Was für ein Jahr für den HSV: In der Vorsaison fast abgestiegen, dann eine unerwartet erfolgreiche Hinrunde. Der große Jahresrückblick.

Hamburg. Es begann mit einer Enttäuschung und es endete mit einer Enttäuschung. Der Hamburger SV blickt auf ein ereignisreiches Jahr 2012 mit einigen Höhen und vielen Tiefen zurück. Zwischen dem 1:5 gegen Borussia Dortmund zum Jahresauftakt und der 0:3-Niederlage in Leverkusen am Jahresende lagen lange Wochen des Leidens, der Hoffnung und der Erleichterung.

Im Mai schafften die Hamburger nach einer Zitter-Saison doch noch den Klassenerhalt. Auch die neue Spielzeit begann mit vielen Pleiten und Pannen. Doch die Truppe von Trainer Thorsten Fink schaffte die Wende. Auch dank der Rückkehr von Rafael van der Vaart im August. Die Redaktion von abendblatt.de erinnert an Aufsteiger, Rückkehrer und Pechvögel.

Spiel des Jahres

Leidenschaft, Emotionen und Kampfgeist brachten dem HSV am vierten Spieltag der aktuellen Saison einen ebenso verdienten wie unerwarteten Erfolg gegen Meister und Pokalsieger Borussia Dortmund. In einer hochklassigen Partie, in der Heung-Min Son mit zwei Toren sowie Torwart Rene Adler mit zahlreichen Glanzparaden überragten, gewann der Bundesliga-Dino am Ende glücklich mit 3:2. Ivo Ilicevic traf vor 57.000 begeisterten Zuschauern ebenfalls für die Hamburger, für die der Erfolg als Spiel des Jahres in Erinnerung bleiben wird.

Blamage des Jahres

Nach mehr als einem Vierteljahrhundert wollte der HSV in dieser Saison endlich mal wieder das Finale des DFB-Pokals erreichen. Der oft zitierte Plan, mit nur sechs Siegen am Europapokal teilnehmen zu können, scheiterte jedoch bereits an der Auftakthürde. Die hieß am 19. August Karlsruher SC, Drittligist und damals auf dem besten in die Regionalliga.

Doch dann kam Aufbaugegner Hamburg, präsentierte sich in einer erschreckenden Verfassung und verlor 2:4. Seit dem ging es für den KSC, der noch immer im DFB-Pokal vertreten ist und im Achtelfinale am 18. Dezember den SC Freiburg empfängt, stets bergauf. Der HSV muss seine Pokalträume nach der Blamage des Jahres hingegen vorerst auf die nächste Saison verschieben – mal wieder.

Fehltritt des Jahres

Sonnabend, 3. März 2012, 16.42 Uhr. Paolo Guerrero sprintet in Richtung Eckfahne, wo Stuttgarts Torhüter Sven Ulreich den Ball abschirmt und ins Seitenaus rollen lassen möchte. Doch der Peruaner setzt im Sprint zur Grätsche an und tritt dem VfB-Schlussmann mit voller Wucht von hinten um – ohne auch nur den Ansatz einer Chance auf den Ball zu haben.

Die brutale Szene, bei der Ulreich wie durch ein Wunder nicht verletzt wurde, hat schwerwiegende Konsequenzen für Guerrero: Der Roten Karte folgten gleich acht Spiele Sperre. Erst am Saisonende kam der Stürmer noch einmal zu zwei Einsätzen für den HSV, ehe er im Sommer nach Brasilien zu Corinthians Sao Paulo verkauft wurde.

Skandal des Jahres

Oft fordert Trainer Thorsten Fink von seinen Spielern mehr Aggressivität. Am 12. Juli während der Saisonvorbereitung hätte er sich aber gewiss etwas weniger gewünscht – zumindest von Slobodan Rajkovic. Nach einem verbalen Streit mit Heung-Min Son holte der Serbe zum Schlag auf den Südkoreaner aus, der wich zurück und gab dem unbeteiligten Tolgay Arslan unbeabsichtigt eine Kopfnuss, die eine Platzwunde oberhalb des linken Auges zur Folge hatte. Son reagierte seinerseits mit einem Karate-Tritt in Richtung Rajkovic.

Die Folge: Rajkovic wurde suspendiert, durfte fortan nur noch bei den Amateuren trainieren. Im November begnadigte Fink den Raufbold, doch bevor er wieder zur Bundesliga-Mannschaft stoßen konnte, zog er sich einen Muskelfaserriss zu und fiel einen weiteren Monat aus. Erst auf der Brasilien-Reise im Dezember stand der 23-Jährige erstmals wieder mit den Profis auf dem Platz.

