Heute um 18 Uhr entscheidet Horst Becker, Chef des Aufsichtsrats, über seine HSV-Zukunft. Es wird im Stadion-Restaurant Die Raute getagt.
Hamburg. Den wahrscheinlich letzten Paukenschlag will sich Horst Becker einfach nicht nehmen lassen. Längst hat der Noch-Chef des Aufsichtsrats entschieden, ob er trotz der beißenden Kritik in den vergangenen Wochen Vorsitzender des Kontrollgremiums bleiben will oder nicht. Nur verraten will es der HSVer nicht. Noch nicht. "Ich habe mich bereits entschieden", sagt Becker, "aber ich will meine Entscheidung zunächst meinen Ratskollegen mitteilen." Im Köhler-Käßmann-Koch-Zeitalter sollte man schließlich wissen, wie man seinen Rücktritt am stillvollsten verkündet.
Heute um 18 Uhr ist es also so weit. Erstmals seit dem endgültigen Ende der weitaus weniger stillvollen Dauersuche nach einem Sportchef tagt der komplette Rest-Aufsichtsrat im Stadion-Restaurant Die Raute - und alles andere als ein Nicht-Rücktritt Beckers käme einer kleinen Sensation gleich. Die Schmerzgrenze sei erreicht, hatte Becker bereits vor Wochen kundgetan.
Nachdem er öffentlich für die Posse um seinen Ex-Kollegen Sergej Barbarez, der per E-Mail zurückgetreten ist, und das vorherige Scheitern der Verhandlungen mit Nico Hoogma als möglichem neuen Sportchef, mit dem hinter seinem Rücken einige Ratskollegen weiterverhandelt hatten, verantwortlich gemacht worden war, schien Becker bereits Konsequenzen ziehen zu wollen. Besonders "gezielte und gewollte Indiskretionen" gegen seine Person hätten dem Chefkontrolleur den Spaß an seinem Job genommen. "Wenn sich das ganze Theater wie bei mir inzwischen bis in den familiären Kreis zieht, geht das zu weit", hatte der 69-Jährige nach der Präsentation Bastian Reinhardts gesagt, die ebenfalls auf Kritik stieß. "Ich will alle Punkte ansprechen", kündigt Becker eine offene Aussprache unter den verbliebenen elf Aufsichtsräten für den heutigen Abend an, für dessen Ende wohl sein Rücktritt als Vorsitzender vorgesehen ist.
Völlig offen ist dagegen eine mögliche Nachfolgerschaft Beckers. Während Jörg Debatin und Bernd Enge ein gesteigertes Interesse am Chefposten nachgesagt wird, gilt wegen fehlender Mehrheiten eine Interimslösung mit den beiden Vertretern Alexander Otto und Eckart Westphalen als die wahrscheinlichere Variante. Peter Becker, den sich mehrere Räte als neuen Vorsitzenden vorstellen könnten, dürfte wohl erst nach der Mitgliederversammlung im kommenden Januar, auf der sich neben ihm fünf weitere Räte (Westphalen, Enge, Ronald Wulff, Björn Floberg und ein Barbarez-Nachfolger) zur Wiederwahl stellen müssen, zur Verfügung stehen - und auch nur dann, wenn aus dem zuletzt zerstrittenen Gremium wieder ein verschworenes Dutzend wird. Auch Ian Karan, dem die Rolle des Chefvermittlers im Kontrollgremium ebenfalls von vielen zugetraut wird, will sich für das höchste Amt im Aufsichtsrat derzeit nicht überreden lassen.
Neben der Frage, wer denn nun Vorsitzender wird oder bleibt, wollen die verbliebenen elf Vereinskontrolleure auch die finanziellen Rahmendaten für die kommende Saison klären. Erhöhten Klärungsbedarf gibt es auch bei den Entwicklungen im Projekt "Anstoß", mit dem der Verein Investoren für die Verpflichtung neuer Spieler gewinnen will. Besonders über mögliche Bedingungen eines Investors - im Gespräch ist weiter Klaus-Michael Kühne - erhoffen sich die Ratsmitglieder Aufklärung. Ein informativer Abend dürfte also garantiert sein.