Sportchef und Trainer einigten sich auf eine Transferstrategie. Die wurde zuletzt vermisst
Hamburg. Viel Zeit hatten Oliver Kreuzer und Thorsten Fink am Wochenende nicht. Weil Trainer Fink am Sonntag zurück in den Familienurlaub nach Mallorca flog und sich Neusportchef Kreuzer am Sonnabendvormittag mit seiner Lebensgefährtin Doris mögliche Wohnungen anschaute, wurde der konspirative HSV-Zukunftsgipfel auf den Nachmittag verlegt. Treffpunkt war das Grand Elysée Hotel an der Rothenbaumchaussee, in dem Kreuzer derzeit ohnehin residiert. Viel wichtiger als Ort und Zeitpunkt waren aber vor allem die Themen, über die sich die beiden ausführlichst unterhalten wollten. Denn anders als in den vergangenen zwei Jahren, in denen sich Fink und Kreuzer-Vorgänger Frank Arnesen nie auf eine einheitliche Personalpolitik festlegen konnten, wollten sich die neuen Architekten des HSV auf eine gemeinsame Transferstrategie einigen. Das Versprechen beider: Zukünftig soll kein Profi mehr verpflichtet werden, von dem nicht Kreuzer und Fink überzeugt sind.
Dass es gar nicht so schwierig ist, im Dialog auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, bewies Hamburgs neues Führungstandem am Sonnabend. So einigten sich Kreuzer und Fink in dem mehrstündigen Gespräch auf eine Prioritätenliste, die Sportchef Kreuzer nun in den kommenden Wochen abzuarbeiten hat. Wie das Abendblatt erfuhr, stehen auf dieser Liste längst bekannte Namen wie Málagas Roque Santa Cruz (Sturm) und Basels Jacques Zoua (Offensivallrounder), aber auch bislang noch nicht öffentlich gewordene Kandidaten wie Aleksandar Dragovic (Innenverteidiger) und Joo-Ho Park (Linksverteidiger), die wie Zoua ebenfalls beim FC Basel unter Vertrag stehen. Aus Kostengründen sehr unwahrscheinlich sein sollen dagegen die Transfers der zuletzt gehandelten Eren Derdiyok (Hoffenheim) und Timm Klose (Nürnberg), der nach Wolfsburg wechseln will. Das von Kreuzer vor zwei Wochen beobachtete Abwehrtalent Marcin Kaminski (Posen) wurde als Backup-Kandidat zurückgestuft.
Bereits vor dem Perspektivgespräch war klar, dass der HSV noch zwei Stürmer und zwei Abwehrspieler verpflichten will, wobei für beide Mannschaftsteile jeweils eine erfahrene Sofortverstärkung und ein Perspektivspieler geholt werden sollen. Im Angriff, da sind sich Kreuzer und Fink spätestens seit Sonnabend einig, könnte der 31 Jahre alte Roque Santa Cruz die gewünschte Sofortverstärkung sein. Mittlerweile hat es auch schon zwei Gespräche mit dem Südamerikaner gegeben, in denen Santa Cruz die Perspektive als Stammspieler aufgezeigt wurde. Und anders als kolportiert soll der frühere Münchner nach Branchenschätzungen zuletzt beim FC Málaga auch „nur“ 3,5 Millionen verdient haben. Da Málaga in der vergangenen Saison aber nur sehr unregelmäßig gezahlt haben soll, hat Santa Cruz dem HSV signalisiert, sehr gerne in die Bundesliga zurückkehren zu wollen und dafür auch gegebenenfalls auf einen Teil des Gehalts zu verzichten. Das Problem: Neben dem HSV sind auch Schalke und Leverkusen an dem Angreifer interessiert.
Etwas weiter waren Kreuzer und Fink schon beim Basler Zoua, der bereits in der kommenden Woche als Neuzugang vermeldet werden sollte. Der 21-Jährige, dessen technische Fähigkeiten Fink überzeugt haben, soll perspektivisch die Rolle des Neu-Leverkuseners Heung Min Son übernehmen. Aber: Obwohl sich der HSV, Basel und Zoua grundsätzlich über einen Wechsel einig waren, droht ein plötzlich aufgetauchter Berater, die Verhandlungen zu verkomplizieren. Mittlerweile soll der Kameruner, der in Basel zuletzt nicht unumstrittener Stammspieler war, eine stolze Ablöse von 2,5 Millionen Euro kosten, die Kreuzer in den kommenden Tagen noch drücken will.