Comeback des Jahres

Es wurde viel diskutiert über die Verpflichtung von Torwart Rene Adler: Jaroslav Drobny sei eine starke Nummer eins. Bei Adler hingegen wisse man gar nicht, ob er nach seiner langwierigen Knieverletzung und einer kompletten Saison ohne Bundesliga-Spielpraxis überhaupt wieder hundertprozentig fit werde. Doch selbst der härteste Kritiker wurde im Laufe der Hinserie überzeugt.

Der 27 Jahre alte Ex-Leverkusener entwickelte sich von Saisonbeginn an zum Leistungsträger und absoluten Rückhalt des HSV. Mit seinen Paraden rettete er dem Team zahleiche Punkte und so war es nicht verwunderlich, dass Bundestrainer Joachim Löw den Schlussmann zuletzt sogar wieder zu einem Länderspiel einlud.

Heimkehr des Jahres

Drei Jahre, von 2005 bis 2008, hatte er die Zuschauer im Volkspark verzückt. Dann wagte Publikumsliebling Rafael van der Vaart den Wechsel zu Weltklub Real Madrid, wo er in zwei Jahren allerdings nie richtig ankam. Auch in London bei Tottenham Hotspur wurde der inzwischen 29-Jährige nicht glücklich und so kehrte der verlorene Sohn in einem Last-Minute-Transfer Ende August wieder zurück nach Hamburg, wo die Fans ihm nach wie vor zu Füßen liegen.

Ein Traumtor und fünf Vorlagen steuerte Heilsbringer van der Vaart seither in der Bundesliga bei, bis ihm ein Muskelfaserriss Ende November frühzeitig in die Winterpause schickte. Für 2013 hoffen die HSV-Fans, dass der Niederländer das Team bis in den Europapokal führt.

Torjäger des Jahres

Als großes Talent hat er schon immer gegolten. Doch spätestens seit diesem Jahr gehört Heung-Min Son zu den Leistungsträgern beim HSV. Mit acht Toren ist der erst 20-jährige Südkoreaner 2012 der erfolgreichste Torschütze der Hamburger. In dieser Saison kam erstmals auch Konstanz hinzu: Bereits sechs Tore hatte der Stürmer nach den ersten zwölf Spieltagen auf dem Konto.

Überragend sein Tor beim 3:2 gegen Dortmund. Enorm wichtig sein Treffer nach Sololauf gegen Hannover in der vergangenen Saison. Tore, die auch den großen Klubs aus der Premier League nicht entgangen ist. Der bis 2014 datierte Vertrag beim HSV soll daher schnellstmöglich verlängert werden.

Aufsteiger des Jahres

Er galt bereits als Pechvogel beim HSV. Tolgay Arslan wurde nach seiner Rückkehr aus Aachen immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen. Mit der Verpflichtung von Rafael van der Vaart war die sportliche Perspektive des zentralen Mittelfeldspielers für Arslan zudem ungünstig.

Doch dann sah Neuzugang Petr Jiracek die Rote Karte, verletzte sich zudem langfristig. Fink ließ Arslan gegen Dortmund auf der Doppelsechs ran - und der 22-Jährige überzeugte mit Selbstbewusstsein, Übersicht und Zweikampfstärke. Arslan eroberte sich einen Stammplatz und ist aus der ersten Elf des HSV kaum mehr wegzudenken. Der Lohn: Die Nominierung für die deutsche U21-Nationalmannschaft.

Tor des Jahres

Im vollen Lauf nahm Marcus Berg den Ball, den ihm Heiko Westermann mit einem langen Pass zugespielt hatte, mit dem rechten Fuß mit. Der Schwede legte sich die Kugel mit der Brust vor, um ihn in einer Bewegung und ohne seinen Sprint zu verlangsamen aus rund 14 Metern über den herausstürmenden Diego Benaglio ins Tor zu lupfen. Es war der 1:1-Ausgleich in der Partie gegen den VfL Wolfsburg am 27. Spieltag der vergangenen Saison.

Und es passt zu der unglücklichen Figur, die Berg seit seiner Verpflichtung im Sommer 2009 beim HSV abgibt, dass die Partie am Ende doch noch mit 1:2 verloren ging. Dennoch: Dieser Treffer war sicherlich das schönste HSV-Tor im Jahr 2012 – wenn auch am Ende eines ohne Wert.

