Réne Adler war bis zu seiner folgenschweren Verletzung vor zwei Jahren die deutsche Nummer eins. Heute leidet er noch immer - und greift wieder an.

Pulheim. Als Rene Adler von der Nationalmannschaft und der EM erzählt, schweift sein leidvoller Blick in die Ferne. Der Schmerz ist spürbar. „Ich kenne die Jungs. Ich weiß, wie sie fühlen. Ich weiß, was man in der Vorbereitung macht, am Tag davor, am Spieltag. Das sind Sachen, die vermisst man“, sagt der Mann, der vor der Fußball-WM 2010 in Südafrika die klare Nummer eins im deutschen Tor gewesen war. Dann kamen der Rippenbruch 51 Tage vor dem WM-Start und vor der vergangenen Saison eine Patallasehnen-OP. Zwei schlimme Jahre. Keine WM, und nun auch keine EM. Rückkehr ins deutsche Tor? Ungewiss.

Dessen ist sich Rene Adler bewusst. Hinzu kommen die vielen jungen Keeper, die plötzlich wie Unkraut aus dem Boden schossen: Bernd Leno, der ihn im Rekordtempo bei Bayer Leverkusen vergessen ließ, Marc-Andre ter Stegen (beide 20), Ron-Robert Zieler (23) und natürlich Manuel Neuer (26), der seine Chance in Südafrika ergriff und zu einem der weltbesten Torhüter gereift ist. „Natürlich ist die Konkurrenz größer geworden mit vielen jungen Torhütern. Sie machen einen richtig guten Job“, sagt Adler anerkennend.

Doch kampflos will sich der gebürtige Leipziger nicht geschlagen geben. „Ich denke, ich habe schon bewiesen, was ich kann. Im Endeffekt entscheidet die Leistung. Alles andere wird von alleine kommen“, sagt Adler, der mit seinen 27 Jahren selbst noch ein gutes Stück vom besten Torhüter-Alter entfernt ist.

All seine Hoffnungen setzt Adler in seinen ersten Wechsel als Profi. Nach zwölf Jahren Bayer Leverkusen unterschrieb er im Mai beim Hamburger SV einen Fünfjahresvertrag bis 2017. „Das ist ein Vertrauensbeweis. Das ist mir auch wichtig. Ich bin kein Spieler, der Vereine als Sprungbrett sieht“, sagt Adler.

Beim HSV soll er jährlich rund 2,7 Millionen Euro verdienen. Cent für Cent will Adler seinem neuen Arbeitgeber sportlich zurückzahlen. „Jetzt möchte ich Teil des neuen HSV sein, um wieder europäischen Fußball nach Hamburg zu holen“, sagt er. Dazu sei er bereit, mit jeder Faser. „Körperlich fühle ich mich so fit wie noch nie in meiner Karriere. Wenn man ein Dreivierteljahr Reha macht, sollte das auch so sein“, sagt Adler, „ich denke, ich habe einen Plan und werde jedes Training und jedes Spiel dazu nutzen, um an meine alte Leistung anzuknüpfen.“

Hamburg - das war für Rene Adler mehr oder weniger Neuland, nur das Stadion und das Hotel hatte er bislang von der Hansestadt gesehen. Dies hat sich inzwischen geändert. „Ich war jetzt öfter da, bei Regen und bei Sonne. Ich muss sagen: Hamburg ist bei Sonne eine der schönsten Städte in Europa. Ich komme auch mit der Mentalität gut klar“, berichtet er. Im Juli will er umziehen. Viel Zeit hat er jedoch nicht, denn „am 6. geht es schon in das erste von drei Trainingslagern“.

Bis dahin wird er Schweinsteiger und Co. bei der EM die Daumen drücken, auch wenn es ihn schmerzt. Adler sagt: „Der Titel wäre natürlich das Nonplusultra. Das wäre die Krönung der Entwicklung der letzten Jahre. Ich glaube, das wäre der logische Schritt, der demnächst kommen sollte.“

Und danach will er selbst wieder dazugehören zum erlauchten Kreis, denn: „Die Rückkehr in die Nationalmannschaft ist eines meiner großen Ziele. Ich bin mit so viel Leidenschaft dabei. Für mich ist es immer das Größte, für mein Land zu spielen.“ Jetzt muss nur noch der Körper mitmachen... (sid/abendblatt.de)