München. Zehn Münchner retten sich gegen Zweitligist Heidenheim mit 5:4 ins Halbfinale. Dorthin hat es auch Werder Bremen geschafft.
Thomas Müller hüpfte nach der irren Pokalschlacht vor den Fans auf und ab, immer wieder schüttelte Bayern Münchens Stürmer dabei fassungslos den Kopf. "Ich weiß gar nicht, wie ich dieses Spiel einordnen soll. Es war verrückt", sagte der Weltmeister nach dem Neun-Tore-Drama für die Geschichtsbücher. Mit 5:4 (1:2) setzten sich die Bayern nach 90 furiosen Minuten gegen den tapferen Zweitligisten 1. FC Heidenheim durch und quälten sich mit letzter Kraft ins Halbfinale.
"Unfassbar. Dass wir eine harte erkämpfte 4:2-Führung wieder hergeben, kann uns natürlich nicht gefallen", sagte Müller nach der denkwürdigen Partie, die alles zu bieten hatte: Erst 1:0, dann Rot gegen Niklas Süle, 1:2, plötzlich 4:2, 4:4, 5:4 – langweilig wurde es den 75.000 Zuschauern nie. Erst Robert Lewandowski sorgte in der 84. Minute per Handelfmeter für die Entscheidung. Eine Bewerbung für einen Sieg gegen Borussia Dortmund im Topspiel am Sonnabend war dieser Abend aber keineswegs.
Auch wegen einer über 75-minütigen Unterzahl ließ Bayern jede Souveränität vermissen und erreichte die Runde der letzten Vier letztlich nur dank seiner individuellen Klasse. Zur Pause lag sogar eine Sensation in der Luft. "Die Jungs haben ihre Seele auf dem Platz gelassen", sagte Heidenheims Torhüter Kevin Müller. Trainer Frank Schmidt meinte: "Wenn vor dem Spiel einer gesagt hätte, dass neun Tore fallen, wäre wohl niemand auf ein 5:4 gekommen."
Bayern in Unterzahl ohne Ordnung
Dabei begann alles ganz harmlos. Als Leon Goretzka (12.) das frühe 1:0 erzielte, sah alles nach einem normalen Spielverlauf aus, dann erhielt Süle (15.) wegen einer Notbremse die Rote Karte und der krasse Außenseiter witterte eine Chance. FCH-Torjäger Robert Glatzel (26.) egalisierte das Spiel und Heidenheim-Legende Marc Schnatterer (39.) brachte die Gäste sogar in Führung.
Erst Müller (53.) gelang das 2:2, bevor der eingewechselte Lewandowski (56.) und Serge Gnabry (66.) scheinbar den Weg in die nächste Runde ebneten. Dann jedoch schlug erneut Glatzel zu, erst zum 3:4 (74.) und dann per Foulelfmeter zum 4:4 (77.). Der Schlusspunkt war jedoch Lewandowski vorbehalten. "Es war ein wildes Spiel, ein offenes Spiel. Zum Schluss hatten wir das Quäntchen Glück", sagte Bayern-Coach Niko Kovac.
Die Münchner präsentierten sich allerdings in Unterzahl bis zur Halbzeit außer Rand und Band, ohne Struktur und Konzept. Erst die Einwechslungen von Kingsley Coman und eben Lewandowski (46.) rüttelten den FC Bayern wach, nun waren Wille und Entschlossenheit zu erkennen, aber in der Defensive blieben bis zum Ende die Fehler nicht aus.
Müller beschwört "moralisches Plus"
Die Dortmunder dürften nach dem Studium dieses Pokal-Viertelfinales noch selbstbewusster und motivierter zum Rivalen reisen. Nach dem Achtelfinal-Aus in der Champions League fehlte nicht viel, und auch der zweite mögliche Titel für die Mannschaft von Trainer Niko Kovac wäre futsch gewesen.
Thomas Müller war dennoch halbwegs zufrieden. "Wichtig ist, dass man gesehen hat, dass wir noch da waren. Auch wenn sich das 5:4 nicht super anfühlt", sagte der Stürmer und schickte eine Kampfansage in Richtung BVB: "Wir müssen dieses moralische Plus nutzen, den Arsch zusammenkneifen und dann gegen die Dortmunder gewinnen."
Er selbst werde dabei mit gutem Beispiel voran gehen. "Meine Brust ist zwar physisch nicht die breiteste", sagte Müller: "Aber ich bin einer, der bereit ist, vorneweg zu gehen."
Werder komplettiert Halbfinale
Deutlich souveräner als der FC Bayern ist Werder Bremen ins Halbfinale eingezogen und hat dem abgestürzten Vizemeister Schalke 04 die letzte Hoffnung auf ein Happy End einer verkorksten Saison genommen. Durch Tore von Milot Rashica und Davy Klaassen bezwangen die Hanseaten die Königsblauen mit 2:0 (0:0). Der sechsmalige Pokalsieger setzte damit seine Erfolgsserie in diesem Jahr fort und hat nach zwölf Pflichtspielen ohne Niederlage zwei Chancen auf den Europacup-Einzug.
Schalke bestätigte drei Tage nach dem lebenswichtigen 1:0 im Bundesliga-Abstiegskampf bei Hannover 96 nach sechs Pleiten in Folge zwar seinen Aufwärtstrend unter Interimstrainer Huub Stevens. Allerdings nutzten die Gastgeber ihre Torchancen vor allem zu Beginn der zweiten Halbzeit nicht.
Stattdessen brachte Rashica mit einem Distanzschuss nach einem Abspielfehler von Bastian Oczipka (65.) Bremen in Führung. Nur sieben Minuten später machte Klaassen (72.) mit einem weiteren Kunstschuss den dritten Sieg gegen Schalke in dieser Saison perfekt. "Über Hamburg fahr'n wir nach Berlin" sangen daraufhin die Werder-Fans in Erwartung eines Nordderbys im Halbfinale, während die Schalke-Anhänger frühzeitig aus der Arena strömten. Fehlen wird in der Vorschlussrunde aber Nuri Sahin, der in der 90. Minute Gelb-Rot sah.