Hamburg. Mögliche Schadenersatzforderungen werden vor Schlichtungsstelle in der Hansestadt verhandelt. Auch Niersbach und Zwanziger vorgeladen.

Wegen möglicher Schadenersatzforderungen in der WM-Affäre sollen Franz Beckenbauer, Wolfgang Niersbach und Co. am Dienstag nach Ostern vor einer Schlichtungsstelle in Hamburg aussagen. Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag einen entsprechenden Bericht der „Süddeutschen Zeitung“. Auch Zwanziger ist als weiterem Mitglied des Organisationskomitees der Fußball-WM 2006 der Gütetermin bei der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle (ÖRA) mitgeteilt worden.

Laut SZ-Bericht ist allerdings keiner der WM-Macher verpflichtet, vor der Hamburger Schlichtungsstelle auszusagen. Beckenbauer, Niersbach, Fedor Radmann und Hort R. Schmidt wollen demnach zu dem Termin auch nicht erscheinen. Lediglich Zwanziger erklärte auf Nachfrage: „Ich halte mir offen, mit meinem Anwalt dorthinzugehen.“

DFB möchte Verjährung verhindern

Der Deutsche Fußball-Bund hatte Ende 2015 mehrere Güteanträge bei der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle eingereicht. Sie richten sich gegen die früheren OK-Mitglieder, gegen den Weltverband Fifa sowie den Testamentsvollstrecker des früheren Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus. Der DFB möchte damit verhindern, dass mögliche Ansprüche in der WM-Affäre verjähren. Sollte dem Verband in diesem Skandal ein finanzieller Schaden entstehen, möchte er die Möglichkeit behalten, das Geld von den früheren WM-Machern zurückzufordern.

Im Zentrum der gesamten Affäre und auch dieser Auseinandersetzung stehen zwei Zahlungen von 6,7 Millionen Euro. Mit Hilfe von Louis-Dreyfus überwiesen Beckenbauer und sein Manager Robert Schwan diese Summe 2002 zunächst über ein Konto in der Schweiz an eine Firma des früheren Fifa-Funktionärs Mohamed bin Hammam in Katar. 2005 zahlte das WM-OK die 6,7 Millionen an den früheren Adidas-Chef aus Frankreich zurück - allerdings bewusst falsch deklariert als Beitrag zu einer WM-Gala, die am Ende nie stattfand.

Der DFB wirft den OK-Mitgliedern vor, in der Steuererklärung zur WM 2006 „mutmaßlich unzutreffende Angaben“ gemacht zu haben. Der Verband droht deshalb, für das Jahr 2006 nachträglich seine Gemeinnützigkeit zu verlieren. Sollte das passieren, käme auf den DFB ein „erheblicher zusätzlicher Schaden“ zu, heißt es in den Anträgen an die ÖRA.

Die Chronologie des WM-Skandals

16. Oktober

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) räumt in einer Pressemitteilung Ungereimtheiten rund um eine Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro an den Weltverband Fifa ein.

16. Oktober

„Der Spiegel“ berichtet, dass für den Zuschlag der Fußball-WM 2006 Geld aus einer schwarzen Kasse des Bewerbungskomitees geflossen sei, um damit vier entscheidende Stimmen im Fifa-Exekutivkomitee zu kaufen. Das Geld soll von Ex-Adidas-Boss Robert Louis-Dreyfus gekommen sein.

17. Oktober

Erstmals äußert sich DFB-Präsident Wolfgang Niersbach: „Ich kann versichern, dass es (...) definitiv keine schwarzen Kassen beim DFB, dem Bewerbungskomitee oder dem Organisationskomitee gegeben hat.“

18. Oktober

Franz Beckenbauer meldet sich zu Wort und dementiert den „Spiegel“-Bericht: „Ich habe niemandem Geld zukommen lassen, um Stimmen für die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu akquirieren. Und ich bin sicher, dass dies auch kein anderes Mitglied des Bewerbungskomitees getan hat.“

19. Oktober

Die Staatsanwaltschaft prüft einen Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren. Mögliche Tatbestände: Betrug, Untreue, Korruption.

19. Oktober

Niersbach weist die Korruptionsvorwürfe erneut zurück, räumt aber „den einen offenen Punkt“ ein: „Dass man die Frage stellen muss, (...) wofür diese Überweisungen der 6,7 Millionen verwendet wurden.“

21. Oktober

Die DFB-Landesverbände fordern von Niersbach eine schnelle Aufklärung der Vorwürfe.

22. Oktober

Niersbach tritt in Frankfurt sichtlich erschöpft vor die Presse und bringt nur wenig Licht ins Dunkel.

23. Oktober

Das DFB-Präsidium stärkt Niersbach den Rücken.

23. Oktober

Zwanziger bezichtigt Niersbach der Lüge und berichtet im „Spiegel“ von der mutmaßlichen Existenz einer schwarzen Kasse „in der deutschen WM-Bewerbung“. Es sei „ebenso klar, dass der heutige Präsident des DFB davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon seit mindestens 2005“.

26. Oktober

Beckenbauer räumt in der Affäre erstmals einen „Fehler“ ein: Das Organisationskomitee hätte nicht auf einen Vorschlag der Fifa-Finanzkommission eingehen dürfen, um einen Finanzzuschuss zu bekommen.

3. November

Die Staatsanwaltschaft führt beim DFB eine Steuerrazzia durch. Zudem durchsucht sie die Wohnungen von Niersbach, Zwanziger und Ex-DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt. Der Verdacht: Steuerhinterziehung in einem schweren Fall.

6. November

„Der Spiegel“ veröffentlicht angeblich von Niersbach stammende handschriftliche Notizen auf einem Schreiben des WM-OK an die Fifa aus dem Jahr 2004. Diese sollen belegen, dass er nicht erst 2015 von den Vorgängen Kenntnis hatte.

9. November

Am Nachmittag trifft sich das DFB-Präsidium zu einer Sitzung mit Niersbach. Der 64-Jährige erklärt seinen Rücktritt.

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