HSV, St. Pauli und HSV-Handballer müssen sich ehrgeizige Ziele setzen - trotz Krise

Unter Sportjournalisten ist es nach Niederlagen ein beliebter Scherz: Heute können wir nur Bilder in Hochformaten drucken - wegen der vielen langen Gesichter.

An der Fotolage wäre ein solches Vorhaben nach diesem schwarzen Hamburger Sport-Sonnabend keineswegs gescheitert. Es war eine komplette Bankrotterklärung der Hamburger Spitzenklubs binnen acht Stunden: erst das blamable 0:2 des ambitionierten FC St. Pauli bei Energie Cottbus, dann das deprimierende 0:1 des HSV im heimischen Volkspark gegen den 1. FC Nürnberg, schließlich die ernüchternde 26:33-Pleite der HSV-Handballer in Wetzlar.

Zugegeben, die Saison ist für eine erste Bilanz noch viel zu jung. Sorgen sind dennoch sehr wohl gestattet. Um den FC St. Pauli, der als Aufstiegskandidat den Saisonstart mit nur zwei Punkten aus drei Spielen komplett verpatzt. Um die Handballer, deren neu formiertes Team nicht einmal gut genug ist, um bei einem Underdog mitzuhalten. Und natürlich vor allem um den HSV, den Bundesliga-Dino, der schon eine Woche zuvor beim Pokal-Aus in Karlsruhe, einem Drittliga-Klub, richtig alt aussah.

In Krisenzeiten ist es ein typischer Reflex, die Ansprüche den eigenen Leistungen anzupassen. Beim HSV funktionierte dies vergangene Saison so gut, dass die Fans den Nichtabstieg fast wie das Erreichen der Champions League feierten. In der Komfortzone - gerne auch neue Bescheidenheit oder Rückkehr zum Realismus genannt - tut das eigene Versagen dann auch nicht mehr so weh wie die simple Wahrheit: Ein Klub mit den Voraussetzungen des HSV - mit dieser Tradition, diesem wirtschaftlichen Potenzial, diesen treuen Fans und einem der schönsten Stadien Europas - muss schon alles falsch machen, wenn er um den Klassenerhalt bangen muss. Der Etat reicht sogar, um sich mit Jaroslav Drobny (Jahresgage 1,7 Millionen Euro) den teuersten Reservekeeper der Liga zu leisten. Schon deshalb verbieten sich Klagen über finanzielle Zwänge.

Dies gilt ebenfalls - wenn auch unter anderen Vorzeichen - für den FC St. Pauli. Dieser Klub hat das Alternativ-Image mit dem Totenkopf zwar eintätowiert, zählt aber mit seinem Etat, ausverkauften Logen und einem modernen Millerntor-Stadion längst zum Establishment der Zweiten Liga. Trainer André Schubert muss sich daher an der Mission Erstliga-Rückkehr messen lassen - alles andere wäre Augenwischerei.

Die HSV-Handballer wiederum können auch nach dem Teilrückzug von Geldgeber Andreas Rudolph über den zweithöchsten Etat (8,1 Millionen Euro) der Bundesliga verfügen - von den Chancen der Heimspielstätte O2 World ganz zu schweigen.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Sport ist nicht kalkulierbar, Geld schießt und wirft nicht immer Tore, Rückschläge sind erlaubt. Die Hamburger Top-Klubs müssen sich aber Ziele stecken, die ihrem wahren Potenzial entsprechen. Für den HSV ist alles andere als das konsequente Streben in das internationale Geschäft auf Dauer nicht akzeptabel, der FC St. Pauli gehört ins Aufstiegsrennen, die HSV-Handballer zumindest in den Wettbewerb um den zweiten Platz hinter Branchengigant THW Kiel. Wie diese Ziele erreicht werden - ob durch kurzfristige Nachverpflichtungen oder Geduld mit dem Personal -, muss jeder Verein selbst entscheiden.

An den Zielen selbst sollte es keine Zweifel geben. Erst recht nicht in einer Metropole wie Hamburg, die jedes Jahr mit Großveranstaltungen wie den Cyclassics, dem Marathon oder dem Triathlon Hunderttausende mobilisiert und fasziniert. Zu einer Stadt, die sich so gern Sportstadt nennt, gehört das klare Bekenntnis ihrer Spitzenklubs zur Spitze - und nicht zum Mittelmaß.