Tuchel über Barca-Wahnsinn in der Champions League aus dem Häuschen: “BVB war dagegen langweilig“. Piqué kündigt viele Babys an.
Barcelona/Dortmund. Was für eine magische Fußball-Nacht! Der FC Barcelona schafft das nicht mehr für möglich gehaltene Fußball-Wunder in der Champions League und dreht ein 0:4 aus dem Hinspiel trotz eines Gegentreffers mit 6:1 im Rückspiel gegen Julian Draxler und Paris St. Germain. Jeder einzelne der 96.290 Zuschauer im Camp Nou wird diesen Tag nicht vergessen.
An vielen anderen Orten hätten die Fans längst mit gesenktem Haupt das Stadion verlassen. Nicht in Barcelona, wo eine gesamte Regionen bis zur letzten Sekunde an das Wunder glaubte. „In der 87. Minute wären normalerweise alle Fans gegangen. Heute nicht. Heute blieben sie – und es lohnte sich“, fasst Abwehrspieler Gerard Piqué die Stimmung zusammen. Barca sollte seine Anhänger mit Toren in der 88./91. und 95. Minute belohnen.
Im Parallelspiel sorgte Borussia Dortmund deutlich schneller für Klarheit über den Einzug ins Viertelfinale und fegte Benfica Lissabon mit 4:0 aus dem Stadion. Abendblatt.de hält Sie auch am Tag danach auf dem Laufenden:
Internationale Presse huldigt Barca
"episch", "irrsinnig", "lächerlich und historisch", "erniedrigt", "historischer Schiffbruch" – Die internationalen Pressestimmen könnten nach dem magischen Abend von Barcelona kaum gegensätzlicher sein. Die spanischen Medien heben einen Mann hervor, der eigentlich im Hintergrund stehen soll: Schiedsrichter Deniz Aytekin. Klicken Sie sich durch die Textgalerie:
Pressestimmen zum Barca-Wunder
Tuchel lacht sich über Barca schlapp
Wer 4:0 gewinnt, sollte eigentlich im Fokus der Sportberichterstattung stehen. Das dachte sich zumindest BVB-Trainer Thomas Tuchel nach dem Schlusspfiff gegen Benfica. Doch beim Gang in die Katakomben sah der Coach, dass in Barcelona noch gespielt wurde und die Katalanen ein Tor nach dem anderen schossen. "Jeder von uns ist total durchgedreht", gab Tuchel lachend zu Protokoll und nickte bejahend in dem Interview in englischer Sprache über die Aussage, dass das Dortmunder Ergebnis im Vergleich zu Barcelonas Aufholjagd langweilig sei. "Wir konnten es fühlen", sagte er über den Treffer zum 6:1. "Wir dachten schon, wir waren spektakulär, aber die Jungs haben uns dann doch getoppt. Ich liebe Barcelona", erkannte der dauergrinsende Tuchel neidlos an.
Paris-Profi fährt Fan an
Für Thiago Motta hatte das historische 1:6-Debakel ein kaum weniger unglückliches Nachspiel. Der italienische Nationalspieler (34) fuhr nach der Rückkehr aus Spanien in Paris einen aufgebrachten Fan an. Der Anhänger musste laut der Nachrichtenagentur AFP ins Krankenhaus gebracht werden, kam aber mit glimpflichen Verletzungen davon.
Motta und seine Teamkollegen waren am frühen Donnerstagmorgen am Flughafen Le Bourget bei Paris von rund 30 wütenden Anhängern bedrängt worden. Der später verletzte Fan hatte auf Mottas Auto geschlagen, als dieses beschleunigte. Motta war bei der Begegnung, in der Paris ein 4:0 aus dem Hinspiel verspielt hatte, wegen einer Wadenverletzung nicht zum Einsatz gekommen.
Messi doch noch gestoppt
In der Nacht des Wunders von Barcelona ist Superstar Lionel Messi letztlich doch noch gestoppt worden. Als der große Argentinier nach dem 6:1 gegen halb eins das Stadion Camp Nou verlassen wollte, wurde sein Wagen von zahlreichen euphorischen Barça-Fans angehalten.
Die Anhänger feierten ihren Helden mit Sprechchören und lagen dabei förmlich auf dem Auto, wie in einem von Messis Freundin Antonella Roccuzzo veröffentlichten Video zu sehen ist. "Oh, mein Gott", sagte Roccuzzo, während Messi selbst ganz cool blieb. "Hier kommen wir nicht mehr weit", sagte er lapidar. Anders als zuvor Barcelona: Das 6:1 nach dem 0:4 im Hinspiel gilt für viele Fans und Experten als größtes Comeback der Fußball-Geschichte.
„Heute Nacht wird viel Liebe gemacht“
Während sich einige Barca-Spieler noch in den Armen lagen, dachte Piqué schon an seine persönliche Belohnung – und die für jeden Fan der Katalanen. „Die Krankenhäuser sollten in den nächsten neun Monaten mehr Hebammen einstellen, denn heute Nacht wird es viel Liebe geben“, sagte der Abwehrchef.
