Der Kapitän der Hamburger präsentiert sich nach seinem Urlaub rank, schlank und voller neuer Zuversicht. Die große WM-Enttäuschung hat er zudem verarbeitet.

Wie von der Tarantel gestochen stürmte Rafael van der Vaart auf Schiedsrichter Frederik Glowatzka vom TSV Schilksee zu. Gestikulierte, schimpfte, protestierte. Sauer, ganz offensichtlich, dass der Unparteiische den 2:2-Ausgleich von Weiche Flensburg anerkannt hatte. Van der Vaart führte sich in dieser Szene im Testspiel des HSV am Sonnabend zum Ende des ersten Trainingslagers auf, als ginge es dort um etwas. Und so ist es wohl tatsächlich: Es geht um viel für Rafael van der Vaart in den nächsten Wochen.

Beim 3:2-Sieg vor 2824 Zuschauern gegen den Regionalligisten mischte van der Vaart in der zweiten Halbzeit mit, obwohl er erst am Donnerstag nach seinem Sonderurlaub ins Training eingestiegen war. Er lief, er spielte Pässe und er regte sich auf. Er sieht gut aus. Leichte Bräune im Gesicht, schlank und drahtig. Kein Vergleich zum Vorjahr, als er mit sechs Kilo Übergewicht zum Trainingsstart erschienen war. „Harte Arbeit ist wichtig“, sagte der Niederländer jetzt, als habe er vom Baum der Erkenntnis genascht, „ich bin überzeugt, dass wir dadurch auch wieder nach vorne kommen.“

Fitness, Arbeit, das ist ja bei Trainer Mirko Slomka das Mantra dieser ersten Saisonvorbereitungsphase. Dass die Beine gegen die Flensburger schwer waren nach einer Woche Lauf- und Drillcamp, ist klar. „Es wäre auch schlimm, wenn es nach diesen Einheiten nicht so gewesen wäre“, sagte Slomka.„Das Spiel war ein sehr positiver Abschluss einer guten Woche.“ Marcell Jansen (11., 34.) nach zwei sehenswerten Pässen von Ivo Ilicevic und Artjoms Rudnevs (66.) nach einer Flanke von Youngster Christian Derflinger schossen vor 2.824 Zuschauern die Tore. Tim Wulff (4.) hatte die viertklassigen Gastgeber mit einem Abstauber nach einem Freistoß überraschend in Führung gebracht. Elmedin Kasumovic (60.) konnte mit seinem zu schnell ausgeführten Freistoß zwischenzeitlich noch einmal ausgleichen.

Slomka hob danach den 19 Jahre alten Gideon Jung heraus, der erst am vergangenen Dienstag von Rot-Weiß Oberhausen verpflichtet worden war. „Er war sehr auffällig, hatte gefühlt 40 Ballkontakte“, lobte der Trainer und erwähnte auch Christian Derflinger, 20, extra: „Die Flanke zum 3:2 war toll.“

Nach dem freien Sonntag müssen sich die HSV-Profis am Montag einer Leistungsdiagnostik unterziehen, um den körperlichen Status quo bei jedem einzelnen festzustellen. Auch bei van der Vaart, den Slomka gerne angesichts seiner fußballerischen Klasse in einer wichtigen Rolle in der Mannschaft sähe. Dennoch gilt auch für den Kapitän weiterhin: „Es gibt keine Sonderrolle. Wir werden jeden genau unter die Lupe nehmen.“

Van der Vaart hat die Botschaft verstanden und ist bereit, die Herausforderung anzunehmen. Der 31-Jährige hat offenbar das Gefühl, dass er nach dem miserablen Vorjahr etwas gut zu machen hat. Er will Teil eines Neubeginns sein. „Das Wichtigste ist der HSV. Ich will hier eine super Saison spielen. Ein Wechsel war für mich nie ein Thema, es gab auch keine Anfragen“, sagt er und trommelt voller Selbstvertrauen und Zuversicht: „Es wäre nicht schlau, mich zu verkaufen.“

Kaderplanung verunsichert van der Vaart nicht

Dass der Kader noch nicht vollständig ist, dass der Poker um Pierre-Michel Lasogga und Matthias Ostrzolek noch auf vollen Touren läuft, das stört van der Vaart angeblich nicht. Dafür ist er selbst auch zu lange im Geschäft, um nicht zu wissen, dass sich personell von einem Tag auf den anderen noch etwas ändern kann. „Wir haben ja schon ein paar Neue, Artjoms Rudnevs ist zurück. Und es kommen ja noch ein paar dazu.“

Insbesondere im Fall Lasogga ist die Zuversicht weiter groß, dass es bald zu einer Einigung mit Hertha BSC kommt. Der HSV soll das Angebot an die Berliner inzwischen nachgebessert haben. Acht Millionen Euro Ablöse oder sechs Millionen zuzüglich Per Cilian Skjelbred, der gern in Berlin bleiben möchte. „Mal sehen, vielleicht kommt noch der eine oder andere dazu“, sagte auch Sportchef Oliver Kreuzer. Wunsch ist, dass die Zugänge bereits am 4. Juli mit ins Trainingslager nach Guangzhou kommen. Auch in China soll es vor allem noch um die körperliche Verfassung gehen, erst danach will Slomka „ins Detail gehen und taktisch arbeiten.“

Van der Vaart gibt sich überzeugt, dass dieser Weg der richtige ist: „Wir werden wieder Spaß haben in dieser Saison. Der Abstiegskampf, der damit verbundene Druck, („so etwas habe ich noch nie erlebt“), all das soll nun in positive Energie umgewandelt werden. „Sicher“ sei er sich, dass das Team durch das Erlebte „zusammengeschweißt“ sei. „Jetzt müssen wir nach vorne schauen. Der ganze Verein ist heiß auf die neue Saison.“

Die Enttäuschung nicht bei der WM dabei zu sein, am Sonntag seine Niederländer im Achtelfinale gegen Mexiko nur am Fernsehen verfolgen zu können, die hat Rafael van der Vaart verdrängt, sagt er. „Es tat schon weh“, gibt er zu, räumt aber auch ein: „Bei der WM musst du absolut fit sein, und das war ich nicht.“ Und eben nicht nur wegen der maladen Wade. Aber jetzt, jetzt ist alles wieder gut. „Ich habe keine Beschwerden mehr, ich habe wieder große Lust auf Fußball.“