Hamburg/Nantes. Kurz vor Weihnachten sieht sogar das Corpus Delicti ganz friedlich aus - etwas zerknittert, aber harmlos. Doch so zurückhaltend, wie sich die wohl berühmteste Papierkugel der Welt Besuchern im Werder-Museum präsentiert, so angrifflustig verhielt sie sich am 7. Mai diesen Jahres, als sie - mit voller Absicht - Fußballgeschichte schreiben sollte. Und selbst mehr als 1000 Kilometer vom Tatort entfernt kann Pechvogel Michael Gravgaard die Kugel, die sein Leben verändern sollte, auch heute nicht vergessen.
Der Innenverteidiger, der in der vergangenen Rückrunde vom HSV aus Nantes ausgeliehen war, erinnert sich nur ungern an die 82. Minute im Rückspiel des Uefa-Cup-Halbfinals des HSV gegen Werder. "Es war sicherlich nicht der schönste Moment in meiner Karriere", untertreibt Gravgaard sieben Monate später. Die Geschichte ist bekannt und schnell erzählt: Kurz vor der Torauslinie verspringt der Ball durch den bereits erwähnten Fetzen Papier so unglücklich, dass der Däne eine Ecke verschuldet. Die folgende Flanke vollendet der mittlerweile in Rente gegangene Frank Baumann zum 3:1. Werder gewinnt 3:2, der HSV ist raus.
"Ich glaube, dass es besser ist, wenn diese Papierkugel für immer im Museum bleibt", sagt Gravgaard, der auch nach dem Spiel kein Glück mehr haben sollte. Erst wurde der Leihvertrag nicht verlängert, dann plagte er sich mit einer hartnäckigen Fußverletzung über Monate, nun droht sogar das vorzeitige Karriereende. "Ich versuche weiterhin positiv zu denken, bin aber auch Realist", sagt der 31-Jährige, der die Neuauflage des Derbys am Sonntag im Fernsehen verfolgen will. Sein einziger Trost: Eine Papierkugel wird das Spiel diesmal aller Wahrscheinlichkeit nach nicht entscheiden.