste Teil konnte erfolgreich abgehakt werden. Um Punkt 22 Uhr erklärte Aufsichtsrats-Chef Jens Meier, dass sein Gremium der Beschlussvorlage des Vorstands zugestimmt habe, heißt übersetzt: Lasogga spielt in den kommenden fünf Jahren für die Hamburger. „Wir sind sehr glücklich, dass es geklappt hat“, sagte der Vorsitzende Carl Jarchow, „er ist sehr beliebt bei den Fans und hat mit seinen Toren zum Klassenerhalt beigetragen. Mit Pierre die Mannschaft weiterzuentwickeln, so lautet das Ziel.“
Es war ein zähes Ringen. Das Visum für Pierre-Michel Lasogga lag längst beim HSV vor. Doch dass der Stürmer tatsächlich an diesem Freitag um zwölf Uhr mit der Mannschaft in die Charter-Maschine zum Trip ins chinesische Guangzhou steigen würde, war lange Zeit unklar. Die internen Verhandlungen um die Finanzierbarkeit der 8,5 Millionen Euro Ablöse für Hertha BSC zogen sich unerwartet lange hin. Die eigentlich schon für Mittwochabend geplante Aufsichtsratssitzung musste um 24 Stunden verschoben werden, bevor sich das Gremium mit der endgültigen Verpflichtung des Angreifers beschäftigen konnte – und dem Verkauf Calhanoglus.
Anders als zum Beispiel Bayern München konnte der HSV die Transferentschädigung für Lasogga nicht einfach aus der Portokasse begleichen, sondern brauchte frisches Geld, entweder durch einen Spielerverkauf oder die Unterstützung von Klaus-Michael Kühne. Der milliardenschwere Speditions-Unternehmer und HSV-Fan war aber nicht bereit, mal so eben ein paar Millionen zu verschenken. Er hatte zugesagt zu helfen, aber dafür wollte er offenbar Sicherheiten. Anteile an der neuen Sport AG waren im Gespräch, auch eine Beteiligung bei einem Weiterverkauf des Spielers. Doch dies alles war am Ende, nach längerer Diskussion, vom Tisch. „Für die Finanzierung von Lasogga gibt es kein Darlehen von Herrn Kühne“, stellte Jarchow klar.
Vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung saßen Dietmar Beiersdorfer, Mutter und Managerin Kerstin Lasogga sowie Kreuzer von 12.30 bis 18 Uhr im Stadion beisammen und verhandelten, angeblich waren auch Kühne und der designierte Aufsichtsratsvorsitzende Karl Gernandt mehrfach in Kontakt mit der Runde.
Zugleich wurde mit Bayer um Calhanoglu gepokert. 12,5 Millionen Euro hatte der Werksclub für den Deutschtürken geboten, offensichtlich wurde erfolgreich nachverhandelt, weil sich die Leverkusener bereit erklärten, die Ablösesumme auf rund 14 Millionen Euro zu erhöhen.
Eine am Ende erstaunliche Wende aus Sicht der neuen Führung um Karl Gernandt. Schließlich hatte sich HSV-Gönner Kühne erst vor einigen Tagen im Abendblatt-Interview klar dafür ausgesprochen, Calhanoglu nicht an Bayer abzugeben („Man sollte alles versuchen, einen so wichtigen Spieler zu halten“). Hat sich Beiersdorfer am Ende doch durchgesetzt?
Legt Bayer sogar noch einmal nach?
Als perfekt konnten Jarchow und Kreuzer den Transfer von Calhanoglu am späten Abend zwar noch nicht vermelden, angesichts der Wortwahl kündigte sich aber einen Vollzug am Freitag an. „Ob Bayer noch mal nachlegt, müssen wir abwarten.“ „Hakan ist weiter Spieler des HSV. Was morgen passiert, kann ich nicht sagen, das muss man abwarten.“ „Im Fußball können sich die Dinge schnell ändern.“ Sätze von Kreuzer, die deutlicher nicht sein konnten.
Wenn nicht alles täuscht, wird nach abschließenden Gesprächen mit Leverkusen heute eine Einigung gemeldet werden können. Die einzige dann noch zu klärende Frage wird sein, wie ein Abschied vom HSV den Gesundungsprozess beim krankgeschriebenen Calhanoglu beschleunigen wird...
Eine weitere Personalie blieb ungeklärt. Deshalb wird Per Skjelbred, der vergangene Saison an Hertha BSC verliehen war, heute in den Charterflieger nach China steigen. In Guangzhou stehen zwei Testspiele – mit Neuzugang Lasogga – gegen die Spitzenclubs Guangzhou Evergrande am Sonntag (14 Uhr europäischer Zeit) und Guangzhou R&F am Mittwoch (13.30 Uhr) an, die in Chinas Liga derzeit die Plätze eins und drei belegen. Das werden ernsthafte Tests gegen Mannschaften, die von prominenten Trainern gecoacht werden. Der Italiener Marcello Lippi betreut Evergrande, der Schwede Sven Göran Eriksson hat bei R&F das Sagen.
Übrigens: Als Meier, Jarchow und Kreuzer das Ergebnis im Elysée verkündeten, waren Lasogga und seine Mutter längst verschwunden. Vermutlich mussten sie packen.