HSV-Stürmer Paolo Guerrero sitzt weiter in Lima fest. Aus Hamburg erhält er jegliche Unterstützung - womöglich auch psychologische Hilfe.
Hamburg. Paolo Guerrero wird in der Mannschaft ernst genommen. Als Fußballer. Ansonsten gilt der Freund schriller Klamotten und teurer Autos eher als Spaßvogel. Als einer, der gern mal andere Spieler auf die Schippe nimmt. Doch all das zählt momentan nicht. Insbesondere nicht heute. Denn an diesem Mittwoch unternimmt der peruanische HSV-Torjäger, der wegen seiner starken Flugangst zuletzt drei Mal den geplanten Abflug aus seiner Heimatstadt Lima erst in letzter Minute verpasste, einen erneuten Versuch, nach Hamburg zurückzukehren.
Zusammen mit seinem Cousin Martin Rojas, für den der HSV ein Einreisevisum besorgt, versucht der Rekonvaleszent ein weiteres Mal, seine Ängste zu besiegen. "Wenn es nicht geht, müssen wir uns andere Schritte überlegen", so Bruno Labbadia vorsichtig. Der HSV-Trainer vermag nichts Lustiges an der Problematik seines Spaßvogels zu finden. Im Gegenteil. Immer wieder mahnte er zum vorsichtigen Umgang mit Guerreros Problem, das dem HSV schon seit Wochen bekannt ist. "Wir haben zuletzt extra den Druck rausgenommen", so Labbadia, der sogar Robert Enkes tragischen Tod als Lernbeispiel heranzog: "Wir können nicht bei Robert so tun, als würde die Welt stillstehen und jetzt alles wieder wie vorher machen. Wir als Verein maßen uns nicht die Kompetenz an, zu sagen, wie er sein Problem bezwingen kann."
Sollte es heute wieder nicht mit Guerreros Rückflug klappen - eine Rückholaktion per Schiff wird vom Verein derzeit ausgeschlossen - wird der HSV anschließend professionelle, psychologische Hilfe heranziehen. Zuletzt hatte der Klub Guerreros engsten Vertrauten im Verein, Teammanager Marinus Bester, nach Lima geschickt. "Marinus war lange dort, konnte sich in die Familie einleben und Hilfe bieten."
Die Abflugversuche am Montag, Mittwoch und am Freitag scheiterten dennoch. Bester: "Man ist ja geneigt, bei Paolo zweimal hinzuhören, bevor man etwas ernst nimmt. Aber wer so etwas sieht, der lacht ganz sicher nicht mehr. Paolo saß beim ersten Versuch im Flieger und hatte seinen Kopf auf die Knie gestützt. Das war schon sehr skurril. Er war sogar so aufgeregt, dass er kaum atmen konnte", berichtet der Teammanager. "Dadurch sind dann die Stewardessen auf ihn aufmerksam geworden und haben auf ihn eingeredet. Selbst der Pilot kam und sagte, dass nichts passieren kann", erzählt Bester, "aber irgendwann musste eine Entscheidung her. Und da ist er ausgestiegen." Zum zweiten Versuch habe Guerrero nicht mal mehr den Flieger bestiegen und beim dritten Mal die Hilfe von beruhigenden Medikamenten abgelehnt.
Und so lächelt Guerrero vorerst weiter nur für Fotos in seiner Heimatstadt Lima, wo er wie ein Popstar gefeiert wird. Bester: "Überall, wo er auftauchte, standen sofort acht, neun Leute um ihn herum und machten Fotos." Guerrero bekommt vom HSV Zeit. Und jede erdenkliche Unterstützung. Für die Optimierung seines Rehatrainings nach dem Kreuzbandriss soll sich - sofern die Rückreise erneut scheitert - ein persönlicher Trainer vor Ort kümmern.
Schließlich setzt der HSV trotz aller Probleme weiter auf den Verbleib des Peruaners, wie Labbadia abschließend klarstellt: "Fakt ist, dass wir einen Spieler von der Qualität im Sommer ablösefrei nicht bekommen." Auch bei der Verhandlung über eine Verlängerung des auslaufenden Vertrages gibt der HSV seinem Problemfall Zeit. Bis er endlich wieder in Hamburg ist.