In einem mitreißenden Spiel glänzten Son und Rudnevs beim 4:1-Sieg jeweils mit einem Doppelpack. Doch einige Fans rasteten vorher aus.

Dortmund/Hamburg. Es hätte aus Hamburger Sicht ein rundum gelungener Nachmittag werden können - doch einige HSV-Fans rasteten schon vor dem 4:1-Sieg über Meister Borussia Dortmund in der Bahn aus. Circa 150 HSV-Fans reisten mit dem Regionalexpress 6 (Westfalen Express) am Sonnabend zum Dortmunder Hauptbahnhof. Ein Waggon wurde durch die Fans so erheblich zerstört, dass er für die Weiterfahrt nicht mehr genutzt werden konnte. Die Chaoten zerstörten unter anderem die Deckenverkleidung, rissen alle Sonnenschutzblenden aus den Verankerungen und schlugen eine Abteilscheibe ein. Weiter wurde der komplette Waggon durch Müll verschmutzt. Die zerstörte Deckenverkleidung versuchten Unbekannte schließlich noch in Brand zu stecken.

Auf Grund der massiven Beschädigungen im Inneren des Waggons musste dieser zur Instandsetzung in ein Betriebswerk der Deutschen Bahn gebracht werden. Der Schaden beläuft sich nach ersten Ermittlungen auf circa 10.000 Euro. Es wurden Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung und Landfriedensbruch eingeleitet.

Zu einem späteren Zeitpunkt meldete sich ein Zeuge der Sachbeschädigungen auf der Wache der Bundespolizei im Dortmunder Hauptbahnhof. Er erklärte den Beamten, dass er im Regionalexpress einen Täter mit seinem Mobiltelefon fotografiert habe. Dieser habe ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen und aufgefordert die Bilder zu löschen. Durch die Körperverletzung eingeschüchtert, löschte der BVB-Fan die Bilder. Die Bundespolizei leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung und Nötigung ein.

Um 13:33 fuhr der Intercity 2217, aus Richtung Hamburg kommend, in den Hauptbahnhof Dortmund ein. Als die HSV-Fans den Zug verließen, zündete eine unbekannte Person im Schutz der anderen Fans eine Rauchbombe. Im Personentunnel wurden dann noch mehrere Knallkörper gezündet. Es konnten bis zum Einsatzende keine verletzten Personen festgestellt werden. Die Bundespolizei leitete Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz ein.

Gegen 13:45 Uhr erreichte ein Sonderzug mit 750 HSV-Fans das Stadtgebiet Dortmund. Währende der Einfahrt in den Haltepunkt Signal-Iduna-Park zog eine unbekannte Person die Notbremse. Nach kurzem Halt konnte der Zug in den Haltepunkt einfahren. Während die HSV-Fans den Sonderzug verließen, zündete eine unbekannte Person, im Schutz der anderen Fans, eine Bengalo Fackel. Ob Personen durch das Feuer oder den giftigen Rauch verletzt wurden, konnte bis zum Einsatzende nicht geklärt werden. Es wurden Ermittlungsverfahren wegen Missbrauchs von Nothilfeeinrichtungen und Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz eingeleitet.

Während der Anreisephase verzeichnete die Bundespolizei circa 23.000 bahnreisende Fans, davon circa 1700 HSV-Fans. Auf Grund der Vorkommnisse in der Anreisephase wurden weiter Kräfte der Bundesbereitschaftspolizei eingesetzt, welche die HSV-Fans in den unterschiedlichen Zügen zurück in Richtung Hamburg begleiteten. Dies wurde zwingend erforderlich, um weiteren Vandalismus in den Zügen zu verhindern.

Die Bundespolizei leitete insgesamt 12 Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz ein.

Klopp nach Niederlage missmutig

Der Rückschlag zur Unzeit drückte selbst einer Frohnatur wie Jürgen Klopp mächtig aufs Gemüt. Mit tief ins Gesicht gezogener Schirmmütze kommentierte der Dortmunder Trainer missmutig das deftige 1:4 (1:2) gegen den Hamburger SV: „Heute ist alles komplett gegen uns gelaufen. Es gehört zum Fußball dazu, dass man solche scheiß Tage erlebt, aber man könnte komplett auf sie verzichten.“

Ausgerechnet vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League am Mittwoch bei Schachtjor Donezk ging der Höhenflug seines zuletzt viermal siegreichen Teams zu Ende. Der Fußball-Lehrer brauchte eine Weile, um sich von der höchsten Heimniederlage der Borussia seit dem 1:5 gegen den FC Bayern im September 2009 zu erholen: „Nach dem Schlusspfiff habe ich gemerkt, das Leben geht weiter und endet nicht mit solch einem Dreck.“

