Fast hätte es gereicht: Kroatien hatte Europameister Spanien am Rand einer Niederlage, ging in den Schlussminuten aber selbst K.o. Das mit so großen Hoffnungen angereiste Team von Slaven Bilic muss nun nach Hause – und für den Trainer ist auch Schluss.
Danzig. Den Schuldigen für das bittere Vorrunden-Aus bei der Fußball-EM hatten Kroatiens niedergeschlagene Spieler und die Medien in der Heimat schnell ausgemacht. Nach dem unglücklichen 0:1 gegen Welt- und Europameister Spanien wurde Schiedsrichter Wolfgang Stark zum Buhmann erklärt. Selbstkritische Töne hörte man von den selbstherrlichen Balkan-Kickern dagegen nicht, dabei hatten sie es doch selbst in der Hand gehabt, den großen EM-Favoriten aus dem Turnier zu werfen.
„Ich habe nicht geglaubt, dass das mein letztes Spiel mit der Nationalmannschaft ist“, jammerte Trainer Slaven Bilic. Bereits in ein paar Tagen und damit früher als gehofft tritt der Ex-Profi des Karlsruher SC seinen neuen Job bei Lokomotive Moskau an. „Wir haben unser Ziel nicht erreicht, aber wir können trotzdem stolz sein, was wir in dieser schweren Gruppe erreicht haben“, zog Bilic letztmals als Nationaltrainer Bilanz.
Statt zum dritten Mal in ihrer noch kurzen Fußball-Geschichte in einem EM-Viertelfinale aufzuspielen, müssen die „Kockasti“ nun die Koffer packen. Zum Sündenbock wurde Deutschlands Top-Schiedsrichter Stark gestempelt, der den Kroaten in der ersten Halbzeit einen Elfmeter verweigert hatte. „Wir sind bestohlen worden. Der Blindfisch hat den Elfer nicht gesehen“, tobte Innenverteidiger Vedran Corluka vom Bundesligisten Bayer Leverkusen lautstark.
„Jeder sagt, das war ein Foul gegen Mandzukic“, stimmte auch Bilic in den Chor der Kritiker ein. Mindestens ebenso spielentscheidend war jedoch die Szene in der 59. Minute, als Ivan Rakitic aus fünf Metern völlig unbedrängt zum Kopfball kam, Spaniens Keeper Iker Casillas jedoch in Weltklasse-Manier abwehrte. „Ich habe wahrscheinlich eine schlaflose Nacht“, stöhnte der Ex-Schalker über die vergebene Chance. „Solche Möglichkeiten muss man verwerten“, sagte Bilic.
Sein ausgeklügelter Plan wäre gegen den Titelverteidiger beinahe aufgegangen. Über eine Stunde lang neutralisierten die kampfstarken Kroaten die Spanier clever und ließen diese nie ihren klassischen Kurzpass-Wirbel aufziehen. „In den letzten 30, 20 Minuten wollten wir dann mehr riskieren und attackieren“, verriet Bilic im Nachhinein. Dass die Taktik gegen „das beste Team der Welt“ nicht ganz aufging, lag unter anderem an Stark.
Auch die kroatischen Medien prügelten verbal auf den Referee aus Ergolding ein. „Schiedsrichter Stark hat Kroatien rausgeworfen“, titelte die Zagreber Zeitung „Jutarnji list“. Das Blatt „Danas“ fragte: „Wurden wir bestohlen?“.
Am Ende setzte es durch das späte Tor von Jesús Navas sogar eine bittere Niederlage. Trotz aller Enttäuschung darüber waren die Kroaten zurecht stolz auf ihre Leistung während des gesamten Turniers und speziell gegen Spanien. „Wir haben brillant verteidigt“, sagte Danijel Pranjic vom FC Bayern München. „So lange es 0:0 stand, hatten wir unsere Chancen aufs Weiterkommen. Leider hat das nicht geklappt.“ Der scheidende Bilic sagte seinen Schützlingen eine große Zukunft voraus: „Wir haben ein tolles Team. Man wird noch einiges von uns sehen.“
Pressestimmen
Spanien
AS: „Der heilige Iker aus Spanien. Casillas rettet Spanien vor dem Aus. Ein Kampf um den Tod in der zweiten Hälfte. Navas macht Spanien zum Gruppenersten.“
Marca: „Der Keks bleibt im Ofen. Für Spanien war es in keiner Minute leicht. Bilic lehrt dem Titelverteidiger mit seinem Doppel-Wechsel das Fürchten. Casillas breitet aber seine Flügel aus.“
Kroatien
Jutarnji List: „Die Feurigen sind ausgeschieden – Jesus Navas und Schiedsrichter Stark haben Kroatien aus dem Turnier geworfen, Rakitic ist der tragische Held.“
Slobodna Dalmacija: „Stark hat Kroatien aus dem Wettbewerb geworfen.“
Die Statistik
Kroatien: Pletikosa/FK Rostov (33 Jahre/94 Länderspiele) - Vida/Dinamo Zagreb (23/11) ab 66. Jelavic/FC Everton (26/22), Corluka/Bayer Leverkusen (26/57), Schildenfeld/Eintracht Frankfurt (27/15), Strinic/Dnjpr Dnjpropetrowsk (24/20) - Vukojevic/Dynamo Kiew (28/41) ab 81. Eduardo/Schachtjor Donezk (29/50), Rakitic/FC Sevilla (24/44) - Srna/Schachtjor Donezk (30/94), Modric/Tottenham Hotspur (26/57), Pranjic/Bayern München (30/45) ab 66. Perisic/Borussia Dortmund (23/13) - Mandzukic/VfL Wolfsburg (26/32). - Trainer: Bilic
Spanien: Casillas/Real Madrid (30/134) - Arbeloa/Real Madrid (29/38), Pique/FC Barcelona (25/42), Ramos/Real Madrid (26/89), Alba/FC Valencia (23/8) - Xavi/FC Barcelona (32/112) ab 89. Negredo/FC Sevilla (26/11), Busquets/FC Barcelona (23/42), Alonso/Real Madrid (30/99) - Silva/Manchester City (26/61) ab 73. Fabregas/FC Barcelona (25/66), Torres/FC Chelsea (28/96) ab 61. Navas/FC Sevilla (26/19), Iniesta/FC Barcelona (28/67). - Trainer: del Bosque
Schiedsrichter: Wolfgang Stark (Ergolding)
Tor: 0:1 Navas (88.)
Zuschauer: 39.076
Beste Spieler: Modric, Schildenfeld - Casillas, Xavi
Gelbe Karten: Corluka, Srna, Strinic, Mandzukic, Jelavic, Rakitic -
Torschüsse: 7:15
Ecken: 4:11
Ballbesitz: 33:67 Prozent