Abschied des Jahres

Es waren bewegende Minuten: Im letzten Heimspiel der Saison 2011/12 gegen den FSV Mainz 05, in dem der HSV mit dem 0:0 den Klassenerhalt sicherte, wurden nacheinander mit David Jarolim und Mladen Petric zwei Publikumslieblinge der vergangenen Jahre ausgewechselt und verabschiedet. Tränen flossen sowohl bei den Spielern als auch bei den Fans.

Petric wechselte zum FC Fulham, Jarolim zog es nach neun Jahren Richtung Frankreich. Zudem endete der Vertrag von Dauerpatient Romeo Castelen. Der junge Türke Gökhan Töre ging für drei Millionen Euro zu Rubin Kasan an und Problemstürmer Paolo Guerrero wurde nach Brasilien verkauft.

Enttäuschung des Jahres

Geholt, verletzt, gesperrt, so könnte man die bisherige HSV-Bilanz von Paul Scharner zusammenfassen. Der 32-Jährige kam im August ablösefrei nach Hamburg und sollte mit seiner Erfahrung eigentlich für Stabilität in der Innenverteidigung sorgen – eigentlich. Denn nur wenige Tage nach seiner Ankunft zog er sich einen Inennbandriss zu uns fiel bis Oktober aus.

Bei seinem Startelf-Debüt im November flog Scharner dann bereits nach 35 Minuten mit Gelb-Rot vom Platz. Unterm Strich kommt der einstige Nationalspieler bis heute mit nur vier Kurzeinsätzen auf insgesamt gerademal 49 Bundesliga-Minuten. Das kann 2013 eigentlich nur besser werden.

Feier des Jahres

Wenn es sonst schon nichts zu feiern gibt, dann feiern wir uns eben selbst – und die Vergangenheit. So hätte das Motto des 125-jährigen Vereinsbestehens auch heißen können. Sportlich nur noch Mittelmaß, Querelen in der Vereinsführung, finanziell angeschlagen – so präsentierte sich der Hamburger SV Ende im September 2012.

Pünktlich zur Gala am Monatsende gab es einen Sieg im Nordderby gegen Hannover 96 und am Abend eine gigantische Gala in der O2-World. „So viele Freunde, so viele schöne Erinnerungen“, sagte ein sichtlich gerührtes Vereinsidol Uwe Seeler über die Veranstaltung mit mehr als 11.000 Fans, zahlreichen Prominenten, reichlich Live-Musik und natürlich einer umfangreichen Reise in die Vergangenheit.

Idee des Jahres

Der Umbruch im Kader reichte nicht aus und so begab sich der HSV auf neue Wege der Geld-Akquise und zeigte hier eine bisher unbekannte Kreativität: Neben den Millionen von Investor Klaus-Michael Kühne, die erst die Rückholaktion um Rafael van der Vaart möglich machten, gab der Klub eine sogenannte Jubiläums-Anleihe aus. Insgesamt 17,5 Millionen Euro investierten die Fans innerhalb weniger Monate. Das Geld soll in einen neuen HSV-Campus im Volkspark investiert werden, anschließend hoffen die Geldgeber auf eine jährliche Verzinsung von sechs Prozent.

Zudem gaben einige zusätzliche Partien ein paar Millionen: Mit der Ausrichtung des Liga-total-Cups, der Partie gegen den FC Barcelona und dem Trip nach Südkorea in der Vorbereitung sowie dem Freundschaftsspiel gegen Gremio Porto Alegre im Dezember, konnte der HSV fast vier Millionen Euro Zusatzeinnahmen verzeichnen.

„Nachricht“ des Jahres

Es war eine Schlagzeile, die Anfang September 2012 für Aufsehen sorgte: „Frank Rost kehrt zurück zum HSV“. Welch ein Paukenschlag, denn mit seiner starken Nummer eins Rene Adler und dem degradierten Jaroslav Drobny hatte der Klub schließlich bereits zwei erstklassige Schlussmänner.

Der einstige HSV-Kapitän, der von Januar 2007 bis Sommer 2011 das Tor des Bundesligisten gehütet hatte, kam allerdings in anderer, durchaus unerwarteter Funktion zurück an seine alte Wirkungsstätte: als Trainer der Frauenmannschaft. Der 39-jährige Rost besitzt inzwischen die A-Lizenz und gehört zu einem vierköpfigen Trainerteam des Drittligisten. Es bleibt abzuwarten, wie lange diese Liaison gut geht.