Freiburgs Torhüter patzte beim 3:0-Sieg des HSV gleich dreimal und sorgte so dafür, dass die Hamburger unter dem neuen Trainer van Marwijk ungeschlagen bleiben.

René Adler wusste genau, was er direkt nach dem 3:0-Sieg des HSV in Freiburg zu tun hatte. Der Hamburger Torhüter, der einen entspannten Sonntagnachmittag im Breisgau verleben durfte, machte sich unmittelbar nach dem Schlusspfiff auf den Weg zu seinem Gegenüber Oliver Baumann, klopfte dem Youngster freundschaftlich auf die Schultern und sprach tröstende Worte aus. „Lieber einmal richtig daneben als immer ein bisschen“, sagte Adler, und erinnerte den 23-Jährigen daran, dass er auch schon rabenschwarze Tage erlebt habe: „Ich habe vergangenes Jahr in Hannover gleich fünfmal danebengegriffen. Wenn sich hier einer nichts vorzuwerfen hat, dann du.“

Es waren gut gemeinte Worte, doch so wirklich trösten konnten sie den unbestrittenen Protagonisten des Tages, der ausgerechnet unter den Augen von Bundestrainer Joachim Löw unfreiwillig ein kleines bisschen Sportgeschichte geschrieben hatte, wohl kaum. „So etwas habe ich wirklich noch nie erlebt“, sagte Baumann den Medienvertretern, denen er trotz seiner drei Fauxpas in den wohl schlimmsten 90 Minuten seiner Karriere den Kommentar nicht verwehrte. „Ich darf mich jetzt einfach nicht verrückt machen, muss weitermachen“, sagte der Keeper, der noch auf dem Platz von den Hamburgern Pierre-Michel Lasogga und Maximilian Beister, mit denen er mehrere Jahre gemeinsam in der U21-Nationalmannschaft gespielt hatte, getröstet wurde.

„Wir mussten uns den Sieg heute hart erarbeiten, aber Olli tut mir natürlich unheimlich leid“, sagte Beister, der nach relativ unspektakulären 36 Minuten als erster Hamburger das Glück hatte, von einem kapitalen Fehler Baumanns zu profitieren. Nach einem Befreiungsschlag Milan Badeljs, den HSV-Trainer Bert van Marwijk später als „erneut besten Spieler des Tages“ bezeichnete, tauchte Baumann vor seinem Strafraum unter dem Ball durch, den Beister anschließend nur noch ins leere Tor schieben musste. „Natürlich war das ein bisschen glücklich für uns. Auch ich habe so etwas noch nie erlebt“, sagte Beister, der auch am dritten Pleiten-Pech-und-Pannen-Tor beteiligt war.

Zunächst aber war es Lasogga, der unmittelbar nach der Pause (47.) auf fast identische Art und Weise zum 2:0 vollstrecken durfte. Diesmal hatte Rafael van der Vaart eine Mischung aus Befreiungsschlag und Pass in die gegnerische Hälfte geschlagen, wobei Baumann den Ball erneut kurz vor seinem Strafraum nicht unter Kontrolle bekam. Lasogga zögerte keine Sekunde und schob den gerade erkämpften Ball wiederum ins leere Tor. „Olli Baumann ist natürlich die tragische Figur des Spiels. Aber man muss diesen Bällen erst mal energisch nachgehen und so die Fehler provozieren“, sagte Lasogga, der sich mit allem Recht der Welt nach seinem sechsten Treffer im sechsten Bundesligaspiel für den HSV selbst loben durfte – auch wenn er den Rekord von Horst Hrubesch, der in fünf Pflichtspielen in Folge acht Treffer erzielen konnte, nicht erreichte.

Allzu viel wurde über die fast schon beängstigende Serie Lasoggas im Anschluss an die Partie allerdings nicht gesprochen. Hauptverantwortlich dafür war natürlich Pechvogel Baumann, der sich sogar noch den bereits erwähnten dritten „Klops“ im Spiel erlaubte. Ein „Schüsschen“ Beisters wehrte der 1,87 Meter große Schlussmann direkt vor die Füße van der Vaarts ab, der sich artig mit seinem ebenfalls sechsten Saisontreffer bedankte. „Das war schon ein bisschen peinlich vom Torhüter“, sagte der grinsende Niederländer, der offenbar weniger Mitleid als seine Mitspieler mit Baumann hatte.

Doch trotz des am Ende sehr deutlichen 3:0-Sieges wollte im Lager der Hamburger keine echte Hochstimmung aufkommen, was weniger mit der Person Baumann als viel mehr mit dem eigenen Spiel zu tun hatte. „Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden, mit dem Spiel meiner Mannschaft bin ich dagegen überhaupt nicht zufrieden“, sagte Trainer van Marwijk, der nach seinem vierten ungeschlagenen Spiel in Folge regelrecht wütend auf der Pressekonferenz auftrat. „Unser letzter Pass war nicht gut, und unser vorletzter Pass war auch nicht gut“, kritisierte der Niederländer, der schon in der Halbzeitpause „deutliche Worte“ verloren hatte: „Wir waren zu leichtsinnig. Das darf uns nicht passieren.“

Anders als gegen Stuttgart bot der HSV in Freiburg fußballerische Magerkost

Wahrscheinlich darf man es als gutes Zeichen werten, dass sich der HSV nun sogar den Matthias-Sammer-Luxus erlaubt, selbst nach deutlichen Siegen den Zeigefinger zu erheben. Vielleicht dachte der Niederländer aber auch daran, dass bis zum Ende der Hinrunde mit unter anderem Mönchengladbach, Leverkusen, Bayern München und Wolfsburg vier Teams aus den derzeitigen Top sechs auf die Hamburger warten, die die Fehler des HSV gnadenloser bestrafen würden.

Van Marwijk hatte in Freiburg mit seiner deutlichen Selbstkritik allerdings absolut recht. Im Gegensatz zur Vorwoche, als sich die spielerisch starken Hamburger beim unglücklichen 3:3 gegen den VfB Stuttgart einen Sieg verdient gehabt hätten, bot van Marwijks Team in Freiburg vor mehr als 2000 mitgereisten Hamburger Fans über weite Strecken der Partie nur Magerkost. „Wir waren heute nicht gut“, gab Beister unumwunden zu. Doch nachdem unter der Woche im Anschluss an das unglückliche 3:3-Spektakel gegen Stuttgart noch lautstark mal ein „dreckiger 1:0-Sieg“ gefordert wurde, mochte sich dann auch kein Hamburger für den „dreckigen 3:0-Sieg“ entschuldigen. Entschuldigen wollte sich an diesem Nachmittag ohnehin nur einer.

Statistik

Freiburg: Baumann – Sorg, Krmas (63. Schuster), Diagne, Günter (84. Pilar) – Ginter, Fernandes (46. Freis) – Schmid, Darida, Coquelin – Mehmedi. – Trainer: Streich

Hamburg: Adler – Westermann, Tah, Djourou (22. Sobiech), Jansen – Badelj, Arslan – Beister, van der Vaart, Calhanoglu (78. Ilicevic) – Lasogga (84. Rudnevs). – Trainer: van Marwijk

Schiedsrichter: Peter Gagelmann (Bremen)

Tore: 0:1 Beister (37.), 0:2 Lasogga (47.), 0:3 van der Vaart (63.)

Zuschauer: 24.000 (ausverkauft)

Beste Spieler: Ginter, Schmid – Lasogga, Beister

Gelbe Karten: Coquelin (2), Diagne (3) – Sobiech