Ist der HSV noch zu retten? So wie die Hamburger beim 1:3 gegen den VfL Wolfsburg auftraten – wohl kaum. Inzwischen würden die Verantwortlichen den Relegationsplatz 16 mit Kusshand nehmen.

Hamburg. Gestandene Männer weinten auf der Tribüne und winkten mit Taschentüchern zum Abschied. Ganz so, als sei der HSV schon abgestiegen. Und auch Coach Mirko Slomka machte sich mit dem Gedanken an die 2. Liga vertraut. „Wenn ich als erster HSV-Trainer in die Geschichtsbücher eingehe, der absteigt, werde ich vielleicht auch der erste sein, der mit dem HSV aufsteigt“, sagte der 46-Jährige nach dem 1:3 (0:2) gegen den VfL Wolfsburg. Am Sonnabendabend herrschte Untergangsstimmung in der Imtech Arena. Und davor wollten etwa 70 vermummte „Problemfans“ (so die Polizei) die Geschäftsstelle stürmen. Es flogen Absperrgitter, vor der HSV-Arena wurde aber niemand verletzt, es gab auch keine Festnahmen.

Die Profis mussten über Umwege und mit Begleitschutz zu ihren Porsches und Luxus-Audis geleitet werden. Oder aber sie verharrten noch etwas länger in den schützenden Stadionkatakomben und suchten vor Diktiergeräten und Mikrofonen weiter unbeholfen nach Erklärungen für den spielerischen Offenbarungseid. „Wahnsinn, Wahnsinn“, stammelte Heiko Westermann. „Der Kopf lähmt die Beine“, analysierte Torhüter René Adler.

Jungstar Hakan Calhanoglu meinte allzu jugendlich unbekümmert: „Ich sage immer ‚Never give up'“ und ergänzte ernüchternd: „Ich werde zu Gott beten, dass wir in der Liga bleiben. Nur Gott kann uns jetzt noch helfen“, sagte der Hoffnungsträger im Abstiegskampf nach der erneuten Gruselvorstellung seines Teams.

Sportchef Oliver Kreuzer redete derweil den starken Gegner noch stärker: „Wolfsburg ist eine Weltklassemannschaft. Da war nicht mehr drin.“ Natürlich war der niedersächsische Champions-League-Anwärter gut – und natürlich hat der HSV riesiges Verletzungspech. Der bereits auf dem Spielbogen erfasste Innenverteidiger Johan Djourou verletzte sich beim Aufwärmen an den Adduktoren. Weil sich auch Talent Jonathan Tah nachmittags krank abgemeldet hatte, zog Djourous Ausfall gleich drei Positionswechsel nach sich. So ergatterte sogar Robert Tesche seinen ersten Startelf-Einsatz der Saison. Die Innenverteidigung, in die der nur mit Schmerztabletten fit gemachte Westermann rückte, schien an diesem Tag kaum zweitligatauglich.

Es ist soweit gekommen, dass man bei den Verantwortlichen des großen HSV den Relegationsplatz mit Kusshand nehmen würde. Er habe schon in der Vorwoche den Auftrag erteilt, die potenziellen Gegner beobachten zu lassen, so Slomka – „für den Fall, dass wir das Relegationsspiel spielen 'dürfen', wie man ja jetzt schon fast sagen muss“. Beim Zweitliga-Topspiel SC Paderborn gegen Greuther Fürth am Sonntag wollte man dabei sein, „vielleicht auch ich“, sagte Kreuzer. Sein Paderborner Kollege Michael Born machte sich in der HSV-Arena schon eifrig Notizen.

Allzu viel dürfte ihm da nicht Angst gemacht haben. Am ehesten noch van-der-Vaart-Vertreter Ivo Ilicevic, der auch den Ehrentreffer (58. Minute) beisteuerte. Auch Calhanoglu war einmal mehr ein Lichtblick. Genauso wie der ebenfalls erst 20-jährige Deutsch-Türke Kerem Demirbay, der nach langer Verletzung zu seinem Bundesliga-Debüt kam.

Das HSV-Restprogramm sieht heikel aus. Nach zuletzt sieben Auswärtspleiten in Serie stehen Gastspiele in Augsburg und Mainz und dazwischen die Heimpartie gegen Meister Bayern München an.

Die Statistik:

Hamburg: Adler – Diekmeier, Westermann, Mancienne, Jiracek – Rincon (73. Demirbay), Arslan (56. John) – Tesche, Calhanoglu, Ilicevic (86. Maggio) – Zoua. – Trainer: Slomka

Wolfsburg: Grün – Träsch, Naldo, Knoche, Rodriguez – Luiz Gustavo, Polak (86. Medojevic) – De Bruyne, Arnold (76. Vieirinha), Perisic – Olic (83. Marcel Schäfer). – Trainer: Hecking

Schiedsrichter: Peter Sippel (München)

Tore: 0:1 Perisic (2.), 0:2 De Bruyne (42.), 0:3 Olic (49.), 1:3 Ilicevic (58.)

Zuschauer: 56.279

Beste Spieler: Adler – De Bruyne, Luiz Gustavo, Olic

Gelb-Rote Karte: Luiz Gustavo wegen Handspiels (90.)

Gelbe Karten: Tesche -

Torschüsse: 14:16

Ecken: 5:7

Ballbesitz: 50:50 %