Dank eines Treffers von Gerald Asamoah siegten die Kiezkicker mit 1:0 beim HSV - zum ersten Mal seit 33 Jahren. Der Gastgeber überzeugte bis zum Gegentor, fand anschließend aber kein Mittel mehr.

Hamburg. Die "Hamburger Stadtmeisterschaft" ist entschieden: Dank "Derby-Held" Gerald Asamoah hat der FC St. Pauli das 131. Stadtduell gegen den HSV mit 1:0 für sich entschieden und darf sich für den Rest der Saison als Nummer 1 der Hansestadt fühlen. In der 59. Minute gelang Asamoah das Tor des Tages in der Imtech-Arena, der HSV schaffte es anschließend - anders als beim 1:1 im Hinspiel - nicht mehr, zurückzuschlagen. Bis zur Führung hatte der Gastgeber mehr vom Spiel, vor allem in der ersten Halbzeit dominierte der HSV und hatte die besseren Chancen.

"Das ist was ganz Besonders für mich", sagte Asamoah nach dem Spiel, "wir wussten, dass wir eine Chance haben, gegen den HSV zu gewinnen." Die rund 6000 Anhänger unter den 57.500 Fans im Stadion bejubelten den ersten St. Pauli-Sieg im Stadtduell seit 1977 frenetisch und mit Sprechchören für Asamoah, während die HSV-Fans überwiegend fassungslos und mit Pfiffen auf die peinliche Pleite reagierten.

Sichtlich bedient war nach Schlusspfiff auch HSV-Sportchef Bastian Reinhardt. "Das ist der schlimmste Tag, seit ich beim HSV bin. Wenn ich sehe, wie die St.-Pauli-Fans hier bei uns im Stadion feiern, könnte ich kotzen." Ähnlich frustriert war HSV-Kapitän Heiko Westermann: "Nach dem Rückstand haben wir den Kopf verloren und sind nicht mehr zurückgekommen. Die Fans müssen sich jetzt einiges anhören." Trainer Armin Veh sprach von einer "ganz bitteren Niederlage".

Sein Kollege auf der Gegenseite kostete den Sieg dagegen in vollen Zügen aus und gestattete auch seinen Spielern ihre ungetrübte Freude. "Die Jungs werde ich jetzt nicht mehr einfangen können. Ein, zwei Bierchen dürfen sie heute auch trinken", sagte St. Paulis Trainer Holger Stanislawski. Im Spiel seiner Mannschaft hatte er allerdings zu Anfang einige Fehler gesehen. "In der ersten Halbzeit waren wir viel zu ängstlich", befand Stanislawski. "In der zweiten Halbzeit haben wir aber viele gute Sachen gemacht. Wir haben ein Stück Geschichte geschrieben.“ Das fand auch Mittelfeldspieler Matthias Lehmann: "Heute ist Nationalfeiertag für St. Pauli."

Aufsteiger St. Pauli übernahm mit dem Sieg zugleich die Tabellenführung in der Rückrundentabelle und verdrängte im Abstiegskampf mit 28 Punkten Eintracht Frankfurt von Rang elf. Der HSV vergab dagegen drei Tage vor dem nächsten Lokalderby gegen Werder Bremen durch die dritte Heimniederlage wichtige Punkte im Kampf um den internationalen Wettbewerb und bleibt mit 33 Punkten auf Platz sieben hängen. Fast noch schlimmer wird für den HSV allerdings die Häme in der Stadt. Schon im Hinspiel war der HSV nicht über ein 1:1 hinausgekommen.

Das Spiel war ursprünglich bereits vor zehn Tagen angesetzt, musste damals aber wegen Unbespielbarkeit des Rasens infolge sintflutartiger Regenfälle abgesagt werden. Am Mittwoch gab es jedoch keinerlei Probleme mit dem Untergrund.

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Die Gastgeber begannen die Partie mit großem Engagement und dem unbedingten Willen, das Spiel zu bestimmen. St. Pauli kam in der Anfangsphase kaum aus seiner eigenen Hälfte heraus. Die Braun-Weißen verteidigten allerdings geschickt und ließen in der Anfangsviertelstunde keine klare Torchance für den HSV zu. Die beste Gelegenheit war ein Kopfball von Änis Ben-Hatira (14.), der sein Ziel jedoch weit verfehlte. In der 16. Minute scheiterte Heiko Westermann aus kurzer Distanz an Torwart Benedikt Pliquett.

