Madrid/Mönchengladbach. Ancelotti und Rummenigge erheben nach Bayern Münchens Déjà-vu bei Atlético Vorwürfe. Gladbach sorgt sich um wichtige Stütze.
Ein Unentschieden, zwei Niederlagen: Die Bilanz der deutschen Fußball-Bundesligisten im direkten Vergleich mit spanischen Mannschaften fällt nach dem zweiten Spieltag in der Champions League einmal mehr ernüchternd aus. Nach dem 2:2 von Borussia Dortmund gegen Real Madrid gelangen auch Bayern München und Borussia Mönchengladbach kein Sieg. Ganz im Gegenteil: Die Bayern verloren erneut mit 0:1 (0:1) bei Atlético Madrid, Gladbach musste sich dem FC Barcelona trotz 1:0-Halbzeitführung am Ende mit 1:2 geschlagen geben.
Abendblatt.de hält Sie über die Champions League auf dem Laufenden:
Martialische Pressestimmen aus Spanien
Marca: "Ein Terror für ganz Europa. Atlético schlägt die Bayern zum wiederholten Male und meldet seine Ansprüche an. Bayern hatte nur zu Beginn das Sagen, danach übernahmen die Rot-Weißen das Zepter. Die Dominanz der Bayern war eher virtuell als effektiv. Das Schreckgespenst heißt Atlético Madrid."
AS: "Atlético außer Rand und Band. Zweiter Champions-League-Sieg - und das gegen Bayern, wie in der letzten Saison. Die Deutschen bauten im Laufe des Spiels ab. Atlético hat Bayern nochmal weggehauen - und dieses Mal im großen Stil. Simeones Atlético ist der Repräsentant des Marxismus auf dem Rasen: Alles Malocher. Carrascos Tor war ein Peitschenhieb."
Sport: "Carrascos Tor bremst Bayerns Triumphmarsch. Atlético setzt sich mit seinem solidarischen Spielstil durch. Bayern scheiterte bei seinem Versuch, seine Spielphilosophie gegen ein abgezocktes Abwehrbollwerk durchzusetzen. Das Tempo der Atlético-Offensive brachte Bayern immer wieder in Bedrängnis."
El Mundo Deportivo: "Atlético ist eine 'deutsche Maschine' mit südländischer Seele. Simeones Mannschaft war sogar deutscher als die Bayern. Ancelotti fand wieder nicht das Mittel, um Atlético zu knacken. Atlético wusste eher, was sie mit dem Ball anstellen sollten. Man hat gesehen, dass man gegen Bayern bestehen kann. Man hat das Gefühl, dass Atlético in dieser Champions-League-Saison viele ärgern wird."
Wird Griezmanns Fehlschuss noch wichtig?
Dieser Fehlschuss seines Dauerbezwingers Antoine Griezmann konnte Manuel Neuer und seine DFB-Kollegen nicht richtig trösten. Der Welttorhüter machte sich beim Elfmeterduell in der 84. Minute gegen Frankreichs EM-Star ganz groß – und der Ball knallte gegen die Latte. „Natürlich könnte der Elfmeter noch wichtig werden“, sagte Thomas Müller. Gewinnen der FC Bayern und Atlético ihre jeweils nächsten drei Spiele in der Champions League, dann muss der deutsche Rekordmeister zum Vorrundenabschluss gegen Madrid nur das 0:1 vom Mittwoch und nicht eben ein 0:2 aufholen und ist Gruppensieger.
„Antoine hat einen Elfmeter verschossen, so wie Maradona, Messi, Platini verschossen haben, die Besten der Welt. Aber wir sind sehr zufrieden mit der Arbeit von Antoine“, lobte Atlético-Coach Diego Simeone trotzdem. Die schmächtige Madrid-Offensivkraft hatte beim 1:2 vor fünf Monaten in München mit seinem Treffer das Aus der Bayern besiegelt. Nur zwei Monate später beendete Griezmann dann per Doppelpack im Halbfinale die EM-Titelträume des DFB-Teams.
Entscheidend an der vierten Bayern-Niederlage nacheinander in Spanien war der Franzose trotzdem beteiligt. „Er hat den Konter zum Tor eingeleitet“, hob Simeone hervor. Er habe „tausend Sachen“ gemacht, „die ihn unter die besten Drei der Welt bringen“.
Presse: "Barca leidet auf meisterliche Art"
Marca: "Barcelona zieht in Deutschland den Kopf aus der Schlinge. Gladbach zeigte sich als bissiges Team beim Pressing, versuchte so Barca aus dem Konzept zu bringen."
