Hamburg. “Es geht um die Zukunft des Fußballs“, sagt HSV-Boss Hoffmann vor den Wahlen am Mittwoch. St. Paulis Chef spricht von “Verantwortung“.
Man muss schon ganz genau hinschauen, um auf der Homepage der Deutschen Fußball Liga (DFL) das Gesuchte zu finden. Unter dem Unterpunkt „Aktuelles“ kann man erst an vierter Stelle den entsprechenden Hinweis zur mit Spannung erwarteten DFL-Generalversammlung am kommenden Mittwoch in Berlin lesen: „Wahlvorschläge stehen fest“, wird hier ganz nüchtern vermeldet. Was in der unprätentiösen Meldung nicht steht, bringt Bernd Hoffmann mit dem entsprechenden Trommelwirbel auf den Punkt: „Es geht um die Zukunft des Fußballs.“
Öffentlich will der HSV-Vorstandschef nicht viel mehr zu den durchaus kompliziert anmutenden Wahlen des Präsidiums der DFL e.V., dem Lizenzierungsausschuss und dem Aufsichtsrat der DFL GmbH sagen. Hinter verschlossenen Türen haben Hoffmann und all die anderen Kandidaten in den vergangenen Tagen und Wochen dafür umso mehr über die Wahlen gesprochen, die tatsächlich einen erheblichen Einfluss auf die Ausrichtung des deutschen Fußballs der kommenden Jahre haben könnten.
Christian Seifert ist bereits Vorsitzende der DFL-Geschäftsführung
Sprecher des Präsidiums wird Christian Seifert, der bereits Vorsitzender der DFL-Geschäftsführung, Mitglied des Ligavorstands und Vizepräsident des DFB ist und den der „Kicker“ kürzlich als „Christian allmächtig“ bezeichnete. Der „mächtigste Mann des deutschen Fußballs“ (WAZ) soll vor allem die Internationalisierung und die Professionalisierung der Bundesliga im Blick haben – im Zweifelsfall auch auf Kosten der Zweitligisten. Ob und wie konsequent Seifert seine Visionen umsetzen kann, hängt aber auch von den Wahlen am Mittwoch ab. So lässt sich Schalkes Peter Peters, ein Vertrauter Seiferts, ohne Gegenkandidaten zum ersten Stellvertretenden Sprecher des DFL-Präsidiums wählen. Für die Position des zweiten stellvertretenden Sprechers kandidieren Bremens Klaus Filbry und Freiburgs Oliver Leki.
Die zentralen Themen, die von den neu gewählten Gremien entschieden werden, sind eine neue Verteilung und Ausschüttung der TV-Millionen ab 2021, eine neue DFL-Struktur und ein neuer Grundlagenvertrag ab 2023. Doch was sich so technokratisch anhört, kann auch heruntergebrochen werden: Im Kern geht es um die Fragen, ob Bayern und Dortmund perspektivisch bessere Chancen bekommen, mit Manchester City, Paris Saint Germain und Real Madrid zu konkurrieren. Oder ob der 18. der Bundesliga auch zukünftig noch den Meister schlagen kann. Beides zugleich wird in naher Zukunft kaum noch möglich sein.
Die Gefahr: Wenige Clubs schaffen sich ein selbsterhaltendes System
„Wir und alle anderen Bundesligaclubs tragen durch den Wettbewerb in der Liga dazu bei, dass die besten Clubs im Europapokal überhaupt konkurrenzfähig sind. Wenn man das nicht mitbedenkt, dann finde ich das kurzsichtig“, kritisierte kürzlich Jan Lehmann, kaufmännischer Vorstand des FSV Mainz 05, in einem Interview mit der „FAZ“. So hätten vor nicht einmal einem Jahrzehnt der Erste der TV-Geld-Tabelle das 2,3-Fache des Achtzehnten bekommen. In der vergangenen Saison wäre es bereits das 3,9-Fache gewesen. Lehmanns Fazit: „Die Schere geht extrem weit auseinander.“ Und noch deutlicher: „Die Gefahr ist, dass sich wenige Clubs quasi ein selbsterhaltendes System schaffen.“
Eine Gefahr, die auch Hoffmann und vor allem St. Paulis Oke Göttlich bannen wollen. Denn so fundamental unterschiedlich die beiden Clubchefs auch daherkommen, so ähnlich ist ihr zentrales Anliegen, für einen größeren Wettbewerb in Deutschlands Eliteligen zu sorgen. „Wir als FC St. Pauli haben in den vergangenen viereinhalb Jahren innerhalb der DFL eher eine Oppositionsrolle eingenommen und viel erarbeitet. Jetzt wollen wir auch Verantwortung übernehmen“, sagte Göttlich schon vor einem knappen Monat, als herauskam, dass er und Hoffmann gleich bei drei Wahlen am kommenden Mittwoch gegeneinander antreten könnten.
Ob das aber wirklich passiert, wird sich bei der Generalversammlung schon früh entscheiden. Denn: Nur wenn Hoffmann die für ihn so zentrale Wahl zum dritten stellvertretenden Sprecher des DFL-Präsidiums gegen Holstein Kiels Präsidenten Steffen Schneekloth verliert, könnte es im späteren Verlauf zum Duell mit Göttlich kommen. Zunächst heißt es aber Hoffmann gegen Schneekloth statt Hoffmann gegen Göttlich. „Ich bin im Oktober 2018 (...) ins DFL-Präsidium gewählt worden. Die Arbeit in diesem Gremium sowie die Zusammenarbeit mit den Vertretern der Zweiten Liga war offenbar so zielführend und vertrauensvoll, dass die Zweitliga-Vertreter Rüdiger Fritsch und mich vorgeschlagen und gebeten haben, auch im neuen Präsidium des DFL e. V. zur Verfügung zu stehen“, sagt der in der Zweiten Liga bestens vernetzte Schneekloth dem Abendblatt. „Ich möchte das Augenmerk darauf legen, dass die 36 Proficlubs unter dem Dach der DFL weiter den Gedanken der Solidarität leben.“
Hoffmanns Chancen dürften steigen
Gewählt wird der dritte stellvertretende Sprecher des DFL-Präsidiums allerdings nicht nur von der Teilversammlung der Zweiten Liga, sondern von allen 36 Vertretern der Generalversammlung. Damit dürften Hoffmanns Chancen im erheblichen Maße steigen. Doch Hoffmann wäre nicht Hoffmann, wenn er sich nicht einen Notfallplan zurechtgelegt hätte. So will der HSV-Chef im Falle einer Niederlage gegen Schneekloth um einen von zwei Präsidiumsposten antreten, die durch die Teilversammlung der Zweiten Bundesliga gewählt werden. Sollten er (oder Göttlich) auch hier unterliegen, blieben immer noch zwei Wahlen für den Aufsichtsrat der DFL.
Für Hoffmann, der am Mittwoch gemeinsam mit HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein nach Berlin reist, dürfte es bei den Wahlen neben den inhaltlichen Fragen auch um das Prestige gehen. Immerhin wäre er das erste DFL-Präsidiumsmitglied aus Hamburg seit dem 2007 verstorbenen Ex-HSV-Chef Werner Hackmann. Zuletzt war lediglich der geschasste Ex-Marketingvorstand Joachim Hilke im Beirat der DFL Enterprise – und hatte sich als Mitglied des selbst ernannten „Team Marktwert“ für neue Vergabekriterien bei den Fernsehgeldern zugunsten von Traditionsclubs eingesetzt. Ein Vorhaben, dem Hoffmann im Übrigen so gar nichts abgewinnen kann.