Seit 2006 ist Joachim Löw verantwortlicher Bundestrainer. Nun plant der 52-Jährige den großen Coup bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine.
München. Zweiter bei der EURO 2008, Dritter bei der WM 2010 - diesmal soll der ganz große Wurf gelingen. „Die Sehnsucht nach einem Titel ist bei uns allen so groß wie noch nie“, sagt Bundestrainer Joachim Löw vor der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine mit aller Deutlichkeit.
Die Erfolgsserie in der EM-Qualifikation mit zehn Siegen und die neue Spielkultur im deutschen Fußball werden nicht viel wert sein, wenn es beim Turnier schiefgeht. Löw wird beweisen müssen, dass er mit der deutschen Nationalmannschaft nicht nur schön spielen, sondern auch Pokale gewinnen kann.
Leicht irritiert hatte der Bundestrainer deshalb zuletzt zur Kenntnis genommen, dass er vom Fachmagazin kicker zum Mann des Jahres 2011 erhoben wurde. In einem Jahr ohne Turnier, also auch ohne Titel.
2012 soll deshalb das Jahr werden, in dem sich Joachim Löw endlich für seine jahrelange Akribie belohnt. 2012 soll es klappen, muss es fast klappen. Als großer Nationaltrainer wird nur der in Erinnerung bleiben, der Titel nach Hause bringt. „Ich freue mich auf die EM“, sagt Löw trotz des täglich steigenden Drucks, „ein Turnier kostet zwar viel Kraft und Energie, aber über allem steht die Herausforderung“. Sie lautet: Spanien stürzen, Europameister werden!
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Um diese große Aufgabe zu meistern, hat der 51-Jährige, seit der WM 2006 in der Verantwortung, inzwischen gelernt, Arbeit abzugeben. „Ich habe inzwischen gelernt, Verantwortung zu delegieren“, betont Löw. Einige Mitarbeiter seien in manchen Bereichen besser als er. „Denen vertraue ich. Meine engsten Mitarbeiter im Trainerteam kennen alle meine Stärken und Schwächen. Es gibt Menschen, die mir Energie geben, wenn ich mich schwach fühle.“
Vor allem nach den Turnieren gebe es Phasen, verriet Löw, in denen er eine gewisse Fußball-Müdigkeit verspüre. Da falle man manchmal aus dem Gleichgewicht. Löw selbst habe deshalb im Laufe seiner Karriere gelernt, „das Telefon mal abzuschalten“ und nicht für die Anerkennung anderer zu arbeiten.
Ein anderes Problem für einen Trainer sei, so der Bundestrainer weiter, „du hast ein Spiel gewonnen, die Mannschaft hat geglänzt. Ein Trainer kann sich darüber nur kurz freuen, weil dann sofort die nächste Aufgabe ansteht. Es fehlt die Zeit, alles zu genießen.“ Entsprechend nimmt sich Löw seine Auszeiten zwischen den Länderspielen, in denen er in Freiburg auch einmal das Leben ohne Fußball genießt.
Die sind gerade vor einem Turnier aber sehr selten. Seit Wochen ist Löw damit beschäftigt, die deutsche Elf auf die Mission EM-Titel vorzubereiten. Die Experten sind aber schon im Vorfeld von der Arbeit des Bundestrainers begeistert. „Jogi hat es geschafft, mit kultiviertem und zielorientiertem Fußball in Verbindung mit unserem Tugenden verlorenes Ansehen zurückzugewinnen“, lobt Günter Netzer.
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Auch international ist die Anerkennung für Löw riesig. „Deutschland hat derzeit das beste Team Europas, sehr jung, sehr kreativ“, würdigt stellvertretend UEFA-Präsident Michel Platini.
Löw steht für einen neuen deutschen Fußball-Stil. Deshalb kritisierte er unlängst auch einige Bundesligisten, die jährlich einige Male ihre Philosophie ändern würden. An die Trainer äußerte er zudem „den Wunsch, dass sie auch einen gewissen Mut haben, vorbehaltlos auf junge, gut ausgebildete Spieler zu setzen“.
Der Bundestrainer, der in seiner Amtszeit in 76 Länderspielen nur elf Niederlagen hinnehmen musste, hat es vorgemacht und steht deshalb auch bei vielen Klubs auf dem Wunschzettel. Einen Wechsel kann sich Löw irgendwann einmal „sehr wohl vorstellen“. Bis zur WM 2014 in Brasilien, nach der sein Vertrag beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) ausläuft, sei dies aber „kein Thema“. Sein Weg mit der DFB-Auswahl sei „noch nicht zu Ende“.
Der letzte große Titel der Nationalmannschaft liegt 16 Jahre zurück. Am 30. Juni 1996 schoss Oliver Bierhoff mit seinem Golden Goal Deutschland zum 2:1 nach Verlängerung gegen Tschechien im Wembleystadion von London. Damit ist Deutschland mit drei Titeln Rekord-Europameister, gefolgt von Frankreich und Spanien, die jeweils zweimal diesen Titel gewannen. (sid/abendblatt.de)