AS: "Barca korrigiert rechtzeitig noch das Ergebnis. Die erste halbe Stunde ist eine Warnung für Barcelona. Das Experiment Barcas mit der Doppelspitze ging in die Hose."
Sport: "PIQUENBAUER! Ein Tor des Manndeckers war das i-Tüpfelchen bei der großen Aufholjagd Barcas in Deutschland. Barca leidet auf meisterliche Art. Gegen Gladbach konnte man zwei verschiedene Barcas sehen. Ter Stegen konnte gegen Gladbachs Traumkonter und Hazards Treffer nichts machen."
El Mundo Deportivo: "Arda Turan wurde zum Revolutionär des Spiels. Ter Stegen zeigte sich in seinem alten Zuhause sicher in seinen Aktionen."
Kahn rechnet mit den Bayern ab
ZDF-Experte Oliver Kahn nahm die Bayern nach der Niederlage hart ins Gericht. Die Münchner hätten nicht gut gespielt, urteilte der frühere FCB-Kapitän. "Die Bayern müssen sich fragen, warum sie ihr schnelles und kreatives Spiel, das sie zuletzt ausgezeichnet hat, nicht umsetzen konnten", so Kahn. "Es fehlte an Tempo, was vor allem an Alonso und Thiago lag. Riberys und Robbens Stärken sind überhaupt nicht zur Geltung gekommen." Dem pflichtete auch Trainer Carlo Ancelotti bei. "Wir haben nicht bissig und entschlossen genug gespielt. Wir waren zu langsam und nicht immer in der richtigen Position."
Bayerns schwächere Leistung sei aber auch auf Atléticos starken Auftritt zurückzuführen, meinte Kahn. "Es ist eine der besten Mannschaften Europas, die exzellent verteidigt. Ich ziehe alle Hüte dieser Welt vor Diego Simeone."
Mehr als 8 Millionen sehen FCB-Pleite
8,32 Millionen Zuschauer haben Bayerns erste Saison-Niederlage im TV erlebt. Das ZDF erzielte mit der Live-Übertragung des 0:1 einen Marktanteil von 28,5 Prozent. Die zeitversetzten Ausschnitte der Begegnung zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Barcelona (1:2) sahen noch 5,71 Millionen Fans. Der Marktanteil lag hier bei 27,3 Prozent.
Rummenigge nimmt Profis in die Pflicht
Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge hat die Bayern-Stars nach dem 0:1 in deutlichen Worten zu einer umgehenden Antwort aufgefordert. "Es macht keinen Sinn, ein Drama draus zu machen, es ist nur wichtig, dass wir jetzt direkt am Samstag darauf reagieren gegen den 1. FC Köln und die Tabellenführung der Bundesliga verteidigen", sagte Rummenigge bei seiner nächtlichen Bankettrede.
Der Clubchef sprach von einer "verdienten Niederlage", weil Atlético "ein bisschen mehr getan hat als wir, sie wollten einfach mehr den Sieg haben". Niederlagen könnten jedoch auch etwas Positives haben, "wenn man daraus lernt". Außerdem sei in der Königsklasse alles, sogar der Gruppensieg noch möglich, "wir müssen nur dafür sorgen, dass wir die Punkte holen, die wir brauchen". Spitzenreiter Atlético hat in Staffel D nach zwei Siegen drei Punkte Vorsprung auf die zweitplatzierten Bayern, die nun zwei Mal auf die PSV Eindhoven treffen (19. Oktober/1. November).
In Richtung von Trainer Carlo Ancelotti, der nach acht Siegen im neunten Pflichtspiel erstmals mit den Bayern verloren hatte, sagte Rummenigge: "Lieber Carlo, es ist dein Debüt beim Bankett, das ist Kultur des FC Bayern, aber man kann sich leider das Debüt nicht aussuchen..."
Atletico Madrid - Bayern München 1:0 (1:0)
Gladbachs Sommer: "Fehler passieren"
Bei Gladbach gegen Barça standen die Torhüter im MIttelpunkt - aus unterschiedlichen Gründen. Während bei Marc-André ter Stegen vor allem dessen Rückkehr an alte Wirkungsstätte interessierte, war Yann Sommer nach dem Spiel wegen seines Patzers vor dem 1:2 Gesprächsthema. "Fehler passieren. Der Ball ist mir weggesprungen, ich kann es nicht mehr ändern", sagte der Schweizer selbstkritisch zur Szene, als er nach einem Schuss von Luis Suarez den Ball für Torschütze Gerard Piqué (74.) servierte und letztlich auch dabei zu zögerlich reagierte.
