Gladbachs Eigentorschütze kann sich vor Glückwünschen aus der schwarz-gelben Ecke kaum retten. Kramer selbst hakt seinen unfreiwilligen Kunstschuss als menschliches Missgeschick ab.

Dortmund. Wer den Schaden hat... Nach seinem Jahrhundert-Eigentor zum 1:0 (0:0)-Sieg von Borussia Dortmund muss sich Borussia Mönchengladbachs Weltmeister Christoph Kramer auf jede Menge Hohn und Spott einstellen.

Vor allem die sozialen Netzwerke quillen nach dem kuriosen Treffer des 23-Jährigen im Signal Iduna Park schier über vor Kommentaren. Für viele war dabei der Schuss, der in der 58. Minute aus 44,5 Metern sprichwörtlich nach hinten ging, schlicht das „Tor des Jahres“.

Unter den BVB-Fans haben Glückwünsche an Kramer Hochkonjunktur, etliche schwarz-gelbe Sympathisanten enterten bereits die inoffizielle Facebook-Fanseite des Unglücksraben, um mehr oder weniger nette Zeilen zu hinterlassen.

Einige legten Kramer sogar einen Wechsel nach Dortmund nahe: „Kramer Kramer Fußballgott so wie heute will ich das sehen... nächste Saison unterschreibste beim BVB“, schrieb etwa ein Anhänger der Westfalen.

Einen Spaß aus dem kuriosen Missgeschick machte sich auch die Twitter-Comunity. „In der DDR hätte es ein Kramer-Eigentor gar nicht gegeben, da musste man Rückpässe erst beantragen“, scherzte User „Marktwain“. Nutzerin „Schaefchen09“ vergaß allerdings auch nicht, an eine Geste nach dem Eigentor zu erinnern: „Für mich ist Kehl der bester Spieler gewesen. Hat ein super Spiel gemacht. Und dann noch die Szene mit Kramer... Überragend!“, twitterte sie. Dortmund Kehl hatte Kramer direkt nach dem Irrschuss getröstet und wieder aufgebaut.

„Dachte, dass der Ball mehr springt“

Der Gladbacher selbst stand nach dem Spiel für eine kleine Ewigkeit neben dem Feld. Kramer blickte ins Leere, während ein paar Meter von ihm entfernt Dortmunds Trainer Jürgen Klopp erleichtert durch seinen Drei-Vier-Fünf-Tage-Bart lächelte wie schon länger nicht mehr und in Richtung der Tribüne ein riesiges Herz auf seine linke Brust malte. Für ihn, für die Borussia aus Dortmund und seine Fußballer war es doch noch ein guter Sonntagabend geworden.

Es war der erste Sieg nach fünf Niederlagen in Serie, die den erfolgsverwöhnten Klub bedrohlich ans Tabellenende gespült hatte. Nun könnte die Wende zum Guten vollbracht sein. Und es ist aus mehrerlei Hinsicht eine irrwitzige Pointe, dass dazu ein bizarres Eigentor nötig war, das in die Geschichte der Bundesliga eingehen wird. Kein TV-Rückblick wird auf diese Szene verzichten.

„Ich dachte, dass der Ball mehr springt“, erklärt Kramer seinen skurrilen Treffer. „Als der Ball den Fuß verlassen hat, habe ich schon gedacht: Scheiße“, sagte Kramer nach dem Spiel in die Kameras. „Die Dortmunder können sich bei mir bedanken, bei den Gladbachern muss sich mich entschuldigen. Mich ärgert, dass ich heute eine richtige Grütze gespielt habe“, gestand Pechvogel Kramer. „Ich weiß nicht, ob schon mal jemand so ein Eigentor geschossen hat. Aber das kann passieren, das ist menschlich.“

Das sahen auch Kramers Mannschaftskollegen so. „Er muss das abhaken und nach vorne schauen, er wird damit umgehen können“, sagte Torhüter Yann Sommer auf der Homepage des Bundesligisten über die „sehr unglückliche Situation“. Kramer habe den Ball flach zu ihm zurückspielen wollen, dabei sei der Ball aber etwas hochgesprungen. „Er ist ein hervorragender Fußballer und hat trotz seines noch jungen Alters schon einiges erlebt“, sagte Sommer über seinen Mitspieler, den er noch auf dem Platz als einer der Ersten getröstet hatte.

Klopp wird das Tor nicht vergessen

Und während Kramer einem Häuchen Elend glich, pustete Klopp nach dem Schlusspfiff erst einmal kräftig durch und startete einen Jubellauf zur Bank. Auf dem Spielfeld tröstete der Dortmunder Trainer zunächst den nun schon wieder gequält lächelnden Kramer, ehe er mit seinen Spielern den erlösenden ersten Sieg nach fünf Niederlagen vor der Südkurve feierte. Vor dem Anpfiff war der BVB zwischenzeitlich auf den letzten Platz abgerutscht, nun sprang er wieder auf Rang 15 aus der Abstiegszone.

Nun könnte ausgerechnet der Gegner Dortmund in diese so vermaledeite Saison geholfen haben. „Hätte Gladbach nicht das Tor gemacht, ich fürchte wir hätten es nicht gemacht“, meinte Klopp weit nach dem Schlusspfiff und wirkte noch immer als sei er von unglaublichen Lasten befreit. „Natürlich bin ich erleichtert. Endlich haben wir eine zweistellige Punktzahl, so verrückt das klingt“, meinte Klopp, der dieses Tor von Kramer nicht vergessen wird. „Ungewollt wird er einen Platz in unserer Geschichte behalten. Wir haben die Krise noch nicht überwunden, aber wenn dieses verrückte Tor der Dosenöffner für die Zukunft gewesen sein sollte, dann nehme ich das so mit – und werde diese Anekdote sicher noch im Alter erzählen.“ Es war eben ein Abend für die Ewigkeit.

Statistik

Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Sokratis (84. Ginter), Durm - Sven Bender, Kehl - Mchitarjan, Kagawa (73. Großkreutz), Reus (89. Immobile) - Aubameyang. - Trainer: Klopp

Mönchengladbach: Sommer - Korb, Stranzl, Jantschke, Dominguez - Kramer, Nordtveit (46. Wendt) - Hahn, Herrmann (75. Traore) - Raffael (65. Hazard), Max Kruse. - Trainer: Favre

Schiedsrichter: Felix Brych (München)

Tore: 1:0 Kramer (58., Eigentor)

Zuschauer: 80.667 (ausverkauft)

Beste Spieler: Bender, Reus - Sommer, Stranzl

Gelbe Karten: Durm, Sokratis (5), Immobile - Nordtveit, Kramer (3)

Erweiterte Statistik (Quelle: deltatre):

Torschüsse: 22:1

Ecken: 7:0

Ballbesitz: 52:48 %