Am Donnerstag feiert der frühere HSV-Profi für den FC Sevilla in Hannover sein Debüt. In Spanien hat er vor allem eines gefunden: Anerkennung.

Hamburg/Sevilla. Beim Hamburger SV hatten sie für Piotr Trochowski zuletzt eine ganz bestimmte Schublade reserviert. Schlampiges Genie stand vorn auf dem Kasten geschrieben. Oder auch phlegmatisch, ewiges Talent. So richtig passte es zwischen dem Spielmacher und dem Bundesligisten aus seiner Heimatstadt in sechseinhalb Jahren nur phasenweise. Nach der vergangenen Saison erfolgte die Trennung. Trochowski zog zum FC Sevilla weiter. Das virtuelle Möbelstück mit dem bösen Schubkasten blieb beim Umzug in der Hansestadt. Der Spielmacher wirkt in neuer Umgebung entspannt, locker, fast ein wenig befreit.

„Mir gefällt es in Spanien sehr gut. Ich kannte Sevilla bereits vor meinem Wechsel. Ein Freund von mir hat hier studiert und mir schon die eine oder andere Ecke gezeigt“, schwärmt Trochowski im Gespräch mit der Nachritenagentur dapd von seiner neuen Heimat und fühlt sich auch sportlich pudelwohl: „Es wird fast ausschließlich mit dem Ball trainiert und viel Wert auf Taktik gelegt. Alle Spieler sind technisch sehr gut ausgebildet. Physisch sind die Profis in Deutschland allerdings ein wenig stärker.“

Am Donnerstagabend wird Trochowskis Einschätzung der Probe aufs Exempel unterzogen. Im Playoff-Hinspiel der Europa League reist der Nationalspieler mit Sevilla zu Hannover 96 und bestreitet nur rund 160 Kilometer von Hamburg entfernt sein erstes Pflichtspiel für die Spanier: „Da haben wir eines der schwierigsten Lose erwischt. Hannover hat im vergangenen Jahr eine super Saison gespielt und ist jetzt noch einen Schritt weiter. Das zeigt ihr guter Saisonstart“, sagt Trochowski.

Aber auch Sevillas Kader ist glänzend bestückt – mit den Stürmern Frederic Kanoute und Alvaro Negredo oder Mittelfeldspieler Ivan Rakitic. Der Ex-Schalker wird nach einem Mittelfußbruch zumindest am Donnerstag noch fehlen. Umso mehr muss Trochowski für die kreativen Momente sorgen. In der Vorbereitung gelang dies dem 27-Jährigen schon gut. Selbst die spanische Presse hat ihre Vorliebe für den Deutschen entdeckt. Nach zwei Freistoß-Toren in Testspielen wurde Trochowski in höchsten Tönen gelobt.

Respekt, Anerkennung, Wertschätzung – all dies fehlte dem Mittelfeldspieler in Hamburg oft. In der vergangenen Rückrunde kam er beim HSV nur noch einmal über 90 Minuten zum Einsatz. Der ablösefreie Abschied war da fast vorprogrammiert. Dennoch schaut Trochowski keinesfalls im Zorn zurück. „Ich blicke absolut positiv auf die sechseinhalb Jahre in Hamburg zurück. Jetzt steht der Verein nach dem radikalen Schnitt vor keiner leichten Aufgabe“, meint der gebürtige Pole: „Es gibt viele neue Namen und Spieler. Ich denke aber, dass es diese Veränderungen geben musste. In den vergangenen Jahren ist ziemlich viel schiefgelaufen.“

Doch Trochowskis Gegenwart heißt Sevilla. Mit den Andalusiern will er in die Champions League und sich zudem auch wieder für die Nationalmannschaft empfehlen. „Bei der EM im nächsten Jahr will ich dabei sein. Das wäre eine große Ehre. Das Turnier ist für mich etwas ganz besonderes. Schließlich wurde ich in Polen geboren“, sagt der 35-malige Nationalspieler, dessen Kontakt zu Bundestrainer Joachim Löw zuletzt abriss: „Ich habe das letzte halbe Jahr in Hamburg fast gar nicht gespielt. Also hatte Herr Löw auch gar keine Veranlassung, sich bei mir zu melden.“

Nun gilt es für den Ex-Hamburger mit starken Leistungen Werbung in eigener Sache zu betreiben. Um das Glück in Sevilla vollkommen zu machen, fehlt Trochowski und Ehefrau Melanie nur noch eine eigene Wohnung. Eine neue Schublade soll nicht mit einziehen.