"Die Mannschaft hätte heute einen Punkt verdient gehabt. Wir haben viel geackert, sind viel gelaufen und haben die Räume eng gemacht gegen eine Weltklasse-Mannschaft", sagte Sommer weiter: "Es ist sehr schade für uns. Wir haben eine gute Leistung gebracht, aber wir wollten auch gegen den FC Barcelona punkten.“
Ganz anders die Gemütslage bei ter Stegen. "Es war mal wieder schön, hier zu sein", sagte der deutsche Nationaltorhüter. "In der ersten Halbzeit hatten wir ein bisschen Schwierigkeiten mit den Kontern, die sie sehr gut ausgespielt haben. Das hat uns ein bisschen aus dem Rhythmus gebracht. Heute war ein spezieller Tag für mich, aber ich bin froh, dass wir gewinnen konnten. Am Ende waren wir das glücklichere Team.“
Mönchengladbach - Barcelona 1:2 (1:0)
Ancelotti macht Vorwürfe
Vor dem Spiel hatte Bayerns Co-Trainer Hermann Gerland noch die Parole ausgegeben, in Madrid die erste Halbzeit nicht zu verschlafen wie im Halbfinal-Hinspiel der Vorsaison. Doch letztlich ist es Cheftrainer Ancelotti wie seinem Vorgänger Pep Guardiola nicht gelungen, für die Münchner den Atlético-Code zu entschlüsseln.
"Es war keine gute Leistung heute", sagte Ancelotti im Anschluss. "Die ersten zwanzig Minuten waren okay, da hatten wir eine gute Möglichkeit durch Thomas Müller. Danach haben wir die Kontrolle ein bisschen verloren. Atlético ist eine Mannschaft, die hervorragend verteidigt und es ist sehr schwierig, gegen sie Lösungen zu finden.“
Das Gegentor durch Yannick Carrasco (35. Minute) wollte der Italiener seinem Torhüter nicht ankreiden, machte dafür aber seinem Abwehrchef Vorhaltungen. "Manuel Neuer kann da nichts machen. Unglücklicherweise hat Jerome Boateng kurz den Zugriff auf Carrasco verloren", analysierte Ancelotti.
Schubert gibt Entwarnung bei Raffael
Nach der erneuten Verletzung von Raffael hat Gladbachs Trainer André Schubert vorsichtig Entwarnung gegeben. "Es ist nicht wahnsinnig dramatisch. Er ist aus Sicherheitsgründen rausgegangen", sagte Schubert nach der Niederlage gegen Barça.
Raffael musste nach einer starken Leistung in der 48. Minute ausgewechselt werden. "Ob er gegen Schalke spielen kann, kann ich noch nicht sagen", so Schubert mit Blick auf das nächste Bundesligaspiel beim punktlosen Schlusslicht Schalke 04 am Sonntag (17.30 Uhr/Sky). Raffael hatte aufgrund von Adduktorenproblemen die Bundesligaspiele in Leipzig (1:1) und gegen Ingolstadt (2:0) verpasst und war gegen Barcelona in die Mannschaft zurückgekehrt.
Müller: "Uns wurden Schwächen offenbart"
Thomas Müller hält die in Madrid offenbarten Probleme der Bayern für normal. "Wenn ein neuer Trainer kommt, geht nicht innerhalb von ein, zwei Monaten alles so von der Hand", sagte er angesichts des Wechsels von Pep Guardiola zu Carlo Ancelotti.
Unter Guardiola hatten die Bayern im vergangenen April das Halbfinal-Hinspiel der Königsklasse in Madrid ebenfalls 0:1 verloren. "Jetzt", sagte Müller, "hatten wir die erste wirklich schwierige Prüfung (unter Ancelotti, d.Red.) und uns wurden schon ein paar Schwächen offenbart, da gilt es jetzt dran zu arbeiten."
Hummels ärgert sich über verpasste Pässe
Auch Mats Hummels führte die Mängel teilweise auf die noch fehlende Erfahrung im Zusammenspiel zurück. "Ich ärgere mich, dass ich zwei, drei Pässe nicht gespielt habe, die ich gerne gespielt hätte, die aber sehr riskant gewesen wären", sagte er, "wahrscheinlich, wenn ich noch zwei Monate länger da wäre, hätte ich die gespielt, das nervt mich selber so ein bisschen."
Der Innenverteidiger sah ebenfalls "noch viel Verbesserungsbedarf, trotzdem sind wir auf einem guten Niveau". In der Theorie sei Platz eins in Gruppe D noch drin. "Jetzt zwei Siege gegen Eindhoven, dann haben wir eine gute Chance", sagte er. Die Duelle mit dem niederländischen Meister stehen am 19. Oktober (in München) und 1. November an.