Der Club stolpert von einer Negativ-Schlagzeile in die nächste: Ständige Störfeuer von Investor Kühne. Sportlich in der Krise. Noch immer kein Stürmer gefunden.
Hamburg. „HSV nix gut“ - ein wenig begabter Graffiti-Künstler hat es an der Alster mit drei Wörtern auf den Punkt gebracht. Ständige Störfeuer von Investor Klaus-Michael Kühne, nur ein Punkt auf dem Konto und noch immer kein Torjäger in Sicht: Der HSV steht vor dem richtungsweisenden Duell mit Liga-Schlusslicht Eintracht Braunschweig enorm unter Druck. Patzt der Dino auch gegen den punktlosen Aufsteiger am Sonnabend (15.30 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de), droht der Traditionsclub endgültig zum Brandherd zu werden.
Und ausgerechnet jetzt gibt es auch noch einen Seitenhieb von der Spielergewerkschaft VDV. Deren Geschäftsführer Ulf Baranowsky hatte gesagt, dass ausländische Profis offenbar von ihren nationalen Gewerkschaften vor Wechseln zum HSV und Ligakonkurrent 1899 Hoffenheim gewarnt werden, da im Kraichgau und in der Hansestadt mehrere Spieler vom Trainingsbetrieb der Profimannschaft ausgeschlossen wurden. „Ich kann diese Warnung nicht nachvollziehen und sie deckt sich auch nicht mit den Erfahrungen, die wir in dieser etwas hektischen Transferperiode gemacht haben“, sagte HSV-Vorstandsboss Carl-Edgar Jarchow. „Es ist nicht so, dass Spieler aus dem Ausland nicht mehr mit uns reden wollen.“
Der 58-Jährige bringt Verständnis dafür auf, dass ausgemusterte Profis nicht glücklich sind, wenn sie nicht mehr mit der Profimannschaft trainieren dürfen. „Wenn Spieler aber seit einem längeren Zeitraum wissen, dass wir nicht mehr mit ihnen planen und dann Angebote von anderen Vereinen ausschlagen, müssen sie damit im Sinne eines optimalen Trainingskaders leben“, sagte Jarchow: „Das ist ja nicht von jetzt auf gleich passiert, sondern es gibt eine Vorgeschichte. Wir stehen in engem Kontakt zu ihnen und ihren Beratern.“
„Ein Sieg wäre in dieser Phase sehr wichtig“
Da es auch sportlich alles andere als planmäßig läuft, ist die Partie gegen Braunschweig umso wichtiger, um von den Nebenkriegsschauplätzen abzulenken. Denn bei einer Niederlage gegen den Aufsteiger dürfte auch die Kritik an Trainer Thorsten Fink immer mehr zunehmen. „Er weiß, dass er in seinem dritten Jahr auch kritisch beäugt wird und geht gut damit um“, sagte Jarchow dem „kicker“ und stellt sich (noch) vor seinen Coach, der in den abgelaufenen Spielzeiten die gesteckten Ziele erreichte: „Wir unterstützen ihn und fordern ihn natürlich auch.“
Fink selber gab sich vor dem richtungsweisenden Spiel wie so häufig als Meister der Floskeln: „Ich erwarte, dass wir gewinnen. Wir müssen sie einfach schlagen und wollen mit aller Macht die Punkte einfahren“, sagte der Trainer. „Ein Sieg wäre in dieser Phase sehr wichtig, wir wollen weiter nach oben.“ Immerhin kann der HSV auf seinen Regisseur Rafael van der Vaart zurückgreifen, der nach seinen Oberschenkelproblemen wieder mit der Mannschaft trainieren konnte. Dagegen fehlt Linksverteidiger Marcell Jansen (Zehenbruch) erneut, für den neuen Innenverteidiger Johan Djourou und Offensivspieler Ivo Ilicevic käme ein Einsatz noch zu früh, meinte Fink.
„Aufgeben ist nicht unsere Stärke“
Der Trainer erwartet nach zwei Niederlagen in Serie gegen Braunschweig eine „Trotzreaktion. Wir wollen sie zu Fehlern zwingen, Druck machen, schnell spielen - Braunschweig keine Luft zum Atmen lassen.“ Dennoch erwarte er ein schweres Spiel. „Aber aufgeben ist nicht unsere Stärke“, sagte Fink. Jarchows vielbeachtete Aussage, der HSV sei auf Augenhöhe mit Schalke 04, hat sich zwar bisher bewahrheitet. Aber nur, weil der Revierclub ebenfalls schwächelt. Und die Voraussetzungen für einen Umschwung haben sich nach dem 0:1 bei Hertha BSC nicht verbessert.
Wie in den Vorwochen herrscht große Unruhe rund um den Club, immer wieder meldet sich Klaus-Michael Kühne zu Wort und geht den Verantwortlichen mehr und mehr auf die Nerven. Der Unternehmer schmiedet auf der Ferieninsel Mallorca offenbar mit Felix Magath an großen Reformplänen und watscht Jarchow, Sportdirektor Oliver Kreuzer und Fink inzwischen regelmäßig öffentlich ab. „Wenn die nötigen Strukturen eingeleitet und die handelnden Personen ersetzt werden, bin ich und sind auch andere bereit, größere Investitionen zu tätigen“, sagte der 76-Jährige.
„Es ist keine sachliche Kritik“
Doch das interessiert Jarchow herzlich wenig: „Was Herr Kühne sagt, tangiert mich nicht. Es ist keine sachliche Kritik. Ich ärgere mich jedoch darüber, weil die Äußerungen dem HSV schaden.“ Ein neuer Stürmer könnte dem Verein dagegen helfen, die Kritik ehemaliger HSV-Stars oder des meinungsfreudigen Gönners einzudämmen. Doch die Suche nach Mister X gestaltet sich schwierig.
Kreuzer hat ein sehr begrenztes Budget zur Verfügung, auch wenn ihm der Abgang von Nationalspieler Dennis Aogo (Schalke) und die endgültige Trennung des Clubs von seinem Vorgänger Frank Arnesen ein wenig finanzielle Luft verschaffen. „Die Entscheidung soll möglichst am Freitag oder Sonnabend fallen“, sagte Kreuzer der „Hamburger Morgenpost“.
Es gelten weiter drastische Sparzwänge
Dass Eren Derdiyok von 1899 Hoffenheim kommt, erscheint dabei immer unwahrscheinlicher. Größere Chancen dürfte der HSV bei Herthas Sturmtank Pierre-Michel Lasogga besitzen, den der Club aber allenfalls bei einer Ausleihe finanzieren könnte. Denn Jarchow betonte erneut, dass die Sparpläne der klammen Hamburger weiterhin gelten. Noch immer belasten die aussortierten Gojko Kacar, Michael Mancienne, Slobodan Rajkovic und Robert Tesche die Bilanz. Trotz aller Widrigkeiten gibt es aber auch positive Signale vor dem Duell mit der Eintracht.
Der neue Innenverteidiger Johan Djourou ist nach einer Leistenoperation endlich fit und auch Offensivspieler Ivo Ilicevic stellt für Fink wieder eine Option dar. „Mit den beiden haben wir zwei Facetten mehr im Spiel“, sagte der 45 Jahre alte Chefcoach: „Johan hat eine Menge Erfahrung und soll eine unserer Säulen sein.“ Und die Graffiti-Künstler an der Elbe schnell wieder auf andere Ideen bringen.