Auch auf der Suche nach Abwehrspielern sind Kreuzer und Fink beim FC Basel fündig geworden. Besonders der österreichische Nationalspieler Dragovic hat es dem Duo angetan, wobei die kolportierte Ablöseforderung von rund fünf Millionen Euro noch zu hoch ist. Zudem soll der 22 Jahre alte Innenverteidiger auch bei Lazio Rom auf der Einkaufsliste stehen. Sehr viel günstiger wäre da schon Dragovics südkoreanischer Mannschaftskollege Park zu haben. Der Außenverteidiger wäre allerdings zunächst nur als Ersatzspieler eingeplant, der den Stammkräften ein wenig Druck machen soll.
Grundsätzlich einig sind sich Kreuzer und Fink bereits mit einem vielversprechenden deutschen Innenverteidiger, der für eine geringe Ablösesumme kommen soll und mit Heiko Westermann und dem noch zu verpflichtenden Innenverteidiger Nummer zwei um die zwei Plätze im Abwehrzentrum konkurrieren soll. Nur wenn die fortgeschrittenen Verhandlungen doch noch scheitern sollten, wäre der Pole Kaminski von Lech Posen eine Alternative.
Anders als im Vorjahr, als sich Fink und Arnesen nicht auf gemeinsame Kandidaten einigen konnten, sollen die Planungen für den Profikader der kommenden Saison bereits relativ weit fortgeschritten sein. Dass der frühere St.-Pauli-Profi Daniel Ginczek, der nach Nürnberg wechselt, in diesen Planungen keine Rolle mehr spielen kann, ist wohl auf das zerrüttete Verhältnis zwischen Fink und Arnesen zurückzuführen. Denn obwohl die beiden öffentlich nie ein schlechtes Wort übereinander verloren haben, hat es intern mehrfach so richtig gekracht – zuletzt, als Fink sich vor Monaten zweimal mit Wunschstürmer Ginczek getroffen, Arnesen aber nicht die geforderten Vertragsgespräche aufgenommen hatte.
Ähnlichen Ärger soll es auch bei Finks Wunschspielern Felipe Santana (wechselt nun von Dortmund zu Schalke) und dem früheren Basler David Abraham (wechselte im Winter nach Hoffenheim) gegeben haben. Hinter verschlossenen Türen soll Fink mehrfach Ex-Manager Arnesen vorgeworfen haben, sich zu spät um seine Vorschläge gekümmert und generell zu sehr den Fokus im Ausland statt in Deutschland und im deutschsprachigen Ausland gelegt zu haben. Besonders bei der Besetzung der Innenverteidigung, für die der Däne mit Jeffrey Bruma, Slobodan Rajkovic und Michael Mancienne gleich drei Chelsea-Profis geholt hatte, gingen Fink und Arnesen auf Konfrontationskurs. Fink soll eine Kurskorrektur gefordert haben, Arnesen, der nach Informationen des Abendblatts bei seinem Ex-Club PSV Eindhoven im Gespräch sein soll, war von dem Potenzial des Chelsea-Trios überzeugt.
Beim Transfergipfel am Sonnabend sollen Arnesen-Nachfolger Kreuzer und Fink übereingekommen sein, dass nach Bruma, dessen Leihvertrag nicht verlängert wurde, auch Rajkovic und Mancienne zum Verkauf stehen. Anders als Robert Tesche, Gojko Kacar und Marcus Berg, die nach einer abgesprochenen Entscheidung Kreuzers und Finks nicht mehr am Mannschaftstraining teilnehmen dürfen, droht Rajkovic, Mancienne und auch den aus Wigan zurückkehrenden Paul Scharner aber kein vergleichbares Schicksal.
Am späten Sonnabend war zwischen Fink und Kreuzer vorerst alles besprochen. Das Einzige, was nun fehlt: Jetzt muss aus Theorie Praxis werden.