Glasgow. Vor dem anstehenden Länderspiel freut sich Fußballdeutschland über die neue alte Stärke von Weltmeistermacher Götze.

Mario Götze musste blinzeln, als er am Sonntagfrüh aus der DFB-Sondermaschine am Flughafen Glasgow International stieg. Blauer Himmel, ein paar Schäfchenwolken und eine Sonne, die so unverschämt kräftig schien, als wolle sie ein für alle Mal mit diesen boshaften Vorurteilen über das britische Wetter aufräumen.

Eine Sonnenbrille brauchten Götze und Co. für den kurzen Weg zum wartenden Mannschaftsbus aber nicht. Eitel Sonnenschein hatten die Fußballer ja bereits das ganze Wochenende im Anschluss an den unterhaltsamen 3:1-Sieg gegen Polen genießen dürfen. Allen voran Götze, der nach seinen zwei Treffern als der Gewinner der Gewinner gefeiert wurde. „Mario lebt 24 Stunden täglich für den Fußball. In den vergangenen ein oder zwei Jahren ist er sogar noch professioneller geworden“, lobte auch Bundestrainer Joachim Löw, als er kurz nach der Landung im The Hilton Grosvenor in Glasgows West End das Wort zum Sonntag sprach.

Anpfiff am heutigen Montag um 20.45 Uhr

Die Frage, die sich Fußballdeutschland stellte, konnte aber auch Löw am Vortag des Spiels gegen Schottland (20.45 Uhr MEZ/RTL, Liveticker bei abendblatt.de) nicht beantworten: Warum läuft es für Götze im DFB-Dress so viel besser als bei den Bayern?

Dabei hatte Götze selbst die Antwort bereits in der Nacht zum Sonnabend gegeben – nur gehört hatte sie fast keiner. So war fast der gesamte Medientross längst aus der Frankfurter Arena abgezogen, als der Matchwinner des Polen-Spiels nach spät erfolgter Dopingprobe gegen Mitternacht zu seinem Fahrdienst eilte. Das Wasserlassen habe fast länger als das Spiel gedauert, witzelte der sonst selten witzelnde Götze, der bei den Nachfragen zum Spiel, der Nationalmannschaft und den Bayern auch schlagartig ernst wurde. „Ich fühle mich grundsätzlich wohl bei der Nationalmannschaft“, sagte der 23 Jahre alte Fußballer. „Es ist immer schön, wenn man Vertrauen spürt, und das spüre ich grundsätzlich immer, wenn ich bei der Nationalmannschaft bin.“Nur bei den Bayern, da spürt er es eben nicht.

Wechselbad zwischen Startelf und Ersatzbank

In 62 Bundesligaspielen wurde „Super-Mario“, wie Götze nach seinem Wechsel von Borussia Dortmund 2013 für 37 Millionen Euro gerufen wurde, für die Bayern eingesetzt. Er erzielte 19 Tore, bereitete zwölf Treffer vor. Gute Statistiken. Doch Götze und die Bayern, oder besser: Götze und Bayern-Trainer Pep Guardiola, das passt abseits der nackten Zahlen und Fakten irgendwie nicht. „Super-Mario“ pendelte zwischen Startelf und Ersatzbank – und auf dem Feld pendelte er auf allen möglichen und unmöglichen Positionen. Da war es auch nicht verwunderlich, dass Götze bis zum vergangenen Montag, dem Ende der wahrscheinlich absurdesten Wechselperiode aller Zeiten, hartnäckig ein Bekenntnis zu seiner Zukunft bei den Bayern vermied. Erst am Donnerstag, am Vortag seiner Zwei-Tore-Gala, als das Transferfenster längst wieder geschlossen war, dehnte Götze die Wahrheit ein wenig und sagte: „Für mich persönlich stand es nie zur Debatte, dass ich den Verein wechsele.“ Im hinteren Teil des Frankfurter Pressezeltes hörte Götzes Medienberater Max Geis von der Beraterfirma SportsTotal aufmerksam zu. „Ich fühle mich sehr, sehr wohl bei Bayern München“, sagte Götze. Und Geis nickte.

Doch zur ganzen Wahrheit gehört eben auch, dass Bayern München bei einem entsprechenden Angebot in diesem Sommer sehr wohl verhandlungsbereit gewesen wäre. „Am Ende muss der Spieler entscheiden“, hatte Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge genau in der Phase gesagt, als bereits wochenlang über einen Wechsel des chronisch unzufriedenen Götze zu Juventus Turin spekuliert worden war.

Mario Götze, der WM-Held

Götze ist Deutschlands WM-Held. Er hat das Finaltor im Maracana geschossen, hat den Ball mit der Brust angenommen, hat ihn mit links ins rechte Eck gewuchtet. Es war ein Tor für die Ewigkeit, so wichtig wie Andreas Brehmes Elfmetertreffer 1990 oder Gerd Müllers Endspieltor 1974, so schön wie Jürgen Klinsmanns Jahrhundertfallrückzieher 1987. Das ist der eine Götze. Der andere gilt als unnahbar, als arrogant, als mürrisch. Interviews gibt er kaum, und wenn, dann wirkt jedes Wort wie eine lästige Pflichterfüllung.

Doch Götze, Sohn eines Professors, der bereits mit 18 Jahren sein Nationalelfdebüt feierte, ist eben nicht nur schwarz oder weiß. Er ist nicht nur ein Weltklassefußballer und eine Weltklassediva. Das bewies er abseits des Scheinwerferlichts beim Spiel seiner Bayern gegen den HSV, als er wieder mal nur eingewechselt wurde. 5:0 hatten die Münchner die Hamburger zum Saisonauftakt gerade bezwungen, als die ganze Allianz Arena Kopf stand. Dabei kletterte ein Flitzer über den Zaun und rannte quer über den Platz zum verdutzten Götze.

Als dann wenig später die rüden Sicherheitsleute folgten, nahm sich Götze der Sache persönlich an. Er legte den Arm um den Fan und ließ ihn nicht mehr los, auch nicht, als die Ordner immer wieder an dem jungen Flitzer zerrten, als ob dieser gerade eine Gefahr für den Weltfrieden darstellte. So begleitete Götze den Anhänger schützend bis in die Katakomben, wo er dem Unruhestifter auch noch sein Trikot schenkte. Der Spieler des Spiels hieß an diesem Abend Neuzugang Douglas Costa. Doch für den jungen Über-den-Zaun-Kletterer war der Mann des Abends Bayerns eingewechselter Mario Götze, auch ohne Tor und Torvorlage.

„Es war nicht immer einfach zuletzt für Mario“, sagte Bayern-Kollege Manuel Neuer am Wochenende, als ihm als einzigem etwas ganz Entscheidendes aufgefallen war: „Bei der Pressekonferenz am Donnerstag hat Mario immer so gelächelt“, sagte Neuer, „und nach dem Polen-Spiel hat er auch immer gelächelt.“

Wie es um die Laune von Götze, der im Hampden Park erneut von Anfang an spielen soll, nach dem Spiel gegen Schottland und vor allem im weiteren Saisonverlauf bei den Bayern bestellt sein wird, wird man sehen. „Ich freue mich einfach auf die Partie“, sagte Super-Mario – und lächelte. Es ist möglicherweise an der Zeit, nicht nur alte Vorurteile über das britische Wetter zu revidieren.