Bochum. Die ungewisse Situation um Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg belastet die DFB-Frauen. Dabei geht es gegen Island in Bochum um viel.
Eine Aufbruchstimmung wie unter dem neuen Bundestrainer Julian Nagelsmann bei den Männern könnten die deutschen Fußballerinnen auch gut gebrauchen.
Vor dem so wichtigen zweiten Nations-League-Spiel gegen Island am Dienstag (18.15 Uhr/ZDF) in Bochum macht der Schwebezustand mit der Erkrankung von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg allen zu schaffen. „Mit dem ganzen Drumherum ist es keine einfache Situation“, sagte Abwehrchefin Marina Hegering.
Für Torhüterin Merle Frohms geht es vor allem darum, nach dem 0:2 zum Auftakt am Freitag in Dänemark, „die negativen Emotionen rauszulassen. Dann ist auch das Wie erst mal zweitrangig, sondern es zählt nur ein Sieg.“ Nur der Gruppenerste darf am Ende weiter um die Olympia-Qualifikation für Paris 2024 kämpfen. „Jetzt stehst du mit dem Rücken zur Wand. Ab jetzt gilt es, alle Spiele zu gewinnen“, sagte Frohms' Wolfsburger Teamkollegin Hegering. Wenn das deutsche Team wie schon 2021 in Tokio erneut Olympia verpasst, droht den Vize-Europameisterinnen eine lange Durststrecke bis zur EM 2025 in der Schweiz.
DFB-Frauen nicht mehr in der Weltklasse
Bei der WM hatten die Frauen in Australien ebenso ein blamables Vorrunden-Aus hingelegt wie die Männer zuvor in Katar. Für beide Auswahl-Teams gilt: Sie gehören nicht mehr zur absoluten Weltspitze - wobei der Absturz von Kapitänin Alexandra Popp und Co. nur ein Jahr nach der begeisternden EM in England noch steiler ist.
Möglicherweise letztmals als Chefin bei den Frauen gefordert ist Britta Carlson. Die Assistentin und Vertreterin Voss-Tecklenburgs hatte schon erklärt, dass sie nicht Nationaltrainerin werden will. Die Rückkehr der Bundestrainerin (Vertrag bis 2025) wiederum ist ungewiss. Die 55-Jährige äußert sich weiter nicht öffentlich zu ihrem Gesundheitszustand. Und der Deutsche Fußball-Bund mit Bernd Neuendorf an der Spitze? Ist im Gegensatz zur Amtseinsetzung von Nagelsmann, der nur zwölf Tage nach der Trennung von Hansi Flick als neuer Verantwortlicher bei der Männer-Nationalmannschaft präsentiert wurde, in seinen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt.
„Es gibt keine zeitliche Grenze bei einer Krankschreibung. Wenn jemand krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist, dann ist das so“, erklärte Arbeitsrechtler Martin Gutzeit von der Justus-Liebig-Universität in Gießen den Kündigungsschutz für Erkrankungen wie im Fall Voss-Tecklenburg. „Das Arbeitsrecht gilt auch für den DFB. Wenn der Vertrag von Martina Voss-Tecklenburg befristet ist, dann kann er grundsätzlich nicht ordentlich gekündigt werden.“
WM-Analyse noch nicht abgeschlossen
Dennoch ist klar, dass die DFB-Frauen diesen „Rucksack“ (Carlson) nicht mehr lange mit sich herumschleppen können und wollen. „Ich würde mir Klarheit für alle wünschen, damit Deutschland wieder so erstarken kann, wie es vorher war“, sagte selbst die ansonsten zurückhaltende Carlson.
Theoretisch könnte Voss-Tecklenburg am 27. Oktober in Sinsheim gegen Wales und am 31. Oktober in Island auf die Bank zurückkehren - das gilt aber als unwahrscheinlich. Die WM-Analyse ist immer noch nicht abgeschlossen, weil die Bundestrainerin dabei fehlt. Dass es dabei Kritik von Spielerinnenseite an Voss-Tecklenburg setzte, gilt mittlerweile als unstrittig.
Mit Island - derzeit 14. in der FIFA-Weltrangliste und bei der WM in Australien nicht dabei - verbindet die deutsche Frauen-Auswahl übrigens auch eine schlechte Erinnerung: Nach dem EM-Viertelfinal-Aus gegen Dänemark 2017 vergeigte die damalige Trainerin Steffi Jones danach das WM-Qualifikationsspiel in Wiesbaden gegen Island (2:3) und musste ein paar Monate später ihren Platz für Horst Hrubesch frei machen. Der Kurzzeitcoach wurde dann im November 2018 von Voss-Tecklenburg abgelöst.