Der deprimierende Auftritt seiner Mannschaft taugte wahrlich nicht als Mutmacher für die Reise zum ukrainischen Meister. Die Hamburger Doppel-Torschützen Artjoms Rudnevs (18./62. Minute) und Heung-Min Son (26./89.) bescherten dem ungewohnt schwachen BVB eine missratene Generalprobe. Klopp hofft, dass die bereits dritte Heimschlappe vor den entscheidenden Wochen in der europäischen Meisterklasse und dem Pokal-Hit beim FC Bayern keine bleibenden Schäden hinterlässt: „Wir waren heute nicht gut und haben verdient verloren. Am Mittwoch sollten wir besser sein.“

Vor allem die dürftige Heimbilanz gibt den Dortmundern zu denken. Mittlerweile hat das mit 80 645 Zuschauern zumeist ausverkaufte größte Bundesliga-Stadion seinen Schrecken für den Gegner verloren. Nur zwei der vergangenen sieben Spiele in Dortmund gingen an die Borussia. „Wir dürfen zu Hause einfach keine vier Tore kassieren“, kommentierte Rückkehrer Nuri Sahin im Anschluss an sein Startelf-Debüt, „aber das Positive ist, dass wir am Mittwoch direkt Wiedergutmachung betreiben können.“

Für die größte Aufregung sorgten nicht die Tore, sondern die Entscheidungen von Manuel Gräfe. Der Schiedsrichter aus Berlin zückte nach einem Foul von Robert Lewandowski (31.) und minutenlanger Beratung mit seinen Assistenten eine vertretbare Rote Karte, zeigte aber dem mit viel Körpereinsatz protestierenden Rafael van der Vaart nur Gelb. Klopp wertete den Platzverweis für Lewandowski als Schlüsselszene: „Danach wurde es hektisch und wild.“ Van der Vaart gab zu, den Tumult mit provoziert zu haben: „Der Schiedsrichter wollte keine Rote geben. Da habe ich ein wenig Theater gemacht“, sagte er der „Bild am Sonntag“.

Sein unüberlegtes Geständnis ging im Jubel über den 4:1-Coup bei Borussia Dortmund zunächst fast unter, sorgte aber am Tag danach für kontroverse Diskussion. „Das ist der schlechteste Satz, den ich jemals gehört habe. Warum sagt er so etwas nachher?“, klagte BVB-Trainer Jürgen Klopp im WDR-Hörfunk.

Allerdings muss man dem Routinier zugutehalten, dass er die tumultartigen Szenen im weiteren Verlauf der Partie nicht zu weiteren Schauspiel-Einlagen nutzte. Vor der Südtribüne des brodelnden Dortmunder Stadions wurde er von einem Feuerzeug getroffen. Für die wütenden Reaktionen der Fans äußerte van der Vaart nach der Partie sogar Verständnis.

Dieser Zwischenfall konnte die gute Stimmung des Niederländers am Ende der Partie jedoch nicht trüben. Zusammen mit seinen Mitstreitern genoss er die Freudengesänge der HSV-Fans: „Unglaublich. Wir haben das gefeiert wie die Meisterschaft.“

+++ Der Spielverlauf zum Nachlesen +++

Wie schon beim 3:2 im Hinspiel, mit dem die lange Erfolgsserie des BVB von zuvor 31 Spielen ohne Niederlage zu Ende gegangen war, zwangen die Hamburger den Favoriten in die Knie. Zwei Siege binnen einer Saison gegen die Dortmunder waren in den vergangenen beiden Spielzeiten keinem Team gelungen. Selbst der frühe Rückstand durch den Treffer von Lewandowski (17.) zeigte keine negative Wirkung.

Die beste Saisonleistung verhalf erstmals in dieser Saison zum Sprung auf einen Europapokal-Platz. Das stimmte den in Dortmund geborenen HSV-Trainer Thorsten Fink euphorisch: „Damit konnte keiner rechnen nach der Heimniederlage gegen Frankfurt. Man denkt, wie kommt man hier nur heraus.“ Ähnlich überschwänglich kommentierte Son den durch sein Traumtor zum zwischenzeitlichen 2:1 eingeleiteten Coup: „Es ist ein Traum, hier 4:1 zu gewinnen“, befand der Südkoreaner.

Die Statistik

Dortmund: Weidenfeller - Piszczek (66. Gündogan), Felipe Santana, Hummels, Sven Bender - Kehl (65. Schieber), Sahin - Blaszczykowski, Götze, Reus - Lewandowski. - Trainer: Klopp

HSV: Adler - Diekmeier, Bruma, Westermann, Jansen - Rincon - Skjelbred (74. Arslan), Aogo - van der Vaart (63. Rajkovic) - Son (90. Kacar), Rudnevs. - Trainer: Fink

Schiedsrichter: Manuel Gräfe (Berlin)

Tore: 1:0 Lewandowski (17.), 1:1 Rudnevs (18.), 1:2 Son (26.), 1:3 Rudnevs (62.), 1:4 Son (89.)

Zuschauer: 80.645 (ausverkauft)

Rote Karten: Lewandowski wegen groben Foulspiels (30.), Bruma nach einer Notbremse (60.)

Gelbe Karten: Götze (3) - Aogo (2), van der Vaart (4)