„Die Mannschaft ist in der Pflicht zu punkten“, sagt der HSV-Trainer vor dem Nordduell. In Bremen herrscht verhaltene Euphorie.

Hamburg. Die Nervosität steigt, der Ton bei Bundesliga-Schlusslicht Hamburger SV wird rauher. „Geduld und Zeit können wir jetzt nicht mehr gebrauchen“, sagte Trainer Michael Oenning vor dem brisanten Nordderby gegen Werder Bremen (Sonnabend, 18.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de). „Die Mannschaft ist in der Pflicht, wir müssen punkten.“

Oenning erhöht vor der Partie gegen den Erzrivalen ganz bewusst den Druck auf sein Team. Schließlich geht es auch um seine Zukunft. Das beweist ein Blick in die Vergangenheit.

Seitdem Thomas Schaaf im Mai 1999 in Bremen das Kommando übernommen hat, bewies der HSV einen absurden Verschleiß an leitenden Angestellten. Oenning ist während Werders laufender Schaaf-Ära nach Frank Pagelsdorf, Holger Hieronymus, Kurt Jara, Klaus Toppmöller, Thomas Doll, Huub Stevens, Martin Jol, Bruno Labbadia, Ricardo Moniz und Armin Veh bereits der elfte HSV-Trainer in Amt und Würden. Stetig ist beim HSV nur der Wandel.

Dieser grundverschiedene Umgang mit Kündigungsschreiben ist wohl einer der Hauptgründe, weshalb die Gemütslagen vor der richtungsweisenden Partie unterschiedlicher kaum sein könnten. Auf der einen Seite Werder: Der Streit um die Transferausgaben vor Saisonbeginn ist beigelegt, in Bremen herrscht nach dem überraschend guten Liga-Start (Platz 3) verhaltene Euphorie. Torwart Tim Wiese sagte selbsbewusst: „Hamburg kommt uns gerade recht.“

Tristesse dagegen auf der anderen Seite beim HSV. Die Mannschaft holte bisher einen kümmerlichen Punkt und ist Tabellenletzter. Doch das Schlimmste: Die bisherigen Leistungen geben wenig Anlass zur Hoffnung. Kein Tempo, keine Ideen, kaum Torchancen. Und dazu eine Abwehr, die nach vier Spielen und bereits 14 Gegentreffer diesen Namen eigentlich nicht verdient. Immerhin sagte Kapitän Heiko Westermann: „Wir wissen, was die Stunde geschlagen hat.“

Das weiß auch Oenning. Der 45-Jährige braucht schlicht einen Sieg gegen Werder, um sich aus der Schusslinie zu nehmen. Bei einer erneuten Niederlage könnten sich alle Treueschwüre von Klub-Boss Carl-Edgar Jarchow („Er ist unser Trainer und hat unser Vertrauen“) ganz schnell in Luft auflösen. Der smarte Oenning hat deshalb seine Ansprache an die Mannschaft verschärft: „Ich mahne rigoros an, dass wir bestimmte Dinge auf dem Platz nicht mehr tun.“

Gegen Werder soll ausgerechnet wieder David Jarolim für die vermisste Stabilität im Spiel sorgen. Der Tscheche war nach dem eingeleiteten Umbruch zu Saisonbeginn nicht unumstritten bei Oenning, stand erst am dritten Spieltag gegen Bayern München (0:5) in der Startelf. Mit seiner Erfahrung soll er die junge Mannschaft jetzt führen. „Wenn mir etwas nicht gefällt, dann spreche ich das auch an“, sagte Jarolim vor seinem 300. Bundesligaspiel: „Das ist ein ganz besonderes Spiel. Aber schön wird mein Jubiläum nur, wenn wir am Ende mit drei Punkten wieder nach Hause fahren.“

Eine Einschätzung, die sein Trainer unterschreiben dürfte. Denn bei einer Niederlage wäre Oenning als elfter HSV-Trainer in Schaafs Bremer Amtszeit wohl schneller Geschichte, als ihm lieb sein dürfte.