Englische Fans beweisen Galgenhumor und dichten Kult-Song um. Isländische Anhänger und Kommentator rasten nach Sensation völlig aus.
Mit einem fulminanten 2:1 im Achtelfinale gegen enttäuschende Engländer feierte Islands Nationalmannschaft nicht nur den bedeutendsten Sieg in der Geschichte des Landes. Der Turnierdebütant sorgte auch für eine der größten Überraschungen in der Historie der Fußball-Europameisterschaften.
Abendblatt.de hält Sie den gesamten Tag mit Reaktionen und Highlights im Netz über das Spektakel von Nizza auf dem Laufenden.
Hart kassiert viel Prügel, auch von Basler
Torwartpatzer gehören mittlerweile schon zur Tradition beim englischen Nationalteam. Auch Joe Hart reihte sich bereits in die lange inoffizielle Liste ein und sorgte beim peinlichen Auftritt gegen Island für ein weiteres Kapitel. Fans anderer Nationen, die sich als Liebhaber der schier endlosen Pannenserie englischer Keeper outen, gehen sogar schon so weit, dass sie dank Hart seinen Vorgänger David James gar nicht mehr vermissen. Der inzwischen 45-Jährige leistete sich im Dress der Three Lions wohl die meisten Patzer zwischen den Pfosten und wurde von den eigenen Anhängern schon als "Calamity James" verhöhnt.
Nachdem Hart beim 2:1 der Isländer langsamer als eine Bahnschranke zu Boden ging und den eigentlichen harmlosen Schuss von Kolbeinn Sigthórsson passieren ließ, gehört dem Schlussmann von Manchester City die volle Aufmerksamkeit der Spötter bei Twitter.
Der zum Sündenbock erklärte Hart zeigte sich nach der Partie reumütig und gestand seine Schuld ein. "Ich bin verantwortlich für zwei der Tore, die wir im Turnier bekommen haben. Ich entschuldige mich dafür, dass ich unsere Niederlage und das Aus verschuldet habe", sagte der 29-Jährige.
Englische Fans dichten Kult-Song um
Humor ist, wenn man trotzdem lacht: Englische Fans haben nach dem Verlassen des Stadions das peinliche Achtelfinal-Aus gegen EM-Neuling Island mit Humor genommen und den Kult-Song der nordirischen Fans „Will Grigg’s on fire“ auf ihren scheidenden Teammanager Roy Hodgson umgedichtet. In einem Video aus der Bahn auf dem Weg in die Innenstadt von Nizza sind die Anhänger zu sehen, wie sie überraschend gut gelaunt das Ende seiner Ära feiern. „He’s going home, Hodgson’s going home. Hodgson’s been fired!“, singen die Fans von der Insel.
Der englische Verband FA kündigte an, die Entscheidung von Hodgson, sein Amt zur Verfügung zu stellen, zu unterstützen und weitere Schritte „sofort“ zu diskutieren.
Frankreich zittert vor Island
Mit spürbarem Respekt haben Frankreichs Medien auf Island als Gegner der Équipe tricolore im Viertelfinale der Heim-EM reagiert. „Frankreich auf einem Vulkan!“, schrieb „Le Parisien“ in fettgedruckten Buchstaben. Um ein Geschenk handle es sich „sicher nicht“, kommentierte das Blatt und erinnerte, dass die Isländer neben den Engländern auch die Niederländer in der Qualifikation zur EM ausgeschaltet hatten.
"Demütigung, Lachnummer, beschämend"
Lange wollte sich die englische Nationalmannschaft nach der Schmach am Vorabend gegen Island nicht mehr in Frankreich aufhalten. Das Team um Kapitän Wayne Rooney trat früh die Heimreise an. Auf der Insel erwarten die Profis bitterböse Schlagzeilen. „England hat letzte Nacht aufgehört, ein Fußball-Team zu sein und ist nur noch eine Lachnummer. Gedemütigt von einem Land mit 330.000 Einwohnern, trainiert von einem Zahnarzt“, schrieb die „Times“.