Ähnlich überschwänglich äußerte sich auch Superstar und Doppeltorschütze Neymar. „Das ist das beste Spiel, das ich jemals gemacht habe. Wir haben Geschichte geschrieben“, sagte der Brasilianer. „Nach Cavanis Tor hingen unsere Köpfe, aber nach dem vierten Tor begannen wir wieder zu hoffen. Wir waren so verrückt auf dieses Spiel, wollten es unbedingt bestreiten. Eine Mannschaft wie Barca kann jedes Spiel aufholen.“
Schiri Aytekin im Mittelpunkt
Zwei Elfmeter, einer davon kurz vor Schluss – bei Barcelonas Wahnsinns-Aufholjagd stand auch der deutsche Schiedsrichter Deniz Aytekin im Fokus. Zumindest der zweite Strafstoß für Barça, den Neymar zum 5:1 verwandelte, war umstritten. „Die Schiedsrichter-Entscheidungen gingen gegen uns und wir haben alles in den letzten Minuten verloren“, sagte PSG-Trainer Unai Emery.
Sein Verteidiger Thiago Silva ärgerte sich ebenfalls: „Es soll keine Entschuldigung sein, aber es war kein Foul an Suárez, meinte er auf der Vereinswebsite. Nach einem langen Ball in den Strafraum war der Uruguayer im Zweikampf mit Marquinhos zu Boden gegangen. Zwar hatte es zwischen beiden eine Berührung gegeben, Suárez war jedoch sehr leicht gefallen. Bereits Mitte der zweiten Hälfte hatte der Angreifer versucht, einen Elfmeter zu schinden. Aytekin hatte den Täuschungsversuch jedoch entlarvt und Suárez die Gelbe Karte gezeigt.
Barcelona schreibt Fußball-Geschichte
Mit dem 6:1-Triumph hat Barcelona ein Stück Fußball-Geschichte geschrieben. Erstmals seit Einführung des Europapokals ist es einer Mannschaft gelungen, nach einem 0:4 im Hinspiel noch in die nächste Runde einzuziehen.
Auch hatten es zuvor nur drei Mannschaften geschafft, einen Vier-Tore-Rückstand aufzuholen. In Erinnerung bleibt vor allem das 0:4 von Borussia Mönchengladbach im Rückspiel bei Real Madrid im Uefa-Cup-Wettbewerb 1985/86, nachdem die Mannschaft von Trainer Jupp Heynckes das Hinspiel noch 5:1 gewonnen hatte.
Die größten Aufholdjagden im Fußball
In der 1992 eingeführten Champions League hatte bislang Deportivo La Coruna das größte Comeback gefeiert. Die Spanier besiegten 2004 nach einem 1:4 im Hinspiel den damals von Carlo Ancelotti trainierten AC Mailand im eigenen Stadion mit 4:0 und zogen doch noch in das Halbfinale ein.
Pulisic jüngster BVB-Torschütze
Christian Pulisic ist seit Mittwoch der jüngste Champions-League-Torschütze in der Geschichte von Borussia Dortmund. Der US-Amerikaner traf beim 4:0 (1:0) gegen Benfica Lissabon im Achtelfinal-Rückspiel (Hinspiel 0:1) im Alter von 18 Jahren, 5 Monaten und 18 Tagen. „Er ist unheimlich abgezockt. Er rechtfertigt unser Vertrauen“, sagte BVB-Trainer Thomas Tuchel.
Pulisic, der den verletzten deutschen Nationalspieler Marco Reus ersetzte, löste Felix Passlack ab – der Dortmunder Außenverteidiger war bei seinem Tor gegen Legia Warschau (8:4) im November sechs Tage älter. Passlack bleibt aber jüngster deutscher Torschütze in der Königsklasse.
Jüngster Torschütze überhaupt in der Champions League ist Peter Ofori-Quaye. Der Ghanaer war bei seinem Tor für Olympiakos Piräus im Gruppenspiel bei Rosenborg Trondheim 1997 (1:5) 17 Jahre, 6 Monate und 10 Tage alt.
PSG-Coach muss um Job bangen
Das historische 6:1 (2:0) des FC Barcelona gegen Paris könnte zum raschen Ende der Amtszeit von PSG-Trainer Unai Emery führen. Der katarische Klubchef Nasser Al-Khelaifi vermied ein Bekenntnis zu dem Spanier: „Ob er noch haltbar ist? Das ist nicht der Moment, um darüber zu sprechen. Nach diesem Spiel sind wir alle enttäuscht.“
Für die französische Sportzeitung „L’Equipe“ ist nicht nur der Job des Trainers in Gefahr. „Das gesamte PSG-Projekt ist durch diese Demütigung gefährdet“, schrieb das Blatt nach dem Aus des Hauptstadtclubs um Weltmeister Julian Draxler und den früheren Bundesliga-Torwart Kevin Trapp.
Tuchel mit Sonderlob für Aubameyang
BVB-Trainer Thomas Tuchel ist nicht gerade dafür bekannt, einzelne Spieler hervorzuheben. Doch nach der 4:0-Gala gegen Benfica erhielt Dreifachtorschütze Pierre-Emerick Aubameyang ein Sonderlob vom Coach. „Wir hatten einen super Start ins Spiel. Dann haben wir nach 25 Minuten etwas den Faden verloren. Die zweite Halbzeit war eine absolute Top-Halbzeit, in der wir unsere Tore verdient geschossen haben. Für Auba war heute der perfekte Zeitpunkt für seinen Dreierpack. Wir wollten uns auf keinen Fall über dieses Hinspiel ärgern. Jetzt sind wir in der Runde der letzten Acht und wollen noch weiterkommen.“
Aubameyang suchte hingegen das Haar in seiner Suppe. „Ich war nach dem Hinspiel nicht zufrieden, ich habe dort viele Fehler gemacht. Ich wollte zeigen, dass ich es besser kann. Jetzt bin ich sehr glücklich.“