Der Bayern-Verteidiger könnte im Halbfinale zu seinem WM-Debüt für Brasilien kommen – und auf seine Münchner Freunde treffen
Fortaleza. Wer sich dieser Tage bei brasilianischen Anhängern nach Dante erkundigt, erntet häufig Kopfschütteln. Wer soll das bloß sein? Auch mit seinem vollen Namen Dante Bonfim Costa Santos kann kaum ein Einheimischer etwas anfangen. Aber wer „Dantschi“ ruft, erhält sofort den erhobenen Daumen gezeigt. Auf die richtige Aussprache kommt es also an. „Dantschi“ ist seit dem Wochenende in aller Munde: Die Fernsehkameras beim Training der Nationalmannschaft in Teresópolis zoomen auf den Verteidiger mit der Wuschelfrisur. Ist ja auch eine rührige Geschichte, die sich da am Dienstag in Belo Horizonte ankündigt, wenn Brasiliens Nummer 13 ausgerechnet im Halbfinale gegen Deutschland sein 13. Länderspiel bestreitet.
„Es wäre unglaublich, das erste WM-Spiel gegen meine Kollegen zu bestreiten“, sagt der 30-Jährige vom FC Bayern. Der 30-Jährige könnte auf ein halbes Dutzend Münchner Mitspieler treffen. „Klar haben wir Kontakt – wir sind doch Freunde und haben uns immer viel Glück gewünscht.“
Dantes Stunde schlägt unverhofft: Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari vertraut auf seiner Position den Weltklasseverteidigern David Luiz und Thiago Silva, künftig Klubkameraden bei Paris Saint-Germain, aber Kapitän Silva war so töricht, sich beim Kraftakt gegen Kolumbien (2:1) in Fortaleza eine zweite Gelbe Karte abzuholen. Also braucht es einen neuen Innenverteidiger. Ein Fall für Dante, dem sein Nebenmann Luiz diesen Part allemal zutraut: „Wir haben andere, die für Thiago einspringen und jeden Tag zeigen, dass sie bereit sind.“
Für den Spätstarter Dante wäre der Rollentausch vom Statisten zum Hauptdarsteller in einem historischen Semifinale die Krönung einer nicht immer einfachen Karriere. Sein Aufstieg aus ärmlichen Verhältnissen in Salvador war Teil der ARD-Dokumentation „Mata, Mata“. Dante erinnert sich oft seiner Wurzeln. Wie er als Jugendlicher mit dem Bus durchs Land tourte, um bei Caixa Juventude aufgenommen zu werden. Wie er als Jungprofi verletzt und verloren beim OSC Lille durchhielt und nicht wusste, ob er den Durchbruch schaffen würde. Ein Glücksfall sollte es dann sein, 2008 von Standard Lüttich zu Borussia Mönchengladbach zu wechseln. Vor zwei Jahren verpflichtete ihn der FC Bayern. Oft schon hat die Frohnatur gesagt: „Ich glaube, Glück muss man sich erarbeiten. Das Glück kommt nicht einfach zu dir.“
Als Anfang Juni der WM-Kader verkündet wurde, saß er mit seiner Frau Jocelina, seinen Kindern Diogo und Sophia und seinem Vater João daheim in München vor dem Fernseher. Dann las Scolari von seinem Zettel auch seinen Namen ab. Grenzenloser Jubel. Und seinem Papa sagte er: „Weißt du noch, als wir Fußball geguckt haben: Wir haben Popcorn gemacht, und bei jedem Tor ist das Popcorn an die Decke geflogen.“ Der Film zeigt auch, wie er beim Confed-Cup eingewechselt wurde und in seiner Heimatstadt vor den Augen der versammelten Verwandtschaft ein Tor schoss.
Alle fünf WM-Auftritte der Seleção hatte sich Dante mit der Reservistenrolle begnügen müssen. Mit seinem ärmellosen Leibchen nur im Bild, wenn er den Kameraden Getränkeflaschen reichte oder in den Jubelchor einstimmte. Viel mehr konnte er nicht tun, aber wie wichtig der Rückhalt von der Reservebank ist, wissen Scolaris Auserwählte. Dante hat öffentlich erst kürzlich ausgerichtet: „Wenn ich Weltmeister werden sollte, selbst ohne Einsatz, wäre ich noch glücklicher.“ Nun kann es noch viel besser kommen.