Der HSV kommt zwar durch ein 2:1 in Oldenburg im DFB-Pokal weiter, zeigt aber vor dem Bundesliga-Auftakt in Dortmund Schwächen.
Hamburg. Matthias Kreutzer hatte sich eigentlich auf einen ruhigen Nachmittag gefreut. Bundesliga gegen einen Klub aus der fünften Liga, da sollte nicht viel passieren. Also keine Zusatzschicht für Kreutzer, beim HSV zuständig für die Video-Analyse.
Doch dann kam es wie so oft - ganz anders. Der schwache 2:1-Pokalsieg vor 15 552 Zuschauern beim VfB Oldenburg lieferte genügend Belege, was sich beim HSV ganz schnell ändern muss.
"Wir standen zu weit von den Leuten weg und hatten unglaublich viele Fehler im Aufbauspiel", gab Dennis Aogo zu. "Das war so eine Art Anti-Spiel. Eben genau das Gegenteil von dem, was wir zum Bundesliga-Auftakt am Freitag in Dortmund zeigen müssen. Anschauungsmaterial, was wir verbessern müssen, haben wir jetzt ja genug."
Dieses Material muss Video-Mann Kreutzer nun an Cheftrainer Michael Oenning liefern - eine abendfüllende Aufgabe. Denn neben den Treffern von Heiko Westermann (26.), Mladen Petric (72.) sowie dem zwischenzeitlichen Ausgleich des Oldenburgers Sebastian Ferrulli (34.) zeigte vor allem die Defensive des HSV etliche Szenen, die es zu besprechen gilt. 16 Gegentreffer in zehn Vorbereitungsspielen sowie das Gegentor in Oldenburg verdeutlichen die aktuell größte Schwachstelle des HSV. "Mit unserem Spiel kann ich nicht zufrieden sein", fand Trainer Michael Oenning anschließend deutliche Worte, "wir verlieren insbesondere defensiv noch zu schnell unsere Ordnung. Da werden wir uns gegen Dortmund anders aufstellen müssen."
Und obgleich das Dortmund-Spiel taktisch nicht mit dem in Oldenburg vergleichbar sein wird (Oenning: "In Oldenburg mussten wir das Spiel machen. In Dortmund muss das der BVB."), ist die Defensive noch nicht in der Verfassung, gegen die Dortmunder Stars wie Mario Götze oder Shinji Kagawa zu bestehen. Das Problem: Top-Zugang Jeffrey Bruma steigt erst am Dienstag wieder voll ins Mannschaftstraining ein und ist "eher keine Option für Freitag", wie Oenning ankündigt. Das wiederum bedeutet, dass weiterhin Michael Mancienne und Heiko Westermann die Innenverteidigung bilden. Zwei Spieler, die eher über Zweikampfstärke kommen als durch fußballerische Fähigkeiten bestechen.
Mancienne interpretiert seine Position sogar fast ausschließlich als Ausputzer. Ein kontrolliertes Aufbauspiel ist von ihm ebenso wenig zu erwarten wie von seinem Nebenmann Heiko Westermann. Wenn dann, wie zuletzt häufig, das defensive Mittelfeld mit den zwei Sechsern nicht als Verteil-Station funktioniert, dazu die beiden offensiven Außenspieler kaum Szenen haben, dann gerät die HSV-Abwehr schnell in Nöte und kann sich ob mangelnder fußballerischer Qualität nur selten daraus befreien. "Wir schlagen aus unserer Defensive zu schnell lange Bälle", schimpft Oenning, "dadurch gehen viele Bälle zu schnell verloren." Einzig die beiden Außenverteidiger, Dennis Aogo und Dennis Diekmeier, konnten mit lang gezogenen Sprints für etwas Entlastung sorgen, ließen im Gegenzug allerdings noch zu viele Flanken des Gegners zu.
War der HSV in der vergangenen Saison zumindest phasenweise in der Lage, mit dem ballsicheren und dribbelstarken Zé Roberto die Bälle im Mittelfeld zu sichern und kontrolliert zu verteilen, hapert es bei Gojko Kacar und David Jarolim noch an der Abstimmung. Gerade der Serbe, der letzte Saison immer wieder als Innenverteidiger aushelfen musste, findet derzeit nicht ins Spiel. "Wir haben viel zu viele unnötige Ballverluste", kritisiert Aogo, und einer der Hauptadressaten dürfte dabei Kacar sein. "Es kann noch nicht alles klappen", nimmt Oenning seine "Doppel-Sechs" in Schutz, fordert aber im gleichen Atemzug: "Aber es muss schnell besser werden."
Und die Offensive? Hier wirkte die Lage vor dem Pokalspiel eher hoffnungsfroh. Schließlich brillierte Heung Min Son mit 18 Vorbereitungstreffern, Paolo Guerrero überzeugte bei der Copa América und Mladen Petric hat die Folgen seiner Leistenoperation inzwischen auskuriert. Gegen Oldenburg sorgte der Kroate denn für die Entscheidung - allerdings ohne wirklich zu überzeugen. "Ich fühle mich fit", sagt der Kroate und gesteht: "Aber es ist nach der langen Pause auch klar, dass mir noch einige Prozente fehlen."
Ebenso wie bei Son. Der gefeierte Mann der Vorbereitung hatte sich seinen Pflichtspielstart anders vorgestellt. In Oldenburg fiel er nur durch einen missglückten Fallrückzieher (75.) auf. Video-Mann Kreutzer dürfte allerdings auch bei dem Südkoreaner etliche Szenen finden, die symptomatisch sind für das, was noch nicht stimmt. Und das ist vor dem Duell beim Meister eben doch noch mehr als erhofft.
Oldenburg: Meyer - Wegener, Petersen (78.Ludwig), Littmann, Harings - Burdenski, Löhmannsröben, Köster, Ari - Ferrulli (65.Tschalumjan), Fidan (84.Prießner).
HSV: Drobny - Diekmeier, Mancienne, Westermann, Aogo - Jarolim, Kacar (78.Tesche) - Töre, Son (87.Jansen), Elia - Petric.
Tore: 0:1 Westermann (26.), 1:1 Ferrulli (34.), 1:2 Petric (72.).
Schiedsrichter: Gagelmann (Bremen).
Zuschauer: 15 552 (ausverkauft). Gelbe Karten: Ferrulli, Ari, Löhmannsröben / Jarolim, Diekmeier