„England erleidet die ultimative Demütigung durch eine beschämende Niederlage gegen den kleinsten Fisch im Turnier. Geschlagen von einem Team mit einer Teilzeit-Fußballkultur“, titelte die „Daily Mail“. „Es ist das schlimmste Ereignis in der englischen Fußball-Geschichte“, meint der „Mirror“. "Es gibt drei Dinge, die sicher sind im Leben: Tod, Steuern und mittelmäßige englische Vorstellungen in großen Turnieren.“
Die größten Sensationen bei einer EM und WM
Lineker verhöhnt seine Engländer
Der Spott gegenüber den Verlierern von Nizza ist schier grenzenlos. Auch Englands früherer Starstürmer Gary Lineker verhöhnte seine eigenes Team. „Das ist die schlimmste Niederlage unserer Geschichte“, twitterte der mit zehn Treffern Rekordtorschütze der Three Lions bei Weltmeisterschaften. „England ist von einem Land geschlagen worden, das mehr Vulkane als Fußballprofis hat.“
Fans in Reykjavík in Ekstase
Die Isländer haben ihre Sensation in der Insel-Hauptstadt Reykjavík stürmisch gefeiert. Mehr als 10.000 Menschen in Island-Blau – einige von ihnen mit Wikingerhelmen auf dem Kopf – kreischten und hüpften auf dem Hügel Arnarhóll in der Innenstadt.
Hierher war das Public Viewing vom zentralen Ingolfstorg verlegt worden, weil dort nicht mehr genug Platz für alle Fußballfans war. Die Straßen in der Innenstadt waren wegen der erwarteten Menschenmassen während des Spiels gesperrt.
Fast 15 Millionen staunen über Island
Islands Sensationssieg über England hat 14,96 Millionen TV-Zuschauer in der ARD in Erstaunen versetzt. Während sich die Zuschauer mehrheitlich über den Erfolg des Außenseiters freuten, freute sich die ARD über einen Marktanteil von 47 Prozent. Zuvor hatten bereits 14,34 Millionen den beeindruckenden 2:0-Sieg von Italien gegen Titelverteidiger Spanien im Ersten angeschaut. Der Marktanteil war mit 55,5 Prozent sogar noch höher, weil um 18 Uhr nicht so viele Menschen ihr TV-Gerät eingeschaltet hatten wie um 21 Uhr.
Islands Kult-Kommentator rastet wieder aus
Fernsehkommentator Gudmundur Benediktsson, der sich beim Achtelfinal-Einzug der Isländer in Ekstase geschrien hatte, war am Montag wieder bei Stimme und fieberte erneut euphorisch mit. "Es ist geschafft! Es ist geschafft! Wir gehen niemals nach Hause! Habt Ihr das gesehen? Unbeschreiblich! Ich kann es nicht glauben! Das ist ein Traum, weckt mich niemals aus diesem unglaublichen Traum auf!", schrie "Gummi Ben" direkt nach dem Schlusspfiff ins Mikrofon.
Auch einen Seitenhieb auf den politischen Brexit des Gegners konnte sich der bereits heisere Benediktsson nicht verkneifen: "Lebe so wie du willst, England. Island wird am Sonntag gegen Frankreich spielen. Frankreich, Island! Du kannst nach Hause gehen! Du kannst raus aus Europa! Du kannst gehen, wo zur Hölle du auch immer hin willst." Sehen Sie hier ein Video, wie „Gummi Ben“ erneut ausrastete sowie die besten Reaktionen aus dem Netz.
Island schmeißt England aus dem Turnier
Rooney: „EM ist beschämend“
Wayne Rooney will seine Karriere im englischen Nationalteam trotz des peinlichen Ausscheidens bei der EM fortsetzen. „Ich habe es schon vor dem Turnier gesagt, dass ich stolz bin, für England zu spielen und es weiter tun will“, sagte der Kapitän der Three Lions. Nach dem Rücktritt von Trainer Roy Hodgson müsse man abwarten, wer der neue England-Coach werde. „Wenn er mich auswählt, bin ich bereit zu spielen.“
Rooney hat im Nationalteam bislang erst einmal bei einem großen Turner ein K.o.-Duell gewonnen, das 1:0 im WM-Achtelfinale gegen Ecuador liegt zehn Jahre zurück. „Es ist beschämend für uns“, sagte er über die Niederlage gegen Island. „Wir sind alle bitter enttäuscht, wir wissen, dass wir die Verantwortung dafür tragen.“