Ascona. In Ascona soll der Teamspirit für eine erfolgreiche EM entstehen. Löw hat seinen Spielern ein Vorbereitungsprogramm maßgeschneidert.
Der Empfang im sonnigen Ascona war herzlich. Grundschulkinder schwenkten schwarz-rot-goldene Fähnchen, eine Musikerin spielte das Alphorn und Bürgermeister Luca Pissoglio begrüßte Joachim Löw persönlich: „Wir wünschen viel Erfolg für die EM.“ Zeit für Beschaulichkeit wird Bastian Schweinsteiger und seinen Kollegen in den kommenden Tagen jedoch kaum bleiben. Im idyllischen Örtchen am Lago Maggiore ist harte Arbeit für die Fußball-EM angesagt, die am 10. Juni in Frankreich beginnt. Auch das größte Sorgenkind, Kapitän Schweinsteiger, checkte am Dienstagabend mit 24 weiteren Spielern aus Löws vorläufigem EM-Kader im noblen Teamhotel Giardino in unmittelbare Nähe des Sees ein.
„Die Vorfreude ist riesig. Ich habe schon viel Bock“, sagte Jung-Nationalspieler Leroy Sané. Einige Dutzend Touristen und Fans versuchten vor dem weiträumig abgesperrten Hotel in Ascona zumindest einen Blick auf die Stars zu erhaschen. Der lange am Knie verletzte Schweinsteiger wird in den kommenden zehn Tagen in Ascona versuchen, wieder einen Trainingsrhythmus aufzunehmen, um im letzten Moment fit zu werden für das europäische Championat.
Löw will Götze und Khedira auf Topniveau hieven
Die Aufgabe für den 31 Jahre alten Mittelfeld-Organisator von Manchester United ist klar und schwer zugleich. Nach zwei Innenbandverletzungen am rechten Knie muss sich Schweinsteiger in Ascona zurück ins Teamtraining kämpfen und nachweisen, dass er in Frankreich zumindest im Verlaufe des Turniers das Team wieder verstärken kann. „Wir brauchen gewisse Eckpfeiler, die die Mannschaft tragen, die Persönlichkeit haben, die das Team auf und neben dem Platz positiv beeinflussen“, sagte Löw.
Mit einer maßgeschneiderten Vorbereitung möchte der Bundestrainer nicht nur den 114-maligen Nationalspieler Schweinsteiger sowie die ebenfalls noch angeschlagenen Mario Götze (Rippenbruch) und Sami Khedira (Fußblessur) auf das nötige Topniveau hieven. Bis zum 3. Juni geht es im Kurort im Süden der Schweiz auch darum, wieder einen besonderen Geist zu entwickeln, der das Team vor zwei Jahren in Brasilien entscheidend mit zum WM-Titel getragen hatte.
Draxler: „Freue mich, dass es losgeht“
Löw spürt vor seinem fünften Turnier als Chefcoach erneut eine riesige Motivation. „Letztlich sind es die Turniere, die für mich den speziellen Reiz ausmachen“, sagte er. Schon vor dem Abflug ins Trainingscamp gab Löw in einer ersten Sitzung die Linie vor: „Ein Turnier ist etwas Besonderes. Wir müssen flexibel reagieren können.“
Nicht nur, weil am 31. Mai von den jetzt 27 eingeladenen Akteuren noch vier Feldspieler gestrichen werden müssen, wird Löw schon in der Vorbereitung großen Wert auf die Konkurrenzsituation legen. „Ich freue mich, dass es losgeht“, sagte der Wolfsburger Julian Draxler. Weltmeister-Kollege Mats Hummels kam einen Tag nach der Unterschrift beim FC Bayern auf den letzten Drücker zum Treffen in Frankfurt.
„Die Mannschaft ist im Umfeld super gut aufgestellt. Die Vorbereitung ist bei einem solchen Turnier extrem wichtig. Ich denke, sie werden das gut hinbekommen“, sagte Sportdirektor Hansi Flick vor der ersten Etappe der Tour de France, die in der Schweiz ausgetragen wird. Als Löws Co-Trainer hatte Flick gerade in den Trainingscamps immer großen Anteil daran gehabt, dass die Mannschaft fit in die vorangegangenen Turniere gegangen war. Das soll auch in diesem Jahr gelingen.
Ascona ist stolz auf den Besuch des Weltmeisters
Am Lago Maggiore nahe der italienischen Grenze gibt es beste Bedingungen. Das Stadio Comunale, in dem die Übungseinheiten stattfinden, ist nicht weit vom Teamhotel entfernt. Der Urlaubsort Ascona mit seinen 5500 Einwohnern ist stolz auf den Aufenthalt des Weltmeisters. „Benvenuti“ steht auf Flaggen und Plakaten.
„Für den Erfolg spielen viele Komponenten eine Rolle. Das Wichtigste passiert natürlich auf dem Trainingsplatz. Aber auch eine gute Organisation und ein guter Mannschaftsgeist sind wichtig“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff. Alle Nebenthemen sollen möglichst ferngehalten werden. So dürfte die Sportliche Leitung auch erfreut die Botschaft von Bayern-Profi Mario Götze registriert haben, über dessen möglichen Vereinswechsel zuletzt heftig debattiert worden war. „Ich will richtig angreifen. Bei Bayern und zuvor bei der EM“, übermittelte der WM-Finaltorschütze von Rio deutlich.
Toni Kroos und Lukas Podolski konnten am Dienstag nicht mit dem Sonderflieger LX 9389 nach Lugano und von dort mit dem Bus weiter nach Ascona reisen. Kroos bestreitet mit Real Madrid am Samstag noch das Champions-League-Finale in Mailand gegen Atlético Madrid. Podolski trifft am Donnerstag mit Galatasaray Istanbul im türkischen Pokalfinale auf Lokalrivale Fenerbahçe. 14 Weltmeister und elf Turnierneulinge sind in dem Kreis, aus dem Löw am 31. Mai die 23 Teilnehmer an der EM-Endrunde endgültig auswählen muss.