Der 26-Jährige stand überraschenderweise an Stelle von St. Paulis etatmäßiger Nummer eins Thomas Kessler im Tor. Pliquett bestritt damit sein erstes Bundesligaspiel überhaupt. In dieser Saison war er nur bei der Pokalniederlage in Chemnitz zum Einsatz gekommen. Eine Verletzung von Kessler war vor dem Spiel nicht bekannt. "Ich wusste das schon seit fünf Wochen", sagte Pliquett zu seiner Nominierung für das Derby. Der gebürtige Hamburger freute sich ganz besonders über den Coup beim HSV. "Die haben mich damals vom Hof gejagt", sagte Pliquett. Der Erfolg im Stadtduell sei noch bedeutender als der Sieg im "Aufstiegs"-Spiel gegen Fürth.

Die technische und spielerische Überlegenheit des „Bundesliga-Dinos“ brachte auch in der Folge klare Feldvorteile für die Elf von Trainer Armin Veh. Teilweise entwickelte sich Einbahnstraßenfußball in Richtung des St. Pauli-Tores. Die Gäste befreiten sich nur selten, Gegenangriffe waren an den Fingern einer Hand abzuzählen. Für mehr Aufregung sorgten dagegen einige unverbesserliche Fans des Aufsteigers, die Mitte der ersten Halbzeit Feuerwerkskörper in ihrem Block abbrannten und sich anschließend ein Handgemenge mit Ordnern lieferten.

Nach dem Wechsel attackierte der HSV nicht mehr ganz so stürmisch. Es schien so, als wollten die Rothosen die Gäste aus ihrer Hälfte locken, um selbst mehr Platz für Konterangriffe zu haben. Tatsächlich kam so Ze Roberto (49.) zu der bis dahin größten Torchance, als er halblinks von Eljero Elia freigespielt nur das Außennetz traf. In der 53. Minute rettete Pliquett mit einem überragenden Fußreflex gegen Joris Mathijsen.

St. Pauli nutzte die gewonnene Freiheit ausgesprochen geschickt aus und spielte erstaunlich clever. Unmittelbar vor dem Führungstreffer in der 59. Minute musste HSV-Keeper Frank Rost erstmals eingreifen, als sich eine Flanke von Markus Thorandt gefährlich auf sein Tor senkte. Die anschließende Ecke verlängerte Fabian Boll in die Mitte, wo Asamoah schneller reagierte als die HSV-Innenverteidigung und das Leder mit dem Kopf zu seinem sechsten Saisontreffer über die Linie drückte.

Der HSV versuchte in er Folge mit der Einwechslung der zwei Angreifer Jonathan Pitroipa und Paolo Guerrero die zweite Pleite im 16. Bundesligavergleich abzuwehren, den Hamburger Angreifern gelang gegen die gut gestaffelte Pauli-Abwehr aber kein Durchkommen mehr.

Gerald Asamoah und Torwart Pliquett waren die besten Spieler in der aufopferungsvoll kämpfenden St. Pauli-Mannschaft. Beim HSV gefielen Ben Hatira und David Jarolim am besten.

Statistik

Hamburger SV: Rost - Demel, Westermann, Mathijsen, Aogo - Jarolim, Zé Roberto, Jansen (ab 46. Elia), Ben Hatira (ab 72. Pitroipa) - Petric, van Nistelrooy (ab 72. Guerrero);Trainer: Armin Veh.

FC St. Pauli: Pliquett - Thorandt, Zambrano, Gunesch, Volz - Boll (ab 89. Bruns), Lehmann - Kruse, Takyi (ab 58. Ebbers), Bartels - Asamoah (ab 70. Daube); Trainer: Holger Stanislawski.

Schiedsrichter: Günter Perl (Pullach)

Zuschauer: 57.000 (ausverkauft)

Tore: 0:1 Asamoah (59. Minute)

Mit Material von sid