HSV-Kapitän Heiko Westermann fordert vor dem Spiel gegen Bayern die jungen Spieler auf, Verantwortung zu übernehmen.
Hamburg. In zwei Dingen sind sich beim HSV alle einig: Die Stimmung und der Zusammenhalt im Team seien im Vergleich zur vergangenen Saison besser geworden - das Zusammenspiel jedoch noch nicht. Trainer Michael Oenning mahnt zur Geduld, doch die ist im Bundesliga-Geschäft mitunter knapp.
Das weiß auch Heiko Westermann. Der Kapitän hat sich selbst die "Höchststrafe" aufgebürdet und das 2:2 gegen Hertha noch einmal 90 Minuten auf dem Fernsehschirm laufen lassen. "Mein Eindruck aus dem Spiel hat mich nicht getäuscht - die Partie war wahrlich kein Leckerbissen", sagt der 28-Jährige selbstkritisch. Man habe zwar niemandem den Willen absprechen können, doch fehle es an Automatismen, dem Spielverständnis und den richtigen Laufwegen zur richtigen Zeit. "Wir schaffen es einfach nicht, den ballführenden Gegner ständig mit zwei Mann zu attackieren, zudem sind die Abstände der einzelnen Mannschaftsteile zu groß. Dadurch bekommen wir keinen Druck mehr auf den Ball."
Problem erkannt. Westermann macht sich offensichtlich Gedanken, nicht nur auf dem Platz, sondern auch abseits. Er versucht seiner Rolle als einer der wenigen erfahrenen Spieler gerecht zu werden. Das aber auf seine eigene Art: ruhig, besonnen und mannschaftsdienlich. Ein "Lautsprecher" der Marke Effenberg ist der gebürtige Unterfranke nicht. Der ehemalige Nationaltorwart Oliver Kahn hatte die Führungsdebatte unlängst neu angestoßen. Er könne mit dem Begriff der "flachen Hierarchie" nichts anfangen. Für ihn brauche jedes Team einen "Leitwolf" - ohne ihn blieben Erfolge auf Dauer aus. Dieses Modell ist für Westermann jedoch nicht mehr zeitgemäß. "Die Tendenz geht doch immer mehr dahin, dass die gesamte Mannschaft der Leader ist. Ich bin sicherlich einer der Führungsspieler bei uns, doch jeder hat die Aufgabe, den Mund aufzumachen, selbst wenn er erst Anfang 20 ist."
+++ Menschlich gesehen: Heiko Westermann +++
Gerade in der Viererkette erscheint das zwingend nötig, denn ansonsten wäre es in diesem Mannschaftsteil still auf dem Platz. Seit der Versetzung Westermanns ins defensive Mittelfeld ist Linksverteidiger Dennis Aogo mit 24 Jahren der Oldie in der Abwehrformation, die gegen die zuvor nicht gerade für ihre Offensivabteilung gefürchtete Hertha gehörig ins Schwimmen geriet. Doch die zentrale Verteidigung, aus der die gesamte Defensive mit klaren Kommandos am besten geordnet werden kann, leidet noch unter Sprachbarrieren. Der Engländer Michael Mancienne, 23, spricht bisher nur wenig Deutsch, und auch der Niederländer Jeffrey Bruma, 19, zieht Konversationen auf Englisch vor - Kabinensprache ist beim HSV nach wie vor Deutsch.
Auch gegen die Bayern am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky) wird es wohl bei der Variante mit Westermann im Mittelfeld bleiben. "Ich habe kein Problem mit der Position, habe mich gegen Hertha dort wohlgefühlt", sagt der ehemalige Nationalspieler, der einst auch nach Hamburg gewechselt war, weil er beim HSV einen dauerhaften Platz in der Innenverteidigung in Aussicht gestellt bekam. Mit David Jarolim wird er in München jedoch einen Kollegen an die Seite gestellt bekommen, der ebenfalls den Anspruch hat, das Team zu führen - und diesen bei seinem Kurzeinsatz gegen Berlin durch sein engagiertes Auftreten auch unter Beweis stellte. Westermann macht kein Hehl aus seiner Meinung, dass Jarolim "dem Team guttun" würde. Immerhin wirkte der Tscheche beim Vorbereitungsturnier in Mainz, wo der HSV den Rekordmeister mit 2:1 besiegen konnte, von Beginn an mit.
Das letzte Duell um Punkte in der Allianz-Arena ist allerdings ebenfalls noch in bitterer Erinnerung. Mit 0:6 ließ sich der HSV am 26. Spieltag der vergangenen Saison dort nach gutem Beginn auseinandernehmen, es folgte die Trennung von Trainer Armin Veh. "Eine ähnliche Darbietung schließe ich ganz stark aus, denn damals haben wir uns aufgegeben. Das wird uns dieses Mal nicht passieren", versucht Westermann die Fans zu beruhigen. Er baut vielmehr auf das positive Erlebnis im Liga-Total-Cup. "Wir haben im Hinterkopf, wie es gegen die Bayern funktionieren kann: Kompakt stehen, die Ruhe bewahren und mit Kontern Nadelstiche setzen."
Für solche Nadelstiche kommt auch der zuletzt verliehene und dann verletzte Marcus Berg wieder infrage. Der Stürmer sieht sich gerüstet für einen Kurzeinsatz. "Ich trainiere seit zwei Wochen mit der Mannschaft, bin auf einem guten Weg, es geht immer besser. Wenn der Trainer mich reinwerfen will, bin ich bereit." Auch der Schwede bestätigt, in diesem Jahr viel besser integriert zu sein als in seinem ersten Jahr, die Stimmung im Team sei super. Auch seine Leistung in den kommenden Wochen kann entscheidend dazu beitragen, dass es so bleibt.