Hakan Calhanoglu gehört jetzt schon zu den wichtigsten Profis des HSV. Der 20-Jährige ist Strippenzieher und Vollender in einem. Eine große Karriere bahnt sich an. Aber wird sie sich beim HSV abspielen?
Hamburg. Hakan Calhanoglu schämt sich. „Ich habe die Mannschaft im Stich gelassen“, sagte der Mittelfeldspieler des HSV kleinlaut. Wegen seiner Gelb-Roten Karte im Spiel beim VfB Stuttgart muss der 20 Jahre alte Profi heute (20 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) beim wichtigen Kellerduell gegen den ebenfalls abstiegsbedrohten SC Freiburg aussetzen.
„Er ist noch in einem Lernprozess“, entschuldigte Trainer Mirko Slomka den Blackout seines Jung-Profis. Calhanoglu hat mit der Zwangspause Probleme. „Ich habe noch nie im Leben Rot gesehen“, klagte er. Seine Eltern reisten extra aus Mannheim an, um ihn zu trösten.
Die Zuschauerrolle passte dem Kunstschützen überhaupt nicht in den Kram. Eigentlich wollte der achtfache Torschütze sein Trefferkonto erhöhen. Denn im Gegensatz zur prekären Situation des Vereins steigen seine persönlichen Aktien unaufhaltsam. Sein krummes Tor via 40-Meter-Flatterschuss gegen Nationaltorhüter und BVB-Schlussmann Roman Weidenfeller hatte ihm selbst in englischen Medien Anerkennung eingebracht. Mittlerweile ist das Talent eine der Führungsfiguren beim HSV – erst vor dieser Saison war er vom Drittligisten Karlsruher SC an die Elbe gewechselt.
Beifall und Lob gehören zu Calhanoglus Alltag. Neuerdings wird der gebürtige Mannheimer, der den deutschen und türkischen Pass besitzt, auch besungen. „Chalala-Chalala-Calhanoglu – HSV“ hat Glenn Schröder, Enkel von Uwe Seelers Bruder Dieter, im Rap-Stakkato gedichtet und den Song im Radio präsentiert. Ob das Stück mal ein Ohrwurm wird wie einst „Rummenigge, Rummenigge – what a man“ des britischen Pop-Duos Alan & Denise, hängt auch davon ab, ob der bis vor kurzem wenig bekannte Kicker seine Popularität weiter steigern kann.
Unglücklich ist allerdings, dass der feine Techniker nicht für die deutsche Nationalelf spielen darf. Grund: Der türkische Nationalcoach Fatih Terim hatte Calhanoglu vor einem halben Jahr gegen Andorra acht Minuten eingesetzt, damit hat er sich dort festgespielt. „Ich wollte immer für die Türkei spielen“, erklärte der HSV-Profi, der auch sämtliche Jugend- und Junioren-Teams der Türkei durchlief.
Die Hamburger wollen den Mittelfeldrenner noch einige Jahre behalten. Seinen Vertrag hat er unlängst vorzeitig bis Juni 2018 verlängert, um in der schweren Zeit ein Zeichen zu setzen, wie er betonte. Die lange Laufzeit treibt natürlich den Preis in die Höhe. Ob Calhanoglu bei einem möglichen Abstieg noch zu halten ist, sei dahingestellt. „Klar ist, dass wir mit Hakan Pläne haben und ihn nicht zu Geld machen wollen. Es wäre das falsche Signal, ihn abzugeben“, versicherte Sportchef Oliver Kreuzer. 2,5 Million Euro haben die Hamburger einst dem KSC überwiesen, mittlerweile wird der Marktwert des Deutsch-Türken auf sieben Millionen Euro taxiert.
„Hakan soll Erfahrungen sammeln und in einigen Jahren Nachfolger von Rafael van der Vaart werden“, verkündete Kreuzer vor Saisonbeginn. Die Ablösung deutet sich schneller als gedacht an. Van der Vaart stand zuletzt in der Kritik. Calhanoglu dagegen waltet im Mittelfeld und schnappt sich immer häufiger den Ball, um Standards auszuführen. „Hakan hat schon eine große Bedeutung für die Mannschaft“, gestand auch Slomka und verknüpfte das Lob mit einer Forderung: „Es wäre gut, wenn er der Mannschaft am Sonntag in Gladbach das zurückgeben würde, was er ihr in Stuttgart in der zweiten Halbzeit